Pflege

Die Berliner Naturschutzverbände erwarten in ihrer Stellungnahme, dass bei Entscheidungen zur Stilllegung von Friedhofsteilen oder ganzer Friedhöfe sowie zu anderen Nutzungen Kriterien des Naturschutzes stärker berücksichtigt werden und eine genauere aktuelle Bestandsaufnahme für jeden Friedhof erfolgt.

Als Ergebnis der Bearbeitung der Stellungnahmen liegt jetzt eine überarbeitete Vorlage vor, in der auf grundsätzliche Einwände und Kritikpunkte eingegangen wird, soweit sie der im Friedhofsgesetz formulierten Aufgabenstellung zum Friedhofsentwicklungsplan entsprechen.

Zur Gebührenentwicklung wird hinsichtlich der landeseigenen Friedhöfe auf die neue Gebührenordnung vom 17. November 2003 verwiesen, die auf einer veränderten Berechnungsstruktur basiert. Danach wird nicht mehr eine sich an der Größe der Grabstätte orientierende Nutzungsrechtsgebühr erhoben, sondern eine Friedhofsgrundgebühr, die sich aus den Kosten für die Unterhaltung der allgemeinen Friedhofsanlage berechnet. Diese Gebühr wird pro Bestattungsfall erhoben, so dass alle gleichermaßen an diesen Kosten beteiligt sind und die Entscheidung für eine bestimmte Bestattungs- bzw. Grabstättenart weniger von finanziellen Gesichtspunkten beeinflusst wird. Aus gebührenrechtlichen Gründen ist dabei jedoch nur die Fläche berücksichtigt, die, einschließlich anrechenbarem Grünanteil, den tatsächlichen Bestattungen zuzurechnen ist. Solange die Gebühren für die evangelischen Friedhöfe grundsätzlich von den Gebühren für die landeseigenen Friedhöfe abweichen, sind keine Vergleiche hinsichtlich der Auswirkungen auf die Entwicklung des Bestattungsverhaltens und des Gebührenaufkommens möglich.

In den Anlagen 18 und 19 der Anlagen zum Senatsbeschluss sind die konkreten Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens dargestellt.

3. Begründung für den Friedhofsentwicklungsplan (FEP)

Die Friedhöfe sind Ausdruck der Wandlungen in der Gesellschaft. Ihre Lage und Gestalt wurde und wird nachhaltig von den jeweiligen Wertevorstellungen und Lebensformen eines Zeitalters geprägt. Die historischen Friedhöfe Berlins sind ein Spiegelbild dieser Entwicklungen. Sie haben kulturell und künstlerisch wertvolle Werke über Jahrhunderte bewahrt und legen Zeugnis ab von der Entwicklung der Stadt. Die vielen Grabstätten bedeutender Persönlichkeiten belegen darüber hinaus den Status Berlins als geistige, wirtschaftliche und politische Metropole.

Die in den vergangenen Jahrzehnten festzustellenden Veränderungen in der Gesellschaft bezüglich der Einstellung zu Familie, Konfession, Tradition und Geschichte haben sich wiederum auf die Begräbniskultur und die Anlage und Gestaltung der Begräbnisstätten ausgewirkt. Bevorzugt werden heute Feuerbestattungen mit flächensparenden Urnenbeisetzungen sowie einfache und pflegeextensive Grabstätten. Im Jahr 2002 fanden schon mehr als 37 % aller Bestattungen Berlins in einer UGA statt, für die nur noch rund 3 % der Nettograbfläche einer Erdbestattung benötigt wird! Begleitet wurde dieser Wandel im Bestattungsverhalten von einem Rückgang der Sterberate. Die Lebenserwartung ist in Berlin in den vergangenen drei Dekaden je nach Geschlecht und Stadtteil um rund 7,5 bis 9 Jahre angestiegen. In Verbindung mit Geburtenausfällen und Bevölkerungsverlusten im Ergebnis der beiden Weltkriege bewirkte dies einen Rückgang der Sterbefälle um jährlich über 24.000. Waren im Jahre 1970 in Berlin noch über 58.000 Sterbefälle zu verzeichnen, wurden 2003 nur 33.146 Verstorbene registriert.

