Nach der ersten Grobprüfung des Vorhabens durch die Kundenbetreuerin wurde der Vorgang an die Kreditabteilung der LBB

Berichtsentwurf des Ausschussbüros Anlage VI zum abweichenden Bericht

II. Fremdkapitalbedarf

Für die Besicherung des Darlehens bedeutete dies für die LBB, dass sie neben der Ausfallbürgschaft des Landes und den selbstschuldnerischen Bürgschaften der Gesellschafter von der Stiftung Neues Tempodrom als der Erbbauberechtigten die Eintragung einer Grundschuld in das Erbbaugrundbuch und von der GmbH die Abtretung aller Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Globalzession) verlangen konnte.

Der erste Kontakt von Frau Moessinger und Herrn Waehl mit der LBB lief über den Vertriebsbereich im Geschäftsbereich Öffentliche Kunden. Die ersten Gespräche wurden mit der zuständigen Kundenbetreuerin, Frau Steinmüller, und dem zuständigen Abteilungsleiter, Herrn Beier, geführt.

Nach der ersten Grobprüfung des Vorhabens durch die Kundenbetreuerin wurde der Vorgang an die Kreditabteilung der LBB weitergegeben.

Der Kreditantrag der Stiftung Neues Tempodrom fiel bei Aufgabe wird in einem eigens für diesen Zweck zu errichtenden Veranstaltungshaus (Objekt „Neues Tempodrom") auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Bahnhofs erfüllt werden.

Die Bautätigkeit zur Errichtung des Objekts hat bereits begonnen."

Das Aufgabenfeld der Tempodrom GmbH wird demgegenüber wie folgt umrissen: Gesellschaftszweck der Tempodrom GmbH ist der Erwerb und die Vermietung von Zirkuseinrichtungen aller Art und Zubehör. Im Rahmen des Betriebs des Objekts „Neues Tempodrom" wird der Gesellschaftszweck künftig dahingehend erweitert, dass die Tempodrom GmbH die Organisation von Vermietungen im Bereich Musik, Theater, Zirkus, Kongress, Messen, Präsentationen, Medienveranstaltungen und Sport sowie den Betrieb der Getränkegastronomie bei Veranstaltungen der Stiftung Neues Tempodrom in der großen Arena des Veranstaltungshauses übernimmt."

Aus der Aufnahme dieser Beschreibung in die Präambel des Kreditvertrages wird zu schließen sein, dass es der LBB darauf ankam, nicht nur die Stiftung als Bauherrin, sondern auch die GmbH als wirtschaftliche Nutznießerin für die Darlehensrückzahlung haftbar zu machen.

Die Einbindung der Tempodrom GmbH führte schließlich dazu, dass mit der Insolvenz der Stiftung Neues Tempodrom auch die Tempodrom GmbH Insolvenz anmelden musste, da infolge der Vermögenslosigkeit der Stiftung sämtliche Forderungen aus dem Kreditverhältnis auf der GmbH lasteten.

b) Prüfung des Darlehensantrags durch die LBB

Zu den Zuständigkeiten innerhalb der LBB führte der damalige Kreditbereichsleiter des Kreditbereichs Öffentliche Kunden Zeuge Berentin aus, die Zuständigkeit habe sich erstreckt auf den Markt- und den Marktfolgebereich. Der Marktbereich für Öffentliche Kunden (ÖK) unter dem Bereichsleiter Herrn Lampe sei zuständig gewesen für die Akquise und den Kontakt zum Kunden, während der Kreditbereich Öffentliche Kunden (KÖ) unter seiner eigenen Leitung als Marktfolgebereich die Aufgabe der Wirtschaftlichkeitsberechnung und damit der Risikoabschätzung gehabt habe. Die Bereichsleiter beider Bereiche waren daher die zuständigen Kompetenzträger, die über die Bewilligung des Darlehens zu entscheiden hatten. Diese Entscheidung sei durch die jeweils zuständigen Abteilungen (KÖ 4 ­ Abteilungsleiter Schaub und ÖK 2 ­ Abteilungsleiter Beier) und dort durch die jeweils zuständigen Sachbearbeiter (KÖ ­ Herr Schmidt und ÖK ­ Frau Steinmüller) in Form einer Beschlussvorlage vorbereitet worden.

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D. Finanzierung des Neubaus der LBB in die Zuständigkeit des Kredibereichs „Öffentliche Kunden" im Geschäftsbereich „Öffentliche Hand". Der damalige Leiter dieses Kreditbereichs, Zeuge Schaub, erläuterte dem Ausschuss, „öffentliche Kunden" seien dabei nicht ausschließlich im Sinne von öffentlich-rechtlichen Kunden zu verstehen, sondern es genügte, dass ein Bauvorhaben von öffentlichem Interesse sei, also etwa einen kulturellen Bezug aufweise, dem Bereich der Daseinsvorsorge entstamme oder durch eine Landesbürgschaft abgesichert werden solle.

(1) Finanzierungsstruktur: Projektfinanzierung

Nach Überprüfung der Finanzierung und Wirtschaftlichkeit des Projekts (dazu unten) wurde eine gemeinsame Beschlussvorlage von Vertriebsbereich und Kreditbereich gefertigt, die dann durch die jeweiligen Bereichsleiter beschlossen wurde.

Bereits in den ersten Gesprächen, so führte Zeugin Steinmüller aus, sei nach ihrer Erinnerung von Frau Moessinger und Herrn Waehl die Landesbürgschaft angesprochen worden. Allerdings sei die Wirtschaftlichkeit dennoch anhand der vorliegenden Zahlen geprüft worden, und man habe „nicht nur auf die Bürgschaft abgestellt". Bei dieser Prüfung, so ergänzte die Zeugin auf Nachfrage, sei sie frei von jeglichen politischen Vorgaben, wertfrei und neutral gewesen.

Zeugin Steinmüller: Das war ein bankübliches Prüfungsverfahren. So ist es bei mir angekommen. Fragen Sie mich aber bitte nicht, was Herr Specker gegebenenfalls mit unserem Vorstand gesprochen hat oder nicht. Da bin ich ein paar Etagen zu tief.

bb) Bewertung des Vorhabens durch die LBB Zeuge Schaub führte zum Inhalt der durch die Kreditabteilung der LBB vorgenommen Prüfung aus, diese habe die Finanzierungsstruktur und die Wirtschaftlichkeitsberechnung untersucht.

Hinsichtlich der Finanzierungsstruktur habe hier im Gegensatz zu „einer konventionellen Finanzierung an einen persönlichen Kreditnehmer" eine Projektfinanzierung vorgelegen, da eine Bonität der Kreditnehmerin gefehlt habe.

Die Stiftung sei bis auf den Anspruch auf Umzugsentschädigung weitgehend vermögenslos gewesen und persönliche Einkünfte von Frau Moessinger und Herrn Waehl hätten diese ausschließlich aus dem Tempodrom heraus erzielt, so dass die Bonität von Stiftung, Frau Moesinger und Herrn Waehl für das Projekt keine Rolle gespielt habe.

Es komme in solchen Fällen entscheidend auf die Wirtschaftlichkeit des Projekts an.

Auf die Frage, ob auch das Know-how von Frau Moessinger und Herrn Waehl für dieses Projekt überprüft worden sei, antwortete Zeuge Schaub: „[...] Was Ihre Frage zum Know-how anbelangt ­ das Know-how seitens Frau Moessinger respektive seitens Herrn Waehl mit Bezug auf ein entsprechendes Projekt dieser Größenordnung: Da gebe ich Ihnen Recht, das haben wir auch gesehen, dass dieses in Gänze nicht gegeben ist, jedoch haben Herr Waehl und auch Frau Moessinger Know-how in Bezug auf wichtige Teile des Projekts, insbesondere was den Veranstaltungsbereich anbelangt, was ein Kernbereich dort war und auch originärer Grund für das Projekt, was die beiden auch abgedeckt haben. Ansonsten wurde Know-how letztendlich von dritter Seite zur Verfügung gestellt, was uns dann dazu bewegt hat, zu sagen:

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II. Fremdkapitalbedarf dritter Seite auch zur Verfügung gestellt wurde, ist das für ein derartiges Projekt ausreichend."

Auch die wirtschaftliche Vorgeschichte des Projekts in Gestalt des alten Tempodroms schreckte die LBB nicht. Auf die Frage, ob bei der Prüfung die bilanzielle Überschuldung der alten Betreibergesellschaft berücksichtigt worden sei, antwortete Zeuge Schaub: Zeuge Schaub: Wir haben uns selbstverständlich die Zahlen des alten Tempodroms angeschaut und haben uns auch angeschaut, woher die Defizite resultieren und wie sie im Verhältnis auch zu den neuen Kalkulationen stehen. Im Rahmen der neuen Kalkulationen, die angestellt worden sind ­ mit den entsprechenden Rahmendaten, mit den entsprechenden Besucherzahlen, mit den entsprechenden Auslastungen ­, hat sich das auch gerechnet. Da gab es auch keine Ansätze, daran zu zweifeln ­ zumal letztendlich die Auslastungsgrade seitens des alten Tempodroms eigentlich keinen Zweifel gelassen haben, also weil die Auslastungsgrade auch sehr gut waren.

(2) Ertrags- und Finanzplanung des Dr. Hantschel, 27. März 2000

Von entscheidender Bedeutung für die Bewertung des Kreditantrags war die vom Zeugen Schaub als „Wirtschaftlichkeitsberechnung" bezeichnete „Ertrags- und Finanzplanung" des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Dr. Hantschel.

Die Fragen, wie aussagefähig und belastbar die aus dem Dokument hervorgehenden Daten waren, welche Bedeutung dieser Unterlage bei der Prüfung des Darlehensantrags durch die LBB (und später auch durch die PwC) zukam und ob sich der Verfasser der Ertrags- und Finanzplanung der seiner Unterlage zugeschriebenen Bedeutung bewusst war, standen im Mittelpunkt der Beweisaufnahme durch den Ausschuss.

Zeuge Schaub beschrieb den Inhalt der Ertrags- und Finanzplanung wie folgt: „Die Daten des Dr. Hantschel, die dort zugrunde gelegt waren, das sind teilweise Erfahrungswerte selbstverständlich auch der Kunden insbesondere aus dem Veranstaltungsbereich gewesen. Es sind allerdings ­ soweit ich mich erinnere ­ auch Zahlen von externen Stellen, von Verbänden etc. herangezogen worden, die dort nachher Grundlage dieses Gutachtens geworden sind. Wir haben anschließend für unser Haus die Zahlen selbst auch noch mal betrachtet und haben selbst noch mal recherchiert, auch bei Verbänden selbst, inwieweit das zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich realistisch ist von einzelnen Ansätzen. Da hat sich für uns zum damaligen Zeitpunkt, wie gesagt, jetzt nicht ergeben, dass die Zahlen nicht realistisch sein sollten. Sie waren, wie gesagt, knapp, gar keine Frage, aber sie waren von den Ansätzen her durchaus realistisch. Aber es waren ­ da gebe ich Ihnen Recht ­ Annahmen.

Und diese Annahmen sind im Rahmen einer entsprechenden Projektfinanzierung dieses Stils auch durchaus üblich. Aber es sind natürlich selbstverständlich Schätzungen, die auf Besucherzahlen, auf bestimmten Kosten, auf bestimmten Einnahmen basierten, das ist gar keine Frage, also bestimmte Marktdaten, die eben angenommen wurden."

Vergleichbar äußerte sich auch Zeuge Berentin zu seinem Verständnis der Ertrags- und Finanzplanung Dr. Hantschels: Zeuge Berentin: „Mir ist nicht bekannt gewesen, dass Herr Hantschel nur Zahlen, die von den Kreditnehmern aufgeliefert wurden, zu Papier gebracht hat. Es ist für mich auch nicht üblich.