Unwirtschaftliche Betriebsgastronomie bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben

Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) erzielen bei der Betriebsgastronomie nach wie vor hohe Verluste. Trotz einiger Anstrengungen blieben Einsparpotenziale, wie die Zusammenlegung von Kantinen und die ausschließliche Zubereitung von Speisen durch Großküchen, ungenutzt. Mit dem Bereich Catering bieten die BSR Leistungen eines Party-Services an, die nicht zu ihren Aufgaben gehören.

T 332:

Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) betreiben auf ihren Betriebshöfen insgesamt 16 Kantinen, darunter zwei als Zentralküchen. Allein für das Jahr 2004 ergab sich ein Fehlbetrag von 4,4 Mio.. Erlösen von 1,8 Mio. standen Kosten von 6,2 Mio. gegenüber. Allerdings wurden Umlagekosten z. B. für die BSR-Verwaltung bis zum Jahr 2004 nicht berücksichtigt. Nach Auskunft der BSR ist vom Geschäftsjahr 2005 an mit jährlichen Umlagekosten von 1,2 Mio. zu rechnen. Legt man diesen Wert auch für das Geschäftsjahr 2004 zugrunde, steigt der Fehlbetrag für die Betriebsgastronomie der BSR von 4,4 Mio. auf 5,6 Mio.. T 333:

Seit 1995 haben die BSR die Anzahl der Kantinen von 31 auf 18 im Jahr 2004 und 16 im Jahr 2005 reduziert. Der Vergleich der Jahre 1995 und 2004 ergibt eine Reduzierung des Defizits um 1,4 Mio. (ohne Berücksichtigung der Umlagekosten). Allerdings ist der Fehlbetrag je Mitarbeiter von 688 (1995) auf 745 (2004) gestiegen; unter Einbeziehung der von den BSR angegebenen Umlagekosten lag er im Jahr 2004 bei 950. Die Mitarbeiterzahl der BSR ist im gleichen Zeitraum von 8 400 auf 5 900 gesunken.

T 334:

Bei einer bereits im Jahr 1995 durchgeführten externen Untersuchung wurde festgestellt, dass nur etwa 40 v. H. der BSR-Mitarbeiter auch Verpflegungsteilnehmer waren, obwohl hierbei auch Kleinstumsätze (z. B. eine Tasse Kaffee oder Tee) berücksichtigt wurden. Daher dürfte die Nutzung der Kantinen zur Essensverpflegung deutlich niedriger liegen, zumal im Jahr 2004 täglich lediglich rund 670 komplette Mahlzeiten sowie Komponenten aus dem Imbissbereich von beiden Zentralküchen produziert wurden. Die von dem externen Gutachter empfohlene Bildung von zwei Zentralküchen haben die BSR umgesetzt; allerdings werden in den einzelnen Kantinen weiterhin Speisen vor Ort zubereitet. Die ebenfalls vorgeschlagene Ausgliederung des Kantinenbetriebs in eine GmbH wurde nicht realisiert.

T 335: Unbeschadet der in den letzten zehn Jahren reduzierten Zahl der Kantinen befindet sich auf den beiden Betriebshöfen am Standort Grade Straße sowie auf den eng benachbarten Standorten Lise-Meitner-Straße und Ilsenburger Straße jeweils eine eigene Kantine (insgesamt vier Kantinen). Der Rechnungshof hat dies beanstandet und gefordert, die jeweils „doppelten" Kantinen zusammenzulegen. Er hat ferner darauf hingewiesen, dass es angesichts des immer noch hohen Defizits erforderlich ist, die Wirtschaftlichkeit der Kantinen weiter zu verbessern, und in diesem Zusammenhang empfohlen, die Preise für das gesamte Angebot zu erhöhen.

