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Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2006

B. Inneres Mangelhafte Grundlagen für die Personalverwendung und unzureichende Nutzung vorhandenen Vollzugspotenzials bei der Berliner Polizei Stellenausstattung und Personalverwendung stimmen bei der Polizei häufig nicht überein, weil Stellen abweichend besetzt, Vollzugskräfte für Verwaltungsaufgaben eingesetzt und Dienstkräfte anderweitig dienstlich verwendet werden. Infolge unzureichender IT-Unterstützung steht der Polizei keine - den strukturellen Veränderungen angemessene - abgesicherte Datenbasis für ihren Personaleinsatz zur Verfügung. Dies hat eine nicht sachgerechte Ausweitung der Verwaltung zulasten des bürgerorientierten Vollzugs begünstigt. Das Projekt „Neuordnung der Führungsstrukturen" hat zu Höherbewertungen geführt. Der Dienstsport bindet unangemessen Personalressourcen.

Der Rechnungshof hatte bei einer Organisationsprüfung bei der Berliner Polizei im Jahr 1992 fehlende Grundlagen für eine Personalbedarfsbemessung festgestellt und u. a. die Größe der Stäbe beanstandet (Jahresbericht 1993 T 118 bis 132). Im Jahr 2002 hatte er im Vergleich zu Hamburg einen erheblichen stellenmäßigen Ausstattungsvorsprung festgestellt (Jahresbericht 2003 T 123 bis 131). Er hatte dabei darauf hingewiesen, dass die Reformprozesse bei der Polizei stets mit einer wirksamen Aufgabenkritik verbunden werden müssen.

Mit einer erneuten Organisationsprüfung hat der Rechnungshof Auffälligkeiten bei der Stellenausstattung und Steuerung des Personaleinsatzes untersucht. Er hat seinen Auswertungen die zum Februar 2004 im Finanzservice der Zentralen Serviceeinheit (Bereich Personalmittelhaushalt) vorhandenen Stellen- und Personalbestände zugrunde gelegt, weil diese wegen des noch nicht beschlossenen Haushaltsplans 2004/2005 und auch nach seiner Feststellung und der Veröffentlichung im Juni 2004 die größere Aktualität und Übereinstimmung mit den tatsächlichen Verhältnissen gewährleisteten.

Dabei wurde festgestellt, dass die Stellenausstattung der einzelnen Organisationseinheiten gemäß Stellenplan die tatsächliche Situation nicht zutreffend wiedergibt, weil seit Jahren

· Stellen nicht- und unterbesetzt sind,

· zahlreiche Dienstkräfte nicht das ihnen mit ihrer Stelle zugewiesene Aufgabengebiet wahrnehmen, sondern auf dem Wege der „anderweitigen dienstlichen Verwendung" an einem anderen Ort teilweise auch mit anderen Aufgaben eingesetzt, Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2006

· Stellen abweichend mit Dienstkräften anderer Beschäftigten- oder Laufbahngruppen besetzt und

· Vollzugskräfte für vollzugsdienstfremde Aufgaben - auch auf Vollzugsstellen - eingesetzt werden.

Der Polizeipräsident hat zwar darauf hingewiesen, dass die Zentrale Serviceeinheit jederzeit in der Lage sei, kurzfristig aktuelle Stellen- und Personaldaten aufzuliefern. Die erforderliche Übersicht über die tatsächliche Personalverwendung konnte aber nicht mit abgesicherten Daten zur Verfügung gestellt werden. Auch der Stab des Polizeipräsidenten musste diese von den einzelnen Dienststellen abfragen. Dabei entstand hoher Arbeitsaufwand, weil die Vielzahl von nebeneinander geführten Datensystemen einen automatisierten Zugriff zum Zwecke der Aktualisierung zentraler Datenbestände nicht zuließ. Wegen der Größe der Behörde und angesichts fortdauernder struktureller Veränderungen sind leistungsfähige IT-gestützte Verfahren unverzichtbar. Auch durch die Einführung des IT-Verfahrens IPV konnte eine abgesicherte Datenbasis bisher nicht entwickelt werden. Weil das Modul Organisationsmanagement notwendige polizeispezifische Funktionalitäten nicht bereitstellt und auch nur schwer angepasst werden kann, hält die Polizei zumindest vorläufig einen Parallelbetrieb der zusätzlichen zentral und dezentral geführten Programme für unentbehrlich. Mit der Entwicklung von Multifunktionalen Arbeitsplätzen und deren Ausstattung mit vorgegebener Hard- und Software für Vollzugs- und Verwaltungszwecke ist für ein vom Rechnungshof gefordertes Konzept zur Beseitigung der genannten Mängel bereits eine wichtige Grundlage vorhanden. Nach seiner Auffassung muss nun gewährleistet werden, dass die vorhandenen zentralen und dezentralen Datenbestände vernetzt und aggregierbar auf einheitlicher Verfahrensgrundlage zur Verfügung gestellt werden können. Der Rechnungshof erwartet, dass die auch künftig benötigten IPV-ergänzenden Lösungen integraler Bestandteil eines IT-Konzepts für die Verwaltung werden.

