Kreditmittel

Berichtsentwurf des Ausschussbüros Anlage VI zum abweichenden Bericht

I. Vorfeld der 1. Rettungsaktion

Aus einer „Synopsis zum Projektcontrolling durch KÖ 5, U. Steinijans" geht hervor, dass die von ihm und damit von der LBB dem bankinternen Controlling zugrunde gelegte Planung der Gesamtfinanzierung von einem Betrag für Unvorhergesehenes i.H.v. 3 103 TDM ausging. Dies ergibt sich daraus, dass Steinijans in seiner Übersicht trotz bereits entstandener Mehrkosten i.H.v. 1 155 TDM noch immer von einem Betrag für Unvorhergesehenes i.H.v. 1 948 TDM ausging, der dann im Verlauf der weiteren Kostensteigerungen rasch abschmolz.

Unabhängig davon, ob diese Kalkulation tatsächlich zutreffend war, ist festzustellen, dass jedenfalls die Baukostenerhöhung um 3 500 TDM den zugrunde gelegten Betrag für Unvorhergesehenes überschritt. Unter Zugrundelegung dieser offenbar seitens des Herrn Steinijans für valide gehaltenen Zahlen war daher zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen, dass die Gesamtfinanzierung nicht mehr geschlossen war. „[...] Diese Erhöhung kann durch zusätzliche Einsparungen nicht mehr ausgeglichen werden, da dies zu einer nicht zu vertretenden Einschränkung der Nutzung des Gebäudes führen würde. Geplant ist, die Baukostenerhöhungen durch die zusätzliche Einwerbung von Sponsoringgeldern in entsprechender Höhe zu kompensieren.

Der Vorstand der Stiftung Neues Tempodrom und der Tempodrom GmbH versichert der Landesbank, dass von der gemäß Bürgschaftsantrag prognostizierten Einwerbung von Sponsoringgeldern von insgesamt DM 10,0 Mio. bis zum Betriebsbeginn am Jahresende 2001 ein Betrag in Höhe von DM 5,0 Mio. an Sponsoringgeldern eingeworben sein wird. Diese Gelder gehen der Stiftung angabegemäß im Zeitraum 2002-2004 in Teilbeträgen zu."

Festzuhalten ist hiernach, dass der sicheren Baukostensteigerung nur die vonseiten des Stiftungsvorstands „versicherte" Einwerbung von Sponsoringgeldern gegenüberstand. Einzuräumen ist allerdings, dass Zusicherungen tatsächlich gegeben wurden. So schrieb Herr Specker an die LBB: „[...] die Stiftung wird Sponsorengelder in entsprechender Höhe zur Rückführung der Kreditmittel einwerben.

Im Umkehrschluss folgt aus dieser Bestimmung, dass die Bank einem Abruf dann nicht Folge leisten darf und die Valutierung mithin einzustellen hat, wenn ihr bekannt geworden ist, dass die Gesamtfinanzierung nicht mehr geschlossen ist.

So sah es offenbar auch die LBB. Im Schreiben vom 16. Februar 2001 an die PwC wurde zu der Kostenerhöhung ausgeführt:

Da mit dem Eingang dieser Sponsoringgelder erst nach Fertigstellung und mit Betrieb bzw. kultureller Nutzung des Neuen Tempodroms gerechnet werden kann, überprüft die Landesbank derzeit die Bereitstellung eines separaten Kredits über 3,5 Mio. DM zur Vorfinanzierung der Sponsoringgelder, im Sinne der Darstellung einer lückenlosen Gesamtfinanzierung des Vorhabens. [...] „Nach Fertigstellung des Dachs/Begehung des Richtfests werden wir als Freundeskreis gemeinsam mit dem Vorstand Stiftung Neues Tempodrom die Einwerbung von Sponsoren betreiben. Aufgrund der bisher geführten Gespräche und auch ersten Abschlüsse gehen wir mit Sicherheit davon aus, dass bis Ende d. J. Sponsorenverträge in Höhe von mindestens 5 Mio. DM eingeworben werden. Wir rechnen hierbei mit Fälligkeiten, d.h. von den Sponsoren zu leistende Zahlungen, auf eine Verteilung von drei Jahren, d.h. 2002 bis 2004."

Und der Vorstand der Stiftung Neues Tempodrom, Frau Moessinger und Herr Waehl, versprach: 1502

LBB 18, Bl. 5.

1503

Schreiben LBB, Steinmüller und Schmidt an PwC, 16.2.2001, LBB 18, Bl. 41.

