Wohnen

Bebauungsplan I-50 der grundrechtlichen Garantie aus Art. 2 Abs. 2 GG zukäme. Die Harmonisierungsklausel des § 6 Abs. 8 BauO Bln solle einen gesteigerten Schutz durch planungsrechtliche Festsetzungen ermöglichen, der über das Schutzniveau der als gefahrenrechtlicher Mindeststandard aufzufassenden neuen Abstandsvorschriften hinausgehe. Die durch die erheblichen Abstandsflächenunterschreitungen an der östlichen Baugrenze hervorgerufenen unzumutbaren Verschattungen auf den Grundstücken Friedrichstraße 100 ­ 103 seien mit gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen weder im geplanten Neubau noch in den Bestandsgebäuden vereinbar. Die Begründung verdeutliche dies nicht hinreichend, so dass die Gefahr einer Abwägungsentscheidung auf unzutreffender Tatsachengrundlage entstehe. Das geplante Hochhaus würde Abstandflächen, weit über die Straßenmitte hinaus erforderlich machen.

Abwägung:

Die zitierte Harmonisierungsklausel nimmt ausschließlich Bezug auf den Schutz von Wohnnutzung, der im Einzelfall über den gefahrensrechtlichen Mindeststandard hinausgehen kann. Eine Wohnnutzung ist jedoch in der in Rede stehenden Bebauung nicht vorgesehen, so dass ein erhöhtes Schutzniveau nicht herzuleiten ist.

Der im Kerngebiet in der Regel einzuhaltende Gebäudeabstand beträgt 40 % der jeweiligen Gebäudehöhe. Gemäß § 6 Abs. 8 BauOBln hat es mit den ausdrücklichen Festsetzungen im Bebauungsplan sein Bewenden. Gleichwohl wurden die Belange der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse in die Abwägung eingestellt.

Durch Bebauungsplanfestsetzung kann dieser Abstand unterschritten werden. Der Bebauungsplan setzt für die bauliche Anlage an der Friedrichstraße zehn zulässige Vollgeschosse fest. Damit wird das geplante Gebäude an der Friedrichstraße eine Höhe von rund 39 m über dem Gehweg aufweisen. Die Distanz von der Straßenbegrenzungslinie zur Mitte der Friedrichstraße beträgt in dem Bereich ca. 11,5 m. Da das geplante Gebäude mit seinen wesentlichen Teilen nicht an die Straßenbegrenzungslinie herantritt, liegt die tatsächliche Unterschreitung der Regelabstandsfläche ­ die Straßenmitte überschreitendes Maß ­ überwiegend bei ca. 2,5 m. Auf zwei Abschnitten von 8,3 m bis 9,0 m Länge ist das Vortreten von baulichen Anlagen um bis zu 0,7 m zulässig. In diesen Abschnitten kann sich eine Unterschreitung der Abstandsfläche um bis zu ca. 4,7 m ergeben.

In einem hochverdichteten Großstadtzentrum ist eine derartige Abstandsflächenunterschreitung als nicht erheblich einzustufen. Im Hinblick auf die überwiegend betroffenen Arbeitsplätze in einem Hotel, bei denen Tagesbeleuchtung eine untergeordnete Rolle spielt, ist die aus dem reduzierten Gebäudeabstand resultierende Verschattung zumutbar.

Ungesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse aufgrund geringer Gebäudeabstände werden durch die beabsichtigten Festsetzungen im Bebauungsplan I-50 nicht geschaffen.

Stellungnahme:

Die zulässigen Obergrenzen des Maßes der baulichen Nutzung würden erheblich überschritten, ohne dass die hierfür erforderliche Rechtfertigung bestünde.

Gem. § 17 Abs. 1 BauNVO dürfe in Kerngebieten eine GFZ von 3,0 grundsätzlich nicht überschritten werden. Dieser Wert werde nach der vorgelegten Planung aber bei Weitem überschritten, da der in der Begründung angegebene Wert einer GFZ von 3,4 nicht realistisch und auf den ­ rechtswidrigen ­ „Kunstgriff" zurückzuführen sei, da der Entwurf den gesamten Bereich als Bauland des MK-Gebiets ausweise und daher die Berechnungen verfälsche.

Bebauungsplan I-50

Darüber hinaus sei offensichtlich nicht berücksichtigt worden, dass auch die unterirdische Grundfläche gem. § 19 Abs. 4 Nr. 3 BauNVO bei der Ermittlung der Grundfläche einzubeziehen und dementsprechend bei der GFZ-Ermittlung zu berücksichtigen sei.

Der tatsächlich zu berücksichtigende GFZ-Wert sei erheblich höher, so dass von einer Abwägungsfehlentscheidung auszugehen sei. Den Bedürfnissen des Verkehrs könne bei der angestrebten intensiven Nutzung nicht entsprochen werden und zudem stünden die sonstigen öffentlichen Belange des Denkmalschutzes, des Ortsbildschutzes und der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse einer Überschreitung der gesetzlichen Obergrenze entgegen. Insbesondere könnten die Auswirkungen nicht durch ­ bereits vorhandene (!) ­ Begrünungen ausgeglichen werden.

Die Obergrenzen des § 17 BauNVO dienten in erster Linie städtebaulichen und weniger naturschutzrechtlichen Schutzzielen. Insoweit sei für die Überschreitungen, die in der Begründung nicht zutreffend quantifiziert werden, keine tragfähige Rechtfertigung ersichtlich.

Abwägung:

Gemäß § 17 Abs. 2 BauNVO können die zulässigen Obergrenzen des Absatzes 1 überschritten werden, wenn besondere städtebauliche Gründe dies erfordern, die Überschreitung durch Umstände ausgeglichen sind oder durch Maßnahmen ausgeglichen werden, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt, nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden und die Bedürfnisse des Verkehrs befriedigt werden, und sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen.

Es ist nicht zutreffend - wie in der Stellungnahme vorgebracht -, dass die Obergrenzen der BauNVO grundsätzlich nicht überschritten werden dürfen.

Vielmehr eröffnet der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2 BauNVO Überschreitungsmöglichkeiten unter bestimmten Vorraussetzungen. Diese Voraussetzungen wurden in der Begründung dargelegt. Die Begründung bewertet in diesem Zusammenhang nicht den naturschutzrechtlichen Ausgleich, sondern die Abwägung des § 17 Abs. 2 Nr.2 BauNVO.

Darüber hinaus ist in § 19 Abs. 3 BauNVO definiert, was als Baugrundstück der Nutzungsmaßberechnung zugrunde zu legen ist. Demnach ist „die Fläche des Baugrundstücks maßgebend, die im Bauland und hinter der im Bebauungsplanfestgesetzten Straßenbegrenzungslinie liegt." Dieser Vorschrift ist der Bebauungsplan gefolgt.

Tatsächlich stehen alle in die Berechnung einbezogenen Flächen im Eigentum des Vorhabenträgers. Aus diesem Grunde können die im Plan als nicht überbaubaren, festgesetzten Grundstücksteile die ihnen zugedachte Funktion erfüllen, für eine hinreichende Belüftung und Auflockerung des Baugebietes zu sorgen. Die Art und Weise der GFZ-Berechnung ist daher auch inhaltlich nicht verschleiernd und den Zwecken von § 17 BauNVO zuwiderlaufend.

Die in der Stellungnahme in diesem Zusammenhang zitierte Vorschrift des § 19 Abs. 4 Nr.3 BauNVO bezieht sich ausschließlich auf die Ermittlung der GRZ und nicht der GFZ. Bebauungsplan I-50

Stellungnahme:

Hinsichtlich der geplanten Vordächer der baulichen Anlagen liege eine fehlerhafte Plandarstellung vor, da sowohl nördlich des Tränenpalasts (Punkte E 1-4) als auch zwischen den Baukörpern des Hochhauses (Punkte D 1-4) Vordächer zugelassen werden sollen, die mit dem Gebäude fest verbunden und damit als deren wesentlicher Bestandteil anzusehen seien. Entsprechende Anlagen, die nicht als Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO bewertet werden könnten, seien jedoch nur innerhalb der festgesetzten Baugrenzen/-linien zulässig und in die Ermittlung der überbaubaren Grundfläche einzubeziehen.

Abwägung:

Die Regelung zu den geplanten Vordächern ist korrekt. Die von den Vordächern überdachte Fläche ist bei der Ermittlung der GFZ nicht mit zu berücksichtigen, wie sich aus § 20 Abs. 4 BauNVO i. V. m. § 6 Abs. 7 BauO Bln ergibt. Eine Überschreitung der festgesetzten Baugrenzen/-linien ist nach §§ 23 Abs. 2 Satz 3; Abs. 3 Satz 3 BauNVO ausdrücklich möglich. Die Flächen sind insgesamt so geringfügig (etwa 130 m²), dass sie sich auf die Nutzungsmaßberechnung nur marginal auswirken würden.

Die textliche Festsetzung Nr. 2 regelt ­vorbehaltlich der Beachtung sonstiger Belange, insbesondere der Planfeststellung ­ die vollständige Unterbaubarkeit des Grundstückes, was einer vollflächigen Versiegelung und errechneten GRZ von 1,0 gleichkommt. Im Kerngebiet ist ohnehin eine Obergrenze von 1,0 für eine GFZ möglich.

Rücksichtnahmegebot Stellungnahme:

Die Anordnung der Baukörper im Plangebiet und die über die ortsüblichen Traufhöhen hinausragenden Höhen unmittelbar an der Straßenfluchtlinie und ab dem 1. Obergeschoss sogar darüber hinaus, ließe die aus § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO gebotene Rücksichtnahme, die vom Bauherrn des gegenüberliegenden Hotels gefordert und vom Land Berlin zur Voraussetzung der Baugenehmigung gemacht worden war, auf die Bestandsbebauung an der östlichen Straßenseite der Friedrichstraße im vollen Umfang vermissen. Gemäß § 15 BauNVO seien bauliche Anlagen unzulässig, wenn sie nach Lage oder Umfang der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Da beide Gebäudeteile des geplanten Hochhauses eine Nord-SüdAusrichtung hätten, die eine maximale Beeinträchtigung der vorhandenen Bebauung zur Folge habe, wäre bei einer Umverteilung der Baumassen und Drehung der Baukörper um 90° eine Bebauung möglich, die geringere Eingriffe in die Besonnungs- und Belichtungssituation der Bebauung an der Friedrichstraße verursachen würde.

Abwägung:

Gemäß § 15 Abs. 1 BauNVO sind Anlagen, die in einem Baugebiet nach den für diese Baugebiet normierten Baugebietskatalog zulässig wären im Einzelfall nach diesen Vorschriften nicht genehmigungsfähig, wenn sie der Eigenart des Baugebietes widersprechen oder zu unzumutbaren Störungen führen würden oder unzumutbaren Störungen ausgesetzt wären. Ziel ist es Vorhaben zu verhindern, die in der rechtlichen und tatsächlichen Struktur des Baugebietes zu größeren Spannungen führen würden. Das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot ist nur im Rahmen dieser Vorschriften zu prüfen.