Im Ergebnis dieser Entwicklung ist ein stark rückläufiger Friedhofsflächenbedarf zu verzeichnen. Gegenüber 1980 verringerte sich der jährliche Bedarf um mehr als die Hälfte. Die Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der Friedhöfe und die Zufriedenheit der Nutzungsberechtigten sind nicht zu übersehen. Eine Vielzahl von Friedhöfen wird nicht mehr intensiv genutzt, so dass zunehmend Grabfelder nur noch lückenhaft belegt sind. Dies führt insgesamt zu einer Zunahme der allgemeinen Grünfläche, bis hin zum Brachfallen von großflächigen Friedhofsteilen oder ganzer Friedhöfe.

Die Friedhofsträger wiederum sind nicht mehr in der Lage, die Ausgaben für den Erund Unterhalt der gesamten Friedhofsfläche, einschließlich der dafür zu entrichtenden Straßenreinigungsgebühren, aus den zurückgegangenen Gebühreneinnahmen zu erwirtschaften. Viele Friedhofsträger müssen daher bereits ihre Serviceleistungen für die Nutzungsberechtigten reduzieren bzw. die Grünpflegeleistungen einschränken.

Das bisherige Fehlen eines FEP bewirkt darüber hinaus, dass auf allen geöffneten Friedhöfen weiterhin Bestattungen durchgeführt werden, ohne zu berücksichtigen, dass künftig tatsächlich nur noch ein Teil der gewidmeten Flächen für Bestattungen benötigt wird. Damit werden langfristige Flächenbindungen eingegangen, die die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Friedhofsträger weiter einschränken.

Der vorliegende Friedhofsentwicklungsplan ist das Ergebnis einer sorgfältigen Analyse des vorhandenen Friedhofsbestandes, der Auseinandersetzung mit der Entwicklung des Bestattungsverhaltens in Berlin und der Berechnungen zum Friedhofsflächenbedarf. Er zeigt auf,

· in welchem Umfang Friedhofsflächen zur Bestattung und damit auch zur Befriedigung der kulturellen, religiösen/weltanschaulichen Bedürfnisse unter Berücksichtigung nicht vorhersehbarer Ereignisse benötigt werden,

· inwieweit Entwicklungstendenzen bezüglich Sterberate und Inanspruchnahme bestimmter Bestattungsformen Art und Umfang des Friedhofsflächenbedarfes beeinflussen,

· wie sich die konkrete Versorgungssituation für die einzelnen Bezirke bzw. verschiedenen Friedhofsträger darstellt,

· welche Friedhöfe erhalten bleiben sollen,

· wo Potenziale zur Schaffung einer bedarfsgerechten Reduzierung von Friedhofsfläche vorhanden sind und

· welche andere Nutzungen zukünftig angestrebt wird.

Bedingt durch das Entstehen Berlins aus einer Vielzahl von Städten und Gemeinden, weisen die Berliner Friedhöfe viele kulturhistorisch wertvolle Bestandteile auf. Keine andere deutsche oder europäische Großstadt verfügt über eine solche Vielzahl und Vielgestaltigkeit an Friedhöfen. Mit der Umsetzung des FEP erhält Berlin die einmalige Chance, diese einzigartige berlin-typische Friedhofslandschaft zu erhalten, die oben dargestellte negative Entwicklung auf den Friedhöfen zu stoppen und trotz Schließung von Friedhofsflächen auch zukünftig den Bürgern die Möglichkeit der Bestattung und des Grabbesuches in Wohngebietsnähe anbieten zu können.

Darüber hinaus kann neben einem bedarfsgerechten und damit finanzierbaren Angebot an gepflegten Friedhöfen das „Grünpotenzial Friedhof" für die Zukunft weitgehend erhalten und für die allgemeine Erholungsnutzung genutzt werden.

Gerade Friedhofsflächen mit einem oft großen Altbaumbestand stellen qualitativ hochwertige Grünanlagen dar.

