Perinatal und Neonatalversorgung Etwa 90 Prozent aller Entbindungen verlaufen komplikationslos

Fortschreibung 2006 des Berliner Krankenhausplans die Unsicherheiten, die in den Prognosen liegen, ist bereits unter dem Gliederungs punkt „5.4.2. Bedarfsprognose 2008 für die somatischen Fachgebiete" hingewiesen worden.

Vor dem Hintergrund dieser Unwägbarkeiten wurde sowohl in den Planungsbegleiten den Fachausschüssen als auch im Krankenhausbeirat Einvernehmen darüber erzielt, wie der Mehrbedarf zunächst gedeckt werden soll:

1. Ausnutzung der Flexibilisierungsmöglichkeit: Krankenhäuser mit einer Abteilung für Klinische Geriatrie können innerhalb gleich bleibender Gesamtbettenzahlen des Krankenhauses eigenverantwortlich die Kapa zität der Abteilung für Klinische Geriatrie um ± 10 Prozent durch Umwidmung von Betten aus anderen Disziplinen verändern. Durch diese neue Möglichkeit können kurzfristig ca. 60 geriatrische Betten mehr in Betrieb genommen werden (verglei che. Abschnitt 3.3.).

2. Fertigstellung geplanter Baumaßnahmen (56 Betten/Plätze):

· 30 Betten und 10 teilstationäre Plätze im Sana Klinikum Lichtenberg (Fertigstellung ca. 2008),

· 16 Plätze im Ida-Wolff-Geriatriezentrum in Neukölln (Inbetriebnahme voraus sichtlich Ende 2006).

Darüber hinaus wurde von mehreren Krankenhäusern zusätzlich die Erweiterung be stehender Abteilungen oder die Einrichtung neuer geriatrischer Abteilungen im Umfang von rund 220 Betten beantragt. Diese Anträge wurden zunächst zurückgestellt. Im Er gebnis der Diskussionen im Planungsbegleitenden Fachausschuss sowie im Kranken hausbeirat wurde entschieden, dass zunächst die tatsächliche Entwicklung im Fachge biet Klinische Geriatrie weiter beobachtet und im Bedarfsfall weitere Kapazitätserhöhungen auf der Grundlage von Einzelfortschreibungen geplant werden sollten. Für die künftige Erweiterung klinisch-geriatrischer Kapazitäten gelten folgende Kriterien:

· Kapazitätserhöhungen an geriatrischen Solitärkrankenhäusern werden abgelehnt, da diese zwangsläufig eine Erweiterung der Gesamtkapazität des Krankenhauses und damit des Budgets zur Folge hätten,

· Kriterien der wohnortnahen Versorgung werden berücksichtigt,

· neue Solitärstandorte für Klinische Geriatrie sollen nicht entstehen,

· für die Kapazitätserhöhung sind Standorte zu bevorzugen, an denen aufgrund der Umwidmung bestehender Kapazitäten keine Investitionen erforderlich sind.

Perinatal- und Neonatalversorgung

Etwa 90 Prozent aller Entbindungen verlaufen komplikationslos. Im Durchschnitt jedes zehnte Neugeborene ist jedoch unmittelbar nach der Geburt behandlungsbedürftig.

Etwa 7 Prozent aller Neugeborenen kommen frühgeboren, das heißt vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt. Etwa 1 bis 2 Prozent der Neugeboren sind extrem zu früh Geborene mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500 Gramm oder ha ben lebensbedrohliche Erkrankungen. Eine kinderchirurgische Intervention ist bei ca. 2,5 Prozent aller Neugeborenen erforderlich. Ca. 1 Prozent der Neugeborenen benötigt eine kardiochirurgische Intervention.

Anfang der 80er Jahre hatte nur jedes fünfte Kind eine Überlebenschance, das vor Beendigung der 32. Schwangerschaftswoche und mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500 Gramm extrem frühgeboren zur Welt kam. Seitdem hat die medizinische For schung gerade in diesem Bereich viel erreicht, so dass heute immerhin vier von fünf dieser so genannten „Frühchen" überleben. Medizinische Fortschritte in der vorgeburt lichen Diagnostik und Therapie, verbesserte Geburts- und pädiatrische Intensivmedizin sowie Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der speziellen Neugeborenenmedizin (Ne

Fortschreibung 2006 des Berliner Krankenhausplans onatologie) haben zu dieser erfreulichen Entwicklung beigetragen. Dank besserer Vor sorge werden Frauen mit erhöhten Risiken in der Schwangerschaft heute früher und besser erkannt. Sie können ihr Kind in so genannten Perinatalzentren zur Welt bringen, die baulich und personell speziell auf die Versorgung von Hochrisikoschwangeren und von lebensbedrohlich erkrankten sowie extrem zu früh geborenen Kindern vorbereitet sind. Lebensgefährliche Transporte von Neugeborenen sind möglichst zu vermeiden.

In Berlin wurde erstmals mit dem Krankenhausplan 1986 die Profilierung eines Zent rums eingeleitet, das sich mit Risikoschwangerschaften, Risikoentbindungen und der Versorgung gefährdeter Neugeborener befassen sollte. Anfang der 90er Jahre setzte sich bundesweit die Tendenz durch, dass die Entbindung von Hochrisikoschwangeren und Versorgung lebensbedrohlich erkrankter und/oder extrem untergewichtiger Neu geborener in darauf spezialisierten Perinatalzentren konzentriert erfolgen sollte. Bau lich erwies sich besonders die Wand-an-Wand-Lösung von Entbindungsbereich und Neonatologie als wesentlich für die Behandlungsergebnisse.

Heute steht die Notwendigkeit der Konzentration der Versorgung dieser wenigen Hoch risikofälle in Perinatalzentren außer Frage, denn die Entbindung bestimmter RisikoSchwangeren erfordert im Hinblick auf Mutter oder Kind spezialisierte Kenntnisse, Fä higkeiten und Ausrüstungen. Nicht in jeder Geburtsklinik können diese aus Häufig keits-, Erfahrungs- und Kostengründen vorhanden sein.

Neben der Hochleistungsversorgung gilt es jedoch auch, eine leistungsfähige Neuge borenenmedizín auf mittlerer Versorgungsstufe zu sichern, denn rund acht Prozent aller Neugeborenen kommen zu früh (32. bis 36. Schwangerschaftswoche) bzw. mit einer, wenn auch nicht lebensbedrohlichen, so doch unmittelbar behandlungsbedürfti gen Erkrankung zur Welt.

Mit dem Krankenhausplan 1993 wurde erstmals für Berlin ein regionalisiertes und ge stuftes perinatologisches und neonatologisches Versorgungskonzept festgeschrieben und im Laufe der Jahre auf Basis wissenschaftlicher Empfehlungen weiterentwickelt.

Das Konzept umfasst drei Versorgungsstufen: Perinatalzentren zur Versorgung der Hochrisikofälle, Krankenhäuser mit Neonatologie und Geburtshilfe (künftig als „Perina tale Schwerpunkte" bezeichnet) zur Versorgung nicht-lebensbedrohlich erkrankter Neugeborener und Geburtskliniken zur Entbindung gesunder Schwangerer ohne vor hersehbare Komplikationen für Mutter und Kind.

Mit erheblichem investivem Aufwand hat Berlin dafür gesorgt, dass wohnortnah in jeder Versorgungsregion mindestens ein Krankenhaus die Wand-an-Wand-Lösung zur Si cherstellung der neonatologischen Grundversorgung anbietet. Inzwischen gibt es in Berlin kein Krankenhaus mit Neonatologie mehr, das diesen baulichen Standard nicht erfüllt. Ebenso wurden die solitären Kinderkrankenhäuser aufgegeben und die Pädiat rien an Krankenhäuser mit Geburtshilfe verlagert.