1504

Schreiben Freundeskreis Neues Tempodrom, Specker, an LBB, 14.2.2001, LBB 7.

Anlage VI zum abweichenden Bericht Berichtsentwurf des Ausschussbüros

F. „Erste Rettungsaktion" [Bezogen auf die Intensivierung der Vertragsverhandlungen mit „bereits kontaktierten Sponsoren":] Hier werden Sponsorverträge im Bereich 3-3,5 Mio. DM für den Zeitraum 2002 2004 abgeschlossen. [...] „Bis dahin anzunehmende Kostensteigerungen i.H.v. rund 3 500 TDM waren bei einem Spezialbau der vorliegenden Art mit einem Netto-Planbaukostenvolumen von rund 43 605 TDM vertretbar. Zudem haben Bauherr/Kunde und Herr Specker persönlich die Deckung dieser Kostensteigerung durch Versicherung der Einwerbung von Sponsoringmitteln i.H.v. bis zu 5 000 TDM glaubhaft gemacht."

Dass trotz der Versicherungen und Glaubhaftmachungen einer „sicheren Rückführung" kreditierter Mittel eine Zwischenfinanzierung durch die LBB nicht vorgenommen wurde, erklärte Zeuge Morgenroth dem Ausschuss. Er habe mit dem Zeugen Beier über die Frage einer Zwischenfinanzierung zur Sicherung der Gesamtfinanzierung gesprochen. Am Ende habe man das aber abgelehnt, da nicht abzusehen gewesen sei, dass die Stiftung Neues Tempodrom den Schuldendienst auf den zusätzlichen Kredit aus den Erträgen würde erwirtschaften können.

Dies bestätigte auch Zeuge Beier. Die Finanzierung sei ja bereits auf den Wirtschaftsplan abgestellt gewesen, der keine weiteren Belastungen mit Zins und Tilgung mehr zugelassen habe.

Statt dessen, die Finanzierungslücke war inzwischen auf 8 800 TDM angestiegen, schaltete sich Zeuge Beier selbst in die Sponsorensuche ein, wie er auch der PwC mitteilte:

Die Stiftung wird zur Reduzierung des Kreditrahmens und für den ab Ende 2001 laufenden Betrieb Sponsorengelder in Höhe von 10 Mio. DM einwerben. Die Stiftung versichert, dass davon bis zum Betriebsbeginn am Jahresende 2001 ein Betrag in Höhe von 5 Mio. DM an Sponsoringmitteln eingeworben wird. [...]

Die Stiftung verhandelt zurzeit mit Partnern, die im Haus wirtschaftlich tätig werden, über ein zusätzliches Sponsoring. [...] Ein Gesamtvolumen an Sponsorverträgen mit Leistungen in Höhe von 1,5-2,0 Mio. DM für die ersten 3 Betriebsjahre wird hier zurzeit verhandelt. [...]

Wir können somit versichern, dass die zur Finanzierung der dargestellten Mehrkosten nötigen Kreditmittel zurückgeführt werden."

LBB-intern wurde die Situation im Nachhinein wie folgt beschrieben: Zumindest die Zeugen Beier und Morgenroth trauten den vollmundigen Sponsoringversprechen der Stiftung Neues Tempodrom nicht (mehr). Da diese aus dem Wirtschaftsplan ja bewusst herausgelassen worden waren, hätten sie, wenn man ihnen denn geglaubt hätte, für weitere Kreditrückführungen durchaus in Betracht kommen können.

Zeuge Beier: [...] ob es Träume waren oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Ich kann nur beurteilen, dass ich nichts auf den Tisch bekommen habe, was Hand und Fuß hätte, was ausgesehen hätte nach dem Motto: Ich kriege von dem Unternehmen XY den und den Betrag an Spenden. ­ Habe ich nichts gekriegt. Ende! Nichts Schriftliches, nichts für mich Verwertbares. [...]1509 „Um die durch die Baukostenerhöhungen entstandene Finanzierungslücke zu schließen, führen aktuell sowohl Herr Roland Specker als auch der Linksunterzeichner [Herr Beier1510

], namens 1505

Schreiben Vorstand Neues Tempodrom an LBB, 13.2.2001, LBB 7.

1506

LBB-interner Brief, Schaub/Schmidt an Kulartz, 30.5.2002, LBB 2.

1507

Zeuge Morgenroth, Wortprotokoll, 15. Sitzung, 11.2.2005, S. 10.

1508

Zeuge Beier, Wortprotokoll, 11. Sitzung, 12.11.2004, S. 32.

1509

Zeuge Beier, Wortprotokoll, 11. Sitzung, 12.11.2004, S. 34.

1510

Hinweis d. Verf.

Berichtsentwurf des Ausschussbüros Anlage VI zum abweichenden Bericht

I. Vorfeld der 1. Rettungsaktion der Landesbank Berlin, Gespräche mit Vorständen von namhaften Berliner Großunternehmen über die Möglichkeit der Bereitstellung von Sponsoringgeldern für das Objekt „Neues Tempodrom". Darüber hinaus findet am 4. September 2001 ein seitens der Kreditnehmerin initiiertes Gespräch mit hochkarätigen Teilnehmern aus Politik und Wirtschaft mit dem Ziel statt, eine weitere materielle Förderung des Neuen Tempodroms zu erreichen."

Dem durch sein Schreiben erweckten Eindruck, nunmehr 8 800 TDM durch Sponsoreneinwerbung erwirtschaften zu wollen, widersprach Zeuge Beier vor dem Untersuchungsausschuss: Dennoch, erklärte Zeuge Beier dem Untersuchungsausschuss, sei er auf Frau Moessinger und Herrn Specker zugegangen, da er gerne „Hilfestellung in Bezug auf Sponsorengelder" habe geben wollen.

Zeuge Beier: Die 3,5 hätte man noch in den Griff kriegen können durch Kosteneinsparungen etc. ohne Mehrfinanzierung. Aber die später uns bekannt gewordenen Mehrkosten, die entstehen würden, wenn man alles so durchführt, wie es ausgeschrieben war, von 8,7 Millionen ­ da kann mir keiner sagen, dass ich die durch Sponsorengelder immer so reinkriege.

Hinzu kommt, dass zumindest im Kreditbereich bereits am 9. März 2001 bekannt war, dass der Vertrag mit der IMG bis zur Fertigstellung des Objekts „auf Eis gelegt" worden war und dass bisher noch keine Sponsoringgelder eingeworben wurden. Dass die Vermarktung des noch nicht fertig gestellten Baus zumindest problematisch war, war mithin grundsätzlich bekannt. „Dann sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass ich meine Kontakte zu meinen Kunden nutzen wollte, um einen Kontakt herzustellen zwischen meinen Kunden und dem Tempodrom, ob man sich irgendwie auf eine Spende verständigen könne. Ich habe die Spenden nicht eingeworben, sondern ich habe den Kontakt hergestellt."

Auf verwunderte Nachfragen aus dem Ausschuss führte Zeuge Beier näher aus, es sei zwar kein gewöhnliches Verhalten eines Kundenbetreuers, auf Sponsorensuche zu gehen, er habe es aber, da der Bürgschaftsgeber explizit vorgesehen habe, dass Sponsoringmittel eingesetzt werden sollten, in diesem Fall als „vornehme Pflicht" betrachtet, „hier mal ein Gespräch zu führen, nach dem Motto, der eine will vielleicht sponsern und der andere braucht Sponsoringgelder." Da er öffentliche Unternehmen als Kunden betreue, von denen er wisse, dass sie grundsätzlich sponsern, sei er auf die Idee gekommen, diese auf ein Tempodrom-Sponsoring anzusprechen. Sein Ziel sei es nicht gewesen, andere in ein Not leidendes Engagement hineinzuziehen, zumal es ja „in der Form noch nicht Not leidend" gewesen sei. ­ Angesichts der Finanzierungslücke von 8 800 TDM ist diese Aussage des Zeugen Beier nicht unproblematisch. ­ Eingeworben habe Zeuge Beier Sponsoringgelder jedenfalls nicht und Geschäftsgeheimnisse sehe er dadurch auch nicht verletzt, wenn er es auch unüblich fände, das nachher in den Medien zu lesen.

Festzuhalten ist nach alledem, dass der LBB seit Februar 2001 bewusst gewesen sein musste, dass die Gesamtfinanzierung infolge der Kostensteigerungen nicht mehr geschlossen war.

Dass dennoch die Lücke in der Gesamtfinanzierung weiter bis auf 12 600 TDM anwuchs, bevor die LBB ihrer Verpflichtung aus der LaBürgR nachkam und die Valutierung am 22. August 2001 stoppte, wird im Rahmen der Ausfallprüfung der Landesbürgschaft zu berücksichtigen sein.

Ob diese Verzögerung des Valutierungsstopps indes zu einem größeren „Valutierungsschaden" geführt hat, ist zweifelhaft.