Grundstücksüberlassung

IV. Grundstücksüberlassung im Wege der Erbpacht kulturellen, sozialen und sonstigen Zwecke 3 % angemessen sind. Das war an und für sich auch für jeden Sachbearbeiter schon klar, dass hier die 3 % maßgebend sein werden, wenn es sich so verhält, dass die Nutzung auch diesem gemeinnützigen Nutzungszweck entsprechen wird. Da gab es keine besonderen Hinweise, das ist mir jedenfalls nicht bekannt und im Amt auch nicht, dass man sagt, wir wollen da unbedingt die 3 % hier.

Auf diese Aussage des Zeugen Stefke hin, bat der Untersuchungsausschuss die Senatsverwaltung für Finanzen um Übersendung der entsprechenden Richtlinie,347 woraufhin diese das Rundschreiben der Senatsverwaltung für Finanzen vom 23. Februar 1979 vorlegte und erläuterte: „Mit dem Rundschreiben hat die Senatsverwaltung für Finanzen die Erbbauzinsen in Höhe von 3% festgelegt, wenn Erbbaurechte an landeseigenen Grundstücken zur kulturellen Nutzung bestellt werden. Auf die Gemeinnützigkeit des Erbbauberechtigten kommt es bei der Festlegung dieses geminderten Erbbauzinses nicht an."

Mit dem Rundschreiben wandte sich der Senator für Finanzen an die Grundstücksämter der Bezirksämter von Berlin: „Betr.: Senkung des Erbbauzinses

Im vergangenen Jahr sind in Berlin die Grundstückswerte beträchtlich gestiegen. Auf diese Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt hat der Senat keinen Einfluss. Um eine ungünstige Auswirkung auf die Bautätigkeit in Berlin zu vermeiden, werden in Zukunft die hohen Bodenpreise durch eine Ermäßigung des Erbbauzinses ausgeglichen werden. Ich bitte daher, die Erbbaurechtsverträge künftig zu folgenden Erbbauzinsen zu vergeben:

- zur Förderung der Gewerbe- und Industrianlagen zu 3 %

- für den Mietwohnungbau und für den Bau von Eigentumswohnungen und Eigenheimen zu 4,5 %

- für soziale, kulturelle oder sportliche Bauten zu 3 %

- für Geschäftsbauten zu 6 %

- für Selbstbedienungsläden zu 9 %"

Zutreffend ist zwar, wie die Senatsfinanzverwaltung in ihrem oben zitierten Anschreiben an den Untersuchungsausschuss hervorhob, dass die Gemeinnützigkeit keine Bedingung für den abgesenkten Erbbauzins darstellte. Die Abgrenzung zwischen „kulturellen Bauten" einerseits und „Geschäftsbauten" andererseits setzte jedoch sehr wohl eine Auseinandersetzung mit der Frage der Erwerbsorientierung voraus. Dass der Erbbaurechtsvertrag, um diese Abgrenzung vorzunehmen, daher zunächst die Gemeinnützigkeit voraussetzte, erscheint vor diesem Hintergrund durchaus plausibel.

Angesichts der langen Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages wurde ergänzend eine Gleitklausel in den Vertrag integriert, nach der sich der geschuldete Erbbauzins (nicht der Erbbauzinssatz) entsprechend den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen, dargestellt durch den Lebenshaltungspreisindex des statistischen Bundesamtes, jährlich anpassen sollte. Die Klausel sollte ihre Wirkung jedoch erst nach Ablauf zum Beginn des auf die Bezugsfertigkeit folgenden sechsten Jahres entfalten (§ 4 Abs. 5).

Wortprotokoll, 18.Sitzung, 10.6.2005, S. 20.

Schreiben des Vorsitzenden vom 20.4.2005.

Schreiben SenFin an den Vorsitzenden des 2. UntA, 4.5.2005, F 5, Bl. 78.

Rundschreiben SenFin, 23.2.1979, F 5, Bl. 80.

Unter dem 7.11.2000 wurde das Wirksamwerden geändert auf das feste Datum des 1. Januar 2008, näher unten, „Zweite Änderung des Erbbaurechtsvertrages".