Der FEP berücksichtigt gesamtstädtische Belange, räumt den bezirklichen Planungen sowie den Überlegungen der konfessionellen Friedhofsträger aber einen großen Spielraum ein. Insofern sind die in den Karten der Anlagen 4 - 15 des FEP markierten Planungsflächen nicht als parzellenscharfe Festlegung zu verstehen sondern vielmehr als eine Darstellung der ermittelten und notwendigen Gesamtquantitäten (Planungspotenziale), die als Grundlage für weiterführende Planungen anzusehen sind.

4. Bestand und Bedarf an Friedhofsfläche

Im Jahr 2003 gab es in Berlin insgesamt 224 geöffnete und geschlossene Friedhöfe mit rund 1.176 ha gewidmeter Friedhofsfläche. Das entspricht einem Flächenanteil von rd. 11 % der öffentlichen Grünflächen der Stadt. Friedhofsträger sind sowohl die Bezirksämter des Landes Berlin als auch die Kirchengemeinden verschiedener Konfessionen. Die landeseigenen Friedhöfe nehmen 54 %, die evangelischen 37 %, die katholischen 4 % und die Friedhöfe der jüdischen, russisch-orthodoxen, muslimischen sowie britischen Träger insgesamt 5 % der Gesamtfriedhofsfläche ein.

Da die Friedhöfe der letztgenannten Träger (insgesamt rund 56 ha) in der Regel Nutzungsbeschränkungen unterliegen bzw. konfessionsbedingt Wiederbelegungen ausschließen, können diese im FEP unberücksichtigt bleiben.

Für Berlin wurden zu Beginn des vorigen Jahrhunderts wegen Flächenknappheit im Stadtgebiet auch Friedhöfe im Umland angelegt. Da die Planungshoheit für diese Flächen bei den Kommunen im Land Brandenburg liegt, werden diese Friedhöfe zur Vermeidung von Irritationen nicht mehr in den FEP einbezogen. Für die beiden landeseigenen Friedhöfe, die vom Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf unterhalten werden, wird jedoch weiterhin von einer Schließung ausgegangen. Dem Anliegen des Bezirksamtes, auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof in Stahnsdorf Waldbestattungen (nach Art des „Friedwaldes") zu betreiben, wird auf Grund des Friedhofsflächenüberschusses in Berlin und der Möglichkeit, auf Berliner Waldfriedhöfen Baumbestattungen anzubieten, nicht entsprochen.

Abweichend zu der vom Senat zur Kenntnis genommenen Vorlage finden die 38

Friedhöfe mit 87 ha Fläche, die bereits für Bestattungen geschlossen sind ebenfalls keine Berücksichtigung mehr im FEP, da hier das Grundanliegen des FEP, die Belegungsflächen einzuschränken und damit bessere Voraussetzungen für ein wirtschaftliches Betreiben zu schaffen, bereits erfüllt ist. Für diese Friedhöfe sind, sofern sie nicht als historische Anlagen in ihrer Substanz zu erhalten sind, durch die Friedhofsträger, in Abstimmung mit der Denkmalpflege, dem Naturschutz und den Planungsabteilungen der Bezirksämter spezielle Nutzungskonzepte zu entwickeln.

Damit werden nunmehr 179 Friedhöfe mit 1020 ha (ohne Flächen der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft mit dauerndem Ruherecht) in den FEP einbezogen.

Bezogen auf durchschnittlich 3,4 Mio. Einwohner hält Berlin rund 3,0 m² Friedhofsfläche pro Einwohner vor. Auf der Grundlage der durchschnittlichen Anzahl von Bestattungen der Jahre 1990 bis 2003, der Anteile der einzelnen Bestattungs- und Grabstättenarten mit ihren spezifischen Flächenbedarfen sowie der Annahme einer mittleren Grabnutzungszeit von 35 Jahren (Familien-/Wahlgrabstätten werden z.T. über Generationen erhalten) wurde ein Planungsrichtwert für Berlin von maximal 2 m² Friedhofsfläche pro Einwohner ermittelt. Bei der Festsetzung dieses Richtwertes wurden berücksichtigt: