Versicherung

Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2006

127 Aufgabe der Rechtsantragstellen bei den Amtsgerichten ist es, rechtsuchenden Antragstellern bei der Protokollierung von Erklärungen und Anträgen gegenüber den Gerichten sowie bei der schriftlichen Formulierung von Klagen und Klageerwiderungen in angemessenem Umfang behilflich zu sein. Es können Anträge auf Bewilligung von Beratungshilfe gestellt sowie Erklärungen zum Austritt aus einer Religionsgemeinschaft zu Protokoll gegeben werden. Antragsteller müssen häufig ein zweites Mal vorsprechen, um die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Der Rechnungshof hat dem Amtsgericht Charlottenburg bereits während seiner Prüfung vorgeschlagen, den Antragstellern durch bereitliegendes Informationsmaterial doppelte Wartezeiten zu ersparen. Antragsteller in Beratungshilfesachen sollten künftig in einer Datenbank erfasst werden. Im Rahmen des Projekts Justizreform wird überlegt, den Rechtsantragstellen künftig jeweils eine Informationsstelle vorzuschalten, die Antragsformulare und Checklisten für die gängigsten Gerichtsverfahren bereithält. Die Senatsverwaltung hat mitgeteilt, dass sie bemüht sei, im Rahmen der Justizreform Anregungen zum Komplex „Informations- und Rechtsantragstelle" umzusetzen, dies sei allerdings bisher an den völlig unzureichenden räumlichen Gegebenheiten gescheitert. Antragsteller in Beratungshilfesachen würden mittlerweile IT-gestützt registriert.

Die Hauptwachtmeisterei nimmt die Aufgaben einer Poststelle wahr.

Hinzu kommen weitere Aufgabenbereiche wie Begleiten und Vorführen von Gefangenen, der Einsatz bei Störungen durch Besucher und beim Durchsetzen ausgesprochener Hausverbote, Kopierarbeiten sowie die sog. Banktour. Bei den Bareinzahlungen im Amtsgericht Charlottenburg handelt es sich hauptsächlich um Gelder aus Nachlasssicherungen, Geldstrafen und um im Voraus fälligen Gebühren für das Ausfertigen von Handelsregisterauszügen, die in der Zahlstelle entgegengenommen werden. Für den Transport dieser Bargeldbestände zur Bank gelten die Richtlinien für die Sicherung von Kassen, Zahlstellen und Geldtransporten (Kassensicherheitsbestimmungen). Demnach sind zumindest Beträge über 25 000 mit einem Kraftfahrzeug zu befördern, das besondere Sicherungsmaßnahmen aufweist. Seitdem die Justizfahrbereitschaft aufgelöst wurde, wurden die Bargeldbestände mehrmals in der Woche von mindestens zwei Dienstkräften aus der Hauptwachtmeisterei bei der Bank eingezahlt. Für die Fahrt dorthin wurde ein Taxi genutzt, da das Amtsgericht Charlottenburg über kein eigenes Fahrzeug verfügt. Das Angebot der Senatsverwaltung, den Transport durch einen privaten Dienstleister durchzuführen, wurde nicht genutzt. Das praktizierte Verfahren unterlag einem erhöhten Sicherheitsrisiko und hat Personalkapazitäten der Hauptwachtmeisterei gebunden.

Der Rechnungshof hat die Senatsverwaltung aufgefordert zu prüfen, inwieweit der Bargeldtransport einheitlich, sicher und wirtschaftlich organisiert werden kann. Mit Ausnahme des Zwangsversteigerungsverfahrens besteht für die Zahlungspflichtigen die Möglichkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs über die Konten der Justizkasse. Der Zahlungsverkehr sollte grundsätzlich bargeldlos abgewickelt und beispielsweise durch Kassenautomaten ergänzt werden, soweit dies wirtschaftlich vertretbar ist.

Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2006

Die Senatsverwaltung sieht die Barzahlungsmöglichkeit in besonderen Fällen für unerlässlich an. Ferner hält sie den Einsatz von Justizwachtmeistern aus Sicherheitsgründen im Hinblick auf die jüngsten Vorfälle im Justizbereich weiterhin für geboten. Maßnahmen zur Ausweitung des unbaren Zahlungsverkehrs werden von der Senatsverwaltung unterstützt. Auf das gemeinsame Projekt Kassenkooperation der Senatsverwaltungen für Finanzen und für Justiz wird verwiesen, Ergebnisse sollen im Herbst 2006 vorliegen. Die Gerichte wickeln die Geldtransporte in eigener Verantwortung ab.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat inzwischen ein privates Geldtransportunternehmen beauftragt, sodass für hauseigene Sicherheitsmaßnahmen Kapazitäten des Justizwachtmeisterdienstes nunmehr verstärkt zur Verfügung stehen. Der Rechnungshof regt an, dass die Senatsverwaltung allgemeinverbindliche Vorgaben für Geldtransporte erarbeitet.

Die fünf Geschäftsstellen des Bereichs Zwangsvollstreckung sind mit insgesamt sechs Dienstkräften besetzt. Personen, die eine „Eidesstattliche Versicherung" abgegeben haben oder gegen die zur Abgabe dieser Versicherung die Haft angeordnet worden ist, sind in ein Schuldnerverzeichnis einzutragen. Dafür sind zwei Dienstkräfte eingesetzt. Künftig soll im Amtsgericht Charlottenburg das Schuldnerverzeichnis in das IT-Programm AuLAK integriert werden, das seit Mai 2005 probeweise auch in der Zwangsvollstreckung eingesetzt wird. Die Serviceeinheit für die IT in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (ITOG) beim Kammergericht schätzt den Rationalisierungseffekt der IT-gestützten Bearbeitung auf bis zu 5 v. H. Die Vorgänge werden nach unterschiedlichen Ordnungsmerkmalen verteilt; eine gleichmäßige Auslastung ist nicht gegeben. Die Aufgaben werden nicht ganzheitlich, sondern zu starr nach Funktionen und uneinheitlich wahrgenommen. Dies führt zu Doppelarbeiten. Das Erfassen von erheblichen Datenmengen in AuLAK, die nicht für die Bearbeitung notwendig sind, bindet erhebliche Kapazitäten.

Der Rechnungshof hat empfohlen, die Vorgänge gleichmäßig und mit einem einheitlichen Verfahren auf die Geschäftsstellenmitarbeiter zu verteilen. Die Datenerfassung in AuLAK sollte durch Arbeitsanweisungen auf ein für die Zwangsvollstreckung nötiges Maß reduziert werden. Spätestens nach der Integration des Moduls Schuldnerverzeichnis in das AuLAKVerfahren wäre die Eingabe in das Schuldnerverzeichnis den Geschäftsstellen zuzuordnen und eine Teamorganisation einzuführen. Dabei sollten einheitliche Abläufe und Standards festgelegt werden. Nach Umsetzen aller Maßnahmen würde das nichtrichterliche Personal entlastet. Deshalb können mindestens je eine Stelle im Geschäftsstellenbereich und für das Schuldnerverzeichnis eingespart werden.

Die Senatsverwaltung hat mitgeteilt, dass nunmehr alle Mitarbeiter, einschließlich der Richter, das inzwischen weiterentwickelte Verfahren AuLAK benutzen. Die Zuständigkeiten, die sich nach den Anfangsbuchstaben des Familiennamens regeln, werden durch das Präsidium des Amtsgerichts Charlottenburg aufgeteilt. Dies soll eine gleichmäßige Aktenverteilung ermöglichen. Nach Feststellungen des Rechnungshofs müssen bei einem solchen Verfahren die Buchstaben jährlich neu den Dienstkräften zugeordRechnungshof von Berlin Jahresbericht 2006 net werden. Dies ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Der Rechnungshof hält eine IT-gestützte Vergabe nach fortlaufenden Nummern für zweckmäßiger und wirtschaftlicher. Erst nach Abschluss der Modifizierung des AuLAK-Verfahrens für den Zwangsvollstreckungsbereich sollen Serviceeinheiten gebildet werden, ohne jedoch das Schuldnerverzeichnis zu integrieren.

Das Amtsgericht hat in einem vergleichenden Probebetrieb festgestellt, dass die Übertragung der Arbeiten des Schuldnerverzeichnisses auf die Geschäftsstellen nicht zu einer Arbeitszeiteinsparung führt. Die Bildung von Serviceeinheiten befinde sich in der Planungsphase und soll mittelfristig abgeschlossen werden. Der Rechnungshof hält an seiner Forderung fest, die Eingabe in das Schuldnerverzeichnis zu dezentralisieren. Bei einer ganzheitlichen Bearbeitung entfallen zusätzliche Transport- und Liegezeiten, verkürzen sich Durchlaufzeiten und die insgesamt zu erwartende Geschäftsprozessoptimierung setzt Einsparkapazitäten frei.

Forderungen von Gläubigern werden überwiegend mit Hilfe von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen beigetrieben. Sie stellen etwa 80 v. H. aller Vorgänge im Bereich der Zwangsvollstreckung dar. Einheitliche Vordrucke bestehen nicht, obwohl der Gesetzgeber in § 829 ZPO das Bundesministerium der Justiz ermächtigt, durch Rechtsverordnung Formulare für den Antrag auf Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen einzuführen. Deren Bearbeitung obliegt vorrangig den Rechtspflegern. Bei rund 50 v. H. der Anträge muss im Amtsgericht Charlottenburg eine Zwischenverfügung gefertigt werden, weil die eingereichten Unterlagen nicht vollständig oder falsch sind oder die im Voraus zu zahlende Gebühr nicht geleistet wurde. Die unterschiedlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss-Vordrucke erschweren die Arbeit der Kanzleikräfte erheblich. Textergänzungen müssen in einem aufwändigen Verfahren mit Hilfe traditioneller Schreibmaschinen eingearbeitet werden. Außerdem führt die fehlende Fachkenntnis der Kanzleikräfte dazu, dass teilweise falsche Daten eingesetzt bzw. ergänzt werden. Auch die Bearbeitung der Haftbefehle zur Abgabe der „Eidesstattlichen Versicherung", die von den Kanzleikräften oder teilweise von den Gerichtsvollziehern für die Richter vorbereitet werden, ist häufig unvollständig und fehlerhaft, sodass Mehrarbeit entsteht.

Der Rechnungshof hat die Senatsverwaltung aufgefordert,

· im Rahmen der Justizreform verstärkt auf den Einsatz bundeseinheitlicher Vordrucke hinzuwirken,

· Arbeitsanweisungen zur Geschäftsprozessoptimierung zu erstellen mit dem Ziel, die Bearbeitungsqualität wesentlich zu verbessern, d. h. · insbesondere die hohe Rücklaufquote der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse und der Haftbefehle auf ein vertretbares Maß zu verringern und damit

· die Bearbeitungs- und die Durchlaufzeiten zu reduzieren.