Anlage VI zum abweichenden Bericht Berichtsentwurf des Ausschussbüros

B. Standortverlegung

b) Ermittlung des Grundstückswerts, § 4 Abs. 1 War die Festlegung des Erbbauzinses auf 3% vor dem Hintergrund der Gemeinnützigkeit und der kulturellen Bedeutung, die dem Tempodrom allgemein beigemessen wurde, nicht unüblich und ­ soweit ersichtlich ­ im Verlauf der Vertragsverhandlungen auch zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt, so war die Bestimmung des dem Erbbauvertrag zugrunde zu legenden Grundstückswertes von umso entscheidenderer Bedeutung, da dieser als Bezugsgröße für den anzulegenden Erbbauzinssatz die Höhe des tatsächlich geschuldeten Erbbauzinses bestimmte.

Zeuge Dr. Schulz: [...] Wenn wir über die Absenkung des Erbbaupachtzinses sprechen, dann reden wir ja nur über die prozentuale Absenkung, die die LHO für gemeinnützige Betriebe, die insbesondere dann auch öffentlich-rechtliches Interesse besitzen, als machbar ansieht. Der absolute Wert ist erstellt worden über ein Verkehrswertgutachten. Da hatte sich das Bezirksamt entgegen der vielen politischen Interventionen auch durchgesetzt, nämlich für diese Fläche Gewerbefläche anzusetzen und nicht Sonderfläche mit Kultur und Ähnliches, wie es im Bebauungsplan steht, sondern eine höherwertige Nutzung und damit auch Bodenwert zu unterstellen und damit auch entsprechend den Absolutwert des Erbbaupachtzinses.

aa) Erste Wertermittlung, 31. Oktober 1995

Bereits am 27. Oktober 1995 wurde das Vermessungsamt des Bezirksamtes vom damaligen Bezirksbürgermeister Strieder beauftragt, eine Verkehrswertermittlung für das Grundstück vorzunehmen, um damit den Verkauf, die Verpachtung oder die Übertragung des Grundstücks an die zu gründende Stiftung vorzubereiten.

Unter Verweis auf § 20 Grundstücksordnung legte das Vermessungsamt bei der Wertermittlung die künftig vorgesehene bauliche oder sonstige Nutzung zugrunde und kam zu dem Ergebnis: „Im vorliegenden Fall ist die vorgegebene Nutzung nicht von der dem Allgemeinwohl dienenden Art, sondern auf Erwirtschaftung einer Rendite durch Ausübung kommerzieller Tätigkeiten ausgerichtet. Der Wert des Grundstücks ist somit nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen."

Zunächst war der anzulegende Bodenrichtwert353 festzusetzen, bei dem sich das Vermessungsamt an dem der Fläche des benachbarten Museums für Verkehr und Technik orientierte. Aus dem rechnerischen Abgleich der dortigen Geschossflächenzahl (GFZ)354 und der im Bebauungsplan angegebenen Baumassezahl (BMZ)355 ergebe sich für das Tempodrom eine fiktiv zulässige GFZ von 2,4. Von dem auf dieser Grundlage errechneten Grundstückswert für die Tempodrom-Fläche wurde ein Abschlag in Höhe von 10% zur Erfassung des seit der letzten Bodenrichtwertfeststellung eingetretenen Preisverfalls und ein weiterer Abschlag in Höhe von 20% für das aufgrund der großen ungenutzten Höhe über der Arena bestehende ungünstige Nutzflächenverhältnis abgezogen.

Im Ergebnis führte die Berechnung zu einem Bodenwert von 1200 DM/qm, wobei das Vermessungsamt einräumte, durch Baureifmachung entstehende Kosten könnten wertmindernd in

BA-FK, Verm., Bl. 4.