T 336:

Die BSR haben zwischenzeitlich eine Dienstvereinbarung geschlossen, mit der die Aufgabe jeweils einer Kantine bei den Doppelstandorten sowie Preisanpassungen geregelt werden; außerdem würden die zwei Zentralküchen an einem Standort zusammengelegt. Im Übrigen hätten sie von einer Ausgliederung des Kantinenbetriebs in eine GmbH abgesehen, da ein Betriebsübergang wegen der derzeitigen Rahmenbedingungen (Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen durch die Zielvereinbarung mit dem Senat bis 2015) nicht möglich sei. Infolgedessen sei durch zusätzliche Personalkosten (65 v. H. der Gesamtkosten) ein erheblicher Mehraufwand zu erwarten. Für die Betriebsgastronomie in Eigenregie der BSR sprächen insbesondere weiterhin die Wahrung des sozialen Friedens, eine größtmögliche Einflussnahme des Unternehmens und der Personalvertretung sowie steuerliche Vorteile und die große Akzeptanz bei den Mitarbeitern.

T 337:

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass die BSR seit 1995 Anstrengungen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Betriebsgastronomie unternommen haben. Da aber die aus dem Betrieb der Kantinen entstehenden Verluste in die Entgelte einfließen und somit durch die dem Anschluss- und Benutzerzwang unterliegenden Kunden der BSR zu tragen sind, ist aus Sicht des Rechnungshofs ein jährlicher Aufwand von 745 bzw. 950 pro Mitarbeiter nicht zu rechtfertigen. Der Rechnungshof erwartet, dass die BSR die Kosten durch weitere organisatorische Maßnahmen deutlich reduzieren und dabei auch die Möglichkeit einer sukzessiven Privatisierung der Betriebsgastronomie anhand von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen prüfen.

Zu T 332 bis 337:

Die BSR haben im Interesse von Personal- und Sachkosteneinsparungen seit dem 01.11. die beiden Zentralküchen fusioniert.

Mit der Rahmendienstvereinbarung vom 20.12.2005 über die Betriebsgastronomie bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben hat sich der Vorstand mit dem Gesamtpersonalrat darauf verständigt, eine BSR-Betriebsgastronomie als Sozialeinrichtung unter Berücksichtigung sozialer Standards und wirtschaftlicher Effizienz zu betreiben.

Auf der Grundlage dieser Rahmendienstvereinbarung sind zum 01.04.2006 die Kantinenstandorte Ilsenburgerstraße sowie ein Standort an der Gradestraße mit der Folge geschlossen worden, dass kein „Kantinendoppelstandort" mehr existiert. Zudem sind zum 01.02.2006 die Preise um bis zu 50 % pro Artikel (darunter die zwei meistverkauften Artikel) erhöht worden. Weitere Preisanpassungen sind geplant.

T 338: Zusätzlich zu dem Kantinenbetrieb haben die BSR vom Jahr 2000 an den eigenständigen Unternehmensbereich Catering geschaffen, der freie Kapazitäten nutzen und damit einen Beitrag zur Kostendeckung leisten soll. Der Bereich steht sowohl externen Kunden als Party-Service als auch den BSR für interne Veranstaltungen zur Verfügung.

Die Behauptung der BSR, durch positive Deckungsbeiträge werde der Zuschussbedarf des Kantinenbereichs gesenkt, ist bisher nicht nachvollziehbar, da erst im Verlauf des Jahres 2005 eine eigene Kostenstelle eingerichtet wurde. Mit dem Party-Service wurden in den Jahren 2003 und 2004 Umsätze von 277 000 bzw. 262 000 erzielt.

Etwa 40 v. H. des Umsatzes entfielen auf die Berliner Verkehrsbetriebe.

T 339:

Der Rechnungshof sieht - unabhängig von dem wirtschaftlichen Verlauf - die Errichtung des Bereichs Catering als problematisch an. Das Angebot eines Party-Services gehört nicht zu den Aufgaben der BSR. Bei der Tätigkeit für BSR-interne Zwecke ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die damit verbundenen Aufgaben nicht durch den Kantinenbereich erledigt werden können.

Der Rechnungshof erwartet, dass die BSR den Unternehmensbereich Catering im Rahmen des Abbaus von personellen Überkapazitäten sukzessive aufgeben.