Im November 1998 verabschiedete die entsprechende EU-Fachgesellschaft (European Society for Paediatric Research) zur Harmonisierung der Facharztausbildung und -an erkennung eine Neonatologie-Weiterbildungsordnung und gab als Kriterium für ein Perinatalzentrum folgende Größenordnung vor: Vor dem Hintergrund der umfassenden Weiterbildungsaufgaben sollte ein Perinatalzentrum

· in der Geburtshilfe jährlich mindestens 35 Geburten mit Geburtsgewicht von unter 1.500 Gramm versorgen und

· in der Neonatologie jährlich mindestens 50 Aufnahmen von Kindern mit einem Ge burtsgewicht von unter 1.500 Gramm haben.

Dieses „european training syllabus in neonatology" wurde im Januar 2006 ersetzt durch das ­ in diesem Punkt allerdings gleich lautende ­ Weiterbildungscurriculum der European Society for Neonatology.

Fortschreibung 2006 des Berliner Krankenhausplans

Die Empfehlung von Mindestfallzahlen für Perinatalzentren wird von den deutschen Fachgesellschaften mitgetragen. Sie fordern in Perinatalzentren auch die volle Weiter bildungsbefugnis für die Abteilungsleitungen der Speziellen Geburtshilfe und Perina talmedizin sowie der Neonatologie. Explizit heißt es in den von sechs deutschen Fach gesellschaften unterzeichneten „Empfehlungen für die strukturellen Voraussetzungen der perinatologischen Versorgung in Deutschland" vom 20.9.2005: „Im Zentrum sollten mindestens 50 Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht

Damit wurde die bereits mit der Fortschreibung 2003 des Krankenhausplans unter Be rufung auf die europäische Weiterbildungsordnung empfohlene Zahl von 50 Kindern mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500 Gramm als Mindestvoraussetzung für ein Perinatalzentrum in der Fachöffentlichkeit bestätigt. Sie behält auch mit der jetzigen Fortschreibung 2006 des Berliner Krankenhausplans Gültigkeit.

Um den zweifelsfrei vorhandenen Vorteil der Konzentration von Hochrisikoschwange ren, Risikogeburten und lebensbedrohlich erkrankter Neugeborener nicht zu gefähr den, wird insgesamt mit der Fortschreibung 2006 des Krankenhausplans das bisherige Konzept der dreistufigen Gliederung in der Versorgung von Früh- und Neugeborenen beibehalten und auf der Basis neuerer wissenschaftlicher Empfehlungen weiterentwi ckelt.. Der in der G-BA-Vereinbarung vorgesehenen Differenzierung von Perinatalzent ren in zwei Level ­ die u.a. den besonderen Versorgungsbedingungen in Flächenstaa ten Rechnung tragen soll ­ wird nicht gefolgt. Eine detaillierte Beschreibung des Berliner Versorgungskonzeptes ist nachfolgenden Tabellen zu entnehmen.

Tab. 6.6. - 1: Strukturelle Vorgaben Perinatalzentrum Perinataler Schwerpunkt Geburtsklinik

· Abteilung für Pädiatrie mit einer Abteilung für „Neonatologie"

· Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshil fe mit einer Abteilung „Spezielle Geburtshil fe und Perinatalmedizin"

· Abteilung für Kinderchirurgie

· Vorhandensein einer/s „Neugeborenennot ärztin / -arztes"

· uneingeschränkte Weiterbildungsbefugnis in „Spezieller Geburtshilfe und Perinatal medizin" sowie „Neonatologie"

· Mindestfallzahl von 50 Kindern mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500 Gramm

· Verfügbarkeit von Kompetenzen aus den Bereichen:

- Kardiologie,

- Neuropädiatrie,

- Ophtalmologie,

- Mikrobiologie,

- Humangenetik.

· 24-Stunden-Notfall-Labor

· EEG, bildgebende Diagnostik

· Teilnahme an gängigen Qualitätssiche rungsverfahren.

· Abteilung für Pädiatrie mit einer Abteilung für „Neo natologie"

· Abteilung Frauenheilkun de und Geburtshilfe mit einer Abteilung „Spezielle Geburtshilfe und Perina talmedizin"

· Teilnahme an gängigen Qualitätssicherungsver fahren.

· Abteilung Frauenheil kunde und Geburtshil fe.