Die „anderweitige dienstliche Verwendung" (T 112) von Dienstkräften kann als befristete Maßnahme in Einzelfällen wegen der erforderlichen Flexibilität bei der Wahrnehmung von Vollzugsaufgaben ein wichtiges Instrument sein, etwa bei besonderen Kriminalitätslagen oder zum Ausgleich erhöhter Krankenstände in sicherheitsrelevanten Bereichen. Bei der Polizei wurden aber Vollzugskräfte über längere Zeit anderweitig, z. B. für Aufgaben des Qualitätsmanagements oder die Verwaltung von Einsatzmitteln (Kraftfahrzeuge, Waffen und Geräte), verwendet, die Stellen aber weiterhin in den Ursprungsbereichen geführt. Einer speziell gegründeten Arbeitsgruppe der Polizei ist es nach deren Auskunft nicht gelungen, den Gesamtumfang der anderweitigen dienstlichen Verwendung exakt zu ermitteln und Grundlagen für eine Bereinigung zu schaffen.

Umstrukturierungen werden auf der Basis der Stellenausstattungen geplant und durch Stellenverlagerungen umgesetzt. Wegen der getrennten Verwaltung von Stellen und Personal erhöhen sich dadurch zunächst die AbweiRechnungshof von Berlin Jahresbericht 2006

chungen zwischen Stellenausstattung und Personalstruktur der Organisationseinheiten. Deren tatsächliche personelle Ausstattung entsprach noch neun Monate nach Abschluss des Projekts „Neuordnung der Führungsstrukturen" zu 20 v. H. nicht der Stellenausstattung der einzelnen Ämter und Direktionen (jetzt LuV/SE). Das hatte zur Folge, dass die Stellenausstattung für die einzelnen Organisationseinheiten nicht nach Bedarfskriterien angepasst werden konnte. Der Polizeipräsident hat die Prüfungsergebnisse bestätigt und auf eigene Bemühungen zur Rückführung der anderweitigen dienstlichen Verwendungen hingewiesen. Er hat mitgeteilt, dass deren Zahl im Januar 2006 bei 1 813 läge (ohne Hauptstadtkapitel) und damit um 910,5 gesunken sei, und versichert, dass diese Zahl weiter reduziert werden soll.

Angesichts der festgestellten großen Abweichung zwischen Stellen- und Personalstruktur hat der Rechnungshof beanstandet, dass in Berichten an das Abgeordnetenhaus über die strukturelle Ausstattung, Spar- und Reformmaßnahmen bei der Polizei Stellendaten genannt wurden, die die tatsächliche Situation nicht zutreffend wiedergaben und demzufolge mit Unsicherheiten behaftet waren. Überdies entziehen sich an anderweitig dienstlich Verwendete übertragene Aufgaben, für die es keine oder weniger Stellen gibt, der aufgabenkritischen Überprüfung. Damit ist die zentrale Steuerung eines effizienten Einsatzes der Vollzugskräfte nur schwer zu gewährleisten. Der Polizeipräsident hat in seiner Stellungnahme ausgeführt, dass im Ergebnis verschiedener Projekte, z. B. der „Neuordnung der Führungsstrukturen" und der belastungsorientierten Personalverteilung, Stellenpläne sukzessive angepasst werden. Gleichwohl hat der Rechnungshof den Polizeipräsidenten aufgefordert, sich dem Problem der anderweitigen dienstlichen Verwendung weiterhin zu widmen, damit das Abgeordnetenhaus, das mit dem Stellenplan auch über die Ausstattung einzelner Bereiche beschließt, seine Entscheidung auf einer gesicherten Basis treffen kann.

Weitere strukturelle Verschiebungen bei der Polizei ergeben sich daraus, dass allein 4,5 v. H. aller Stellen für Beamte der Schutzpolizei (644 von 14 317 Stellen) nicht für Aufgaben der Schutzpolizei genutzt wurden; fast ein Drittel dieser Stellen wurde für Dienstkräfte der unmittelbaren Verwaltung verwendet. Von den im Stellenplan für die Schutzpolizei zur Verfügung stehenden Stellen wurden 1 900 überwiegend für den Innendienst eingesetzt, das sind 13 v. H. Durch die anderweitige dienstliche Verwendung von Schutzpolizisten, deren Stellen dem bürgerorientierten Einsatzdienst zugeordnet sind, war der Innendienstanteil um weitere 4,2 v. H. erhöht. Die bestehende Stellenrelation insbesondere zwischen Vollzug und Verwaltung verändert sich bei einer genaueren Betrachtung des Personaleinsatzes zulasten des Vollzugs. In seiner Stellungnahme hat der Polizeipräsident mitgeteilt, dass im September 2005 noch 13 586 Stellen für die Schutzpolizei zur Verfügung standen, von denen 13 124 mit Schutzpolizisten besetzt waren. Auch die Besetzung von Stellen der Schutzpolizei mit Verwaltungskräften sei zurückgeführt worden.