Zu T 338 und 339:

Es ist zutreffend, dass im Geschäftsjahr 2004 noch keine Kostenstelle vorhanden war, allerdings hat die BSR dem Rechnungshof das positive Ergebnis für das Geschäftsjahr 2004 durch vollständige Darlegung aller Kosten und Umsätze nachgewiesen. Das Catering hat einen positiven Deckungsbeitrag für die Kantinen erbringen können.

3. Vermeidbarer Aufwand in Millionenhöhe bei der Einführung eines neuen Verkaufssystems für Fahrausweise

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben ein neues Verkaufssystem für Fahrausweise eingeführt. Die damit verfolgten Ziele wurden nicht oder nur deutlich später als geplant erreicht. Infolge von Mängeln bei der Systemeinführung und Fehlplanungen bei der Gerätebeschaffung entstand vermeidbarer Aufwand von insgesamt 6 Mio.. Zudem war die von den BVG erstellte Wirtschaftlichkeitsberechnung unzureichend.

T 340: Fahrausweise der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) werden u. a. von eigenen, aber auch privaten Verkaufsstellen vertrieben. Dies erfolgte bis zum Jahr 1999 ausschließlich durch den sog. Blockverkauf. Damit wurde jedoch nur der ABC-Bereich (Berlin und Umland), nicht aber der gesamte Geltungsbereich des zum 1. April 1999 eingeführten Tarifs des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB-Tarif) angeboten. Da zudem das für die Abrechnung der Verkaufsstellen eingesetzte Programm nicht „Jahr-2000-fähig" war, hatten sich die BVG für ein neues personalbedientes Verkaufssystem (PVS) entschieden. In diesem Zusammenhang wollten sie folgende weitere Ziele erreichen:

· die Zahl der Verkaufsstellen von gut 800 im Jahr 1998 auf zunächst 1 200 und später auf insgesamt 3 000 erhöhen, um die Marktposition der BVG zu stärken,

· Vertriebsinformationen besser gewinnen,

· Tarifänderungen „auf Knopfdruck" umsetzen.

T 341:

Im Juli 1998 schlossen die BVG mit einem IT-Unternehmen einen Vertrag „über die Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von 1 200 Stück Personalbediente Verkaufssysteme" mit einem Gesamtvertragswert von 7,6 Mio. zuzüglich MwSt. Das System besteht aus drei Ebenen:

· PVS-Geräte (Clients), bestehend aus einem Visitouch-PC, einem Fahrausweisdrucker, einem Quittungsdrucker und einer unabhängigen Stromversorgung,

· einem Server mit der Kommunikationssoftware und

· einem Server mit der Steuerungs- und Verwaltungssoftware.

Der Vorstand der BVG stimmte am 5. August 1998 zu.

T 342:

Die vereinbarte Gesamtleistung war nach dem Vertrag bis zum Februar 1999 zu erbringen. Die BVG haben bereits im November 1999 die Abnahme der Leistungen erklärt, obwohl nur 40 Geräte und damit erst 3 v. H. der vereinbarten Gesamtmenge installiert waren. Zum Ende der Gewährleistung bestand kein „ordnungsgemäß funktionierendes, stabiles und robustes PVS-System". Sowohl bei der Systemeinführung als auch am System selbst kam es zu zahlreichen Mängeln (z. B. fehlende Übermittlung von Daten, keine Datenverschlüsselung vor Übertragung). Nachdem das IT-Unternehmen Schadenersatzansprüche von 4,8 Mio. zurückgewiesen hatte, leiteten die BVG ein Beweissicherungsverfahren beim Landgericht Berlin ein. Beide Unternehmen haben im Juni 2003 einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen, mit dem sich das IT-Unternehmen insbesondere zu unentgeltlichen Leistungen (z. B. Systempflege) im Wert von 1,0 Mio. und die BVG zur Rücknahme der Anträge im Beweissicherungsverfahren verpflichtet haben. Mit dem Vergleich sollten zudem alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Vertrag ausgeglichen sein, sodass sich der Zusatzaufwand der BVG auf 3,8 Mio. verringerte.

T 343:

Für die Beschaffung der 1 200 Geräte waren Investitionen von 7,7 Mio. geplant, den investiven Finanzbedarf für das Gesamtprojekt mit 3 000 Geräten hatten die BVG