Schreiben vom 31.10.1995, BA-FK, Verm., Bl. 34 f. „Die Höhe des Bodenrichtwertes wird einerseits durch die Art der baulichen Nutzbarkeit beeinflußt andererseits bestimmt aber auch das Maß der baulichen Nutzung als wertrelevanter Parameter die Bodenwerthöhe", Vermerk vom 31.10.1995, BA-FK, Verm., Bl. 32. „Die GFZ gilt als üblicher Vergleichsmaßstab für die Werthaltigkeit des Grund und Bodens. Sie gibt an, wie viel Bruttonutzfläche (Geschossfläche) je qm Grund und Boden für eine wirtschaftliche Verwertung zur Verfügung steht," „Die BMZ ist ein Indikator für den zu nutzenden umbauten Raum je qm Grund und Boden. Die zulässige BMZ soll 9,5 betragen ", Vermerk vom 31.10.1995, BA-FK, Verm., Bl. 32.

Berichtsentwurf des Ausschussbüros Anlage VI zum abweichenden Bericht

IV. Grundstücksüberlassung im Wege der Erbpacht Ansatz gebracht werden, solange ein Mindestwert von zwei Dritteln des angegebenen Wertes, mithin 800 DM/qm, nicht unterschritten werde.

bb) Zweite Wertermittlung: 4. November 1997

Das Vermessungsamt wurde am 28. August 1997 erneut beauftragt, eine Wertermittlung des Grundstücks vorzunehmen, wobei die Stiftungsurkunde, die Satzung der Stiftung, der Stand der Bauplanung, sowie der Umstand, dass ein Erbbauzins von 3% kulturpolitisch gerechtfertigt sei, zu berücksichtigen waren.

Seine Grundlagen der Berechung sah das Vermessungsamt durch die Unterlagen über Stiftung und Tempodrom nicht erschüttert: „Hinsichtlich der kulturellen profitorientierten Nutzung wird weiterhin vom Wertniveau nahegelegener Gewerbeflächen ausgegangen."

Unter Zugrundelegung der Berechnung vom 31. Oktober 1995 berücksichtigte das Vermessungsamt die sich aus der Bauplanung ergebende Bruttogeschossfläche von 5 500 qm bei einem rund 10 000 qm großen Grundstück und kam unter Einbeziehung der sich daraus ergebenden GFZ von 0,6 bis 1,0 - je nach Art und Umfang der wirtschaftlichen Nutzung der Außenfläche ­ sowie eines weiteren Abschlags aufgrund des zwischenzeitlich fortgeschrittenen Preisrückgangs zu einem Grundstückswert von 560 DM/qm. Für die Baureifmachung seien maximal 3 Mio. DM anrechnungsfähig, so dass sich ein Grundstückmindestwert in Höhe von 260 DM/qm ergebe. Dies galt freilich nur für den Fall, dass die Grundstücksanierung auf Kosten der Erbbauberechtigten, der Stiftung Neues Tempodrom, durchgeführt würde.

Aufgrund eines zwischenzeitlich erfolgten weiteren Preisrückgangs vergleichbarer Grundstücke in Kreuzberg um 10% korrigierte das Vermessungsamt den Bodenwert im Februar 1999 erneut, auf nunmehr 500 DM/qm.

Auf die Frage der Abg. Kolat (SPD) ob das dem tatsächlichen Verkehrswert entsprochen habe, antwortet Zeuge Stefke, das Vermessungsamt habe die Ermittlung nach bestem fachlichen Wissen durchgeführt und regte an, die Wertermittlung einmal durch den Gutachterausschuss der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung überprüfen zu lassen. Als Grund für die stark abweichende Bewertung (im Oktober 1995 ging das Vermessungsamt je nach Berücksichtigung der Baureifmachungskosten noch von einem Grundstückspreis von 800 DM bis 1 200 DM/qm aus) gab Zeuge Stefke an: „Es gab ja doch einen deutlichen Wertverlust gegenüber einer Wertermittlung noch aus der Zeit vor 1996, die mit einem allgemeinen Wertverlust einherging."

cc) Überprüfung der Wertfestsetzung durch SenBWV

Im Rahmen der erforderlichen Zustimmung der Senatsverwaltung für Finanzen zum Erbbaurechtsvertrag, ließ diese, auf Bedenken des zuständigen Staatssekretärs hin, die durch das Vermessungsamt vorgenommene Wertermittlung durch die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr (SenBWV) auf Plausibilität überprüfen.