Baukostenentwicklung und Baukostencontrolling

„Diese drei Dinge haben einen inhaltlichen Zusammenhang. Wenn ich Qualitäten nach oben drücke, gehen mir die Kosten mit nach oben, und manchmal gehen mir auch die Termine nach hinten. Wenn ich Termine kürzen will, führt das oftmals dazu, dass die Qualität schlechter wird und dass die Kosten mir steigen. D. h., die drei Dinge hängen zusammen."

Die Entscheidung obliege aber in jedem Einzelfall den Bauherren und nicht der Projektsteuerung.

Entscheide der Bauherr anders, als der Projektsteuerer vorgeschlagen habe, so könne der Projektsteuerer daran nichts ändern.

Sie habe im Verlauf des Tempodrom-Projekts mehrfach darüber nachgedacht, ob sie nicht an die Geldgeber des Projekts herantreten müsste. „Es ist mir zum Teil wirklich absolut gegen den Strich gegangen, wie das da lief. Nur, an der Stelle habe ich mich immer wieder gefragt: Wenn ich jetzt hinschmeiße, wird es dadurch besser oder noch schlimmer? ­ Ich bin zumindest zu dem Ergebnis gekommen, es würde noch schlimmer werden, und habe gesagt: Dann muss man es eben weitermachen."

Beim Baukostencontrolling im Rahmen der Projektsteuerung, führte Zeugin Ellersiek aus, handele es sich um die Kontrolle einer qualifizierten Baukostenfortschreibung, die eigentlich durch die Bauleitung erbracht werden müsste, beim Tempodrom-Projekt jedoch erst in den letzten vier, fünf Monaten auch erbracht wurde.

Dass es zwischen der BPI und der BAL in diesem Punkt Uneinigkeit über die Verteilung der Zuständigkeiten und die jeweils zu erbringenden Leistungen gab, wurde oben bereits dargelegt.

bb) Funktionsweise des Baukostencontrollings durch BPI:

Zur Funktionsweise des Baukostencontrollings durch die BPI teilte Zeugin Ellersiek dem Ausschuss mit, zu Anfang setze sie sich mit den Bauherren zusammen, bespreche mit diesen das in einer vorliegenden Planung dokumentierte Projektziel, den avisierten Fertigstellungstermin, die Gesamtkosten und die geforderte Qualität. Termine, Kosten und Qualität werden dann im Bauvorlauf durch die Projektsteuerung kontinuierlich überwacht und den Bauherren werden Abweichungen oder drohende Abweichungen umgehend mitgeteilt, verbunden mit dem Vorschlag geeigneter Maßnahmen der Gegenzusteuerung. „Nur, das dürfen Sie nicht! Sie haben den Auftrag von seiner Stiftung Neues Tempodrom und dürfen an dieser nicht vorbei. Irgendwohin zu gehen und zu sagen, meine Güte, was die da gerade machen, droht aber zu einem Schaden zu werden, das können Sie nicht tun. So, und in dieser dummen Situation sind Sie als Projektsteuerer. Sie erkennen eine Situation, machen dem Bauherrn einen Vorschlag, der nimmt den Vorschlag nicht an, agiert so weiter wie bisher, und Sie dürfen noch nicht einmal zu anderen finanzierenden Institutionen gehen und sagen:

Da passiert gerade etwas, was zu einem Schaden werden kann. ­ Das ist die dumme Situation."

Auf die Nachfrage aus dem Ausschuss, ob die Zeugin es als „seriös" erachte, sehenden Auges die Katastrophe zu begleiten, erwiderte Zeugin Ellersiek, sie habe darüber nachgedacht, wie vor ihr bereits Herr Poreike den Auftrag zurückzugeben.

II. Kostencontrolling Zeugin Ellersiek erläuterte, auch die Baukostenfortschreibung sei daher für sehr lange Zeit allein durch die BPI erbracht worden und zwar mithilfe eines innerhalb der Specker-Gruppe ohnehin vorhandenen Systems, das „eine tagesaktuelle Prognose der Baukosten" ermögliche. Dieses Programm beschrieb der später für die Baubetreuung zuständige Stiftungsvorstand, der Zeuge Lux, dem Untersuchungsausschuss wie folgt: Zeuge Lux: Ja, es gab ja ein Kostenverfolgungsprogramm, das seinerzeit mit Eintritt der Specker-Gruppe eingeführt worden ist. Dieses Kostenverfolgungsprogramm ist ein professionelles Programm, das ich auch kenne, und damit ist sichergestellt, dass zum einen die Budgetwerte enthalten sind in dem Programm. Es geht also jeder Auftrag, der erteilt wird, in dieses Kostenverfolgungsprogramm rein. Erst wenn der Auftrag dort hinterlegt worden ist, ist es möglich, Rechnungen abzubuchen, sodass man aus dieser Kostenverfolgung relativ genau erblicken konnte, ob der Rechnungsstand in Ordnung ist oder nicht.

Zeuge Lux fasste zusammen, das Kostenverfolgungsprogramm der Specker-Gruppe sei das einzig verlässliche Instrument gewesen, um zu erkennen, wo das Projekt genau stand,1431 und er teilte dem Ausschuss seinen Eindruck mit, Frau Ellersiek habe die Kostenverfolgung zumindest in der Zeit, die er beurteilen könne, im Griff gehabt und sei ein verlässlicher Partner gewesen.

Aus den Zeugenaussagen ergibt sich, dass die Kostenverfolgung dem Stand der Technik entsprochen haben und als zuverlässig anzusehen gewesen sein mag. Deutlich wurde aus den Ausführungen der Zeugin Ellersiek aber auch, dass es sich bei der Projektsteuerung und innerhalb dieser bei der Kostenkontrolle eben um ein Kontrollinstrument für die Bauherren handelte und gerade nicht um ein autarkes Steuerungsinstrument, das in der Lage ist, das einmal gesetzte Ziel sicher zu erreichen. Das Verfahren diente dem Zweck, den Stand des Projekts, der Vergaben, der Rechnungsstellungen und der Zahlungen zu dokumentieren und eine in die Kostenfortschreibung integrierte ­ daher „tagesaktuelle"

­ Fortschreibung der Gesamtkostenprognose vorzunehmen. Dass sich diese mit hinzukommenden „Sonderwünschen" oder dem Schall- oder Brandschutz geschuldeten Sonderkonstruktionen erhöhten, war der Kostenfortschreibung daher nicht anzulasten und wird auch nicht als Schwäche der Projektsteuerung bewertet werden können.

Fraglich ist vor diesem Hintergrund allerdings, wie die Präsentation des Kostencontrollings bei LBB und PwC den Eindruck hinterlassen konnte, die Gefahr von Baukostenerhöhungen sei hierdurch weitgehend minimiert.

In seiner Schilderung der Vorzüge des dargelegten Kostencontrollings stellte Zeuge Schmid (PwC) dem Untersuchungsausschuss dar, das Besondere an der Situation sei gewesen, dass es keinen Generalunternehmer gegeben habe, der für die Kosteneinhaltung verantwortlich war und damit das Risiko von Mehrkosten getragen hätte. Das anhand von Tabellen vorgestellte Kostencontrolling habe aber veranschaulicht, dass bei der Vergabe Gewerk für Gewerk eine Gegenrechnung möglich sei. Dass also, wenn ein Gewerk teurer würde, das andere günstiger vergeben werden könnte und so die Gesamtkosten im Rahmen blieben. Das sei für ihn zumindest plausibel gewesen.

Auf den Vorhalt, im PwC-Gutachten stehe, das Ingenieurbüro Specker werde die Bauüberwachung vornehmen und zeichne für die Planungs- und Kostensicherheit verantwortlich, stellte Zeuge Schmid zutreffend richtig, bei dieser Aussage handele es sich um die Wiedergabe der Stellungnahme der Bank.

Er habe sich auch gefragt, was das heiße, „zeichnet verantwortlich".

Auf die Frage, ob sich Zeugin Ellersiek bewusst darüber war, dass ihr Kostencontrolling als „Garantie dafür bei der Bürgschaft gesehen worden [ist], dass die Baukosten nicht aus dem Ruder laufen"1, antwortete die Zeugin: natürlich nicht gemeint gewesen. Deshalb habe er sich das Baukostencontrolling im Gespräch mit Herrn Klussmann und Frau Ellersiek auch so genau erläutern lassen.

Zeugin Ellersiek: In der Form nicht ganz bewusst ­ wobei ich teilgenommen habe an einem Gespräch, das es gegeben hat ­ es war ein relativ kurzes Gespräch ­ bei Pricewaterhouse, zusammen mit Herrn Klussmann, wo von den Herren, die wahrscheinlich die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung gemacht haben vor Vergabe des Kredits, gefragt wurde, ob wir denn dafür garantieren würden, dass die Baukosten im Griff gehalten werden könnten. Herr Klussmann hat dies bejaht, und ich muss zugeben, ich war zu diesem Zeitpunkt vielleicht zu feige zu sagen: Da gibt es aber jetzt schon einiges an Risiken.

Als Nachunternehmerin, erklärte die Zeugin, habe sie sich nicht in der Position gesehen, der Aussage des Hauptunternehmers zu widersprechen, der die Protokolle der Projektbesprechungen gekannt habe und auch per E-Mail von ihr wiederholt darauf hingewiesen worden sei: „Jetzt wird es aber langsam gefährlich. Wie gehen wir damit um?"

Wann genau das Gespräch bei der PwC stattgefunden hat, erinnerten die befragten Zeugen nicht mehr.

Der Zeitraum lässt sich indes eingrenzen, da der Bürgschaftsantrag der PwC auf den 5. April 2000 und die das Gespräch zitierende Sitzungsvorlage der PwC auf den 13. Juni 2000 datiert ist.

In diesem Zeitraum war der Zeugin zumindest bekannt, dass es zu Verzögerungen im Rohbau kommen werde, dass die Dachkonstruktion ein Kostenrisiko in sich barg und dass weder das Immissions- noch das Brandschutzgutachten vorlagen, sodass auch hier weitere Mehrkosten nicht auszuschließen waren.

Zeuge Klussmann gab vor dem Ausschuss an, sich an ein Gespräch bei PwC nicht zu erinnern. Auf Vorhalt der Aussage der Zeugin Ellersiek sagte er, eine Kostengarantie habe er jedenfalls „nie im Leben" abgegeben. Als Projetsteuerer würde es das nie ­ weder mündlich noch schriftlich ­ tun, da ja immer der Bauherr entscheide, welche Sonderwünsche und Mehrkosten er habe. Etwas anderes sei es als Generalunternehmer, wenn er einen Auftrag zu einer Fixsumme durchführen und für die Kosteneinhaltung geradestehen müsse. Das sei aber beim Tempodrom gerade nicht so gewesen.

Die Aussage, dass aus fachlicher Sicht die Kosten beim Tempodrom im geplanten Rahmen bleiben können, habe Zeuge Klussmann gegenüber der PwC jedenfalls nicht getroffen.

Er betonte, dass die Einhaltung des Kostenrahmens letztlich den Bauherrn obliege. Er sei sich sicher, dass die Bauherrn als Auftraggeber der Projektsteuerung auf alle Kostenauswirkungen von allen Maßnahmen und Anweisungen hingewiesen worden seien. Die Entscheidungen habe aber die Bauherrin treffen müssen und diese Entscheidungen seien dann umzusetzen gewesen.

Zudem sei die Specker Plantec erst in einer Phase in das Projekt eingetreten, in der zum tief greifenden Erfolg „die Messe gelesen" gewesen sei. Der Bewegungsspielraum im Kostenbereich habe da vielleicht noch bei 10% gelegen und bei einem Bauherrn, der immer mehr will und auch noch bekommt, sei eben nicht mehr viel zu machen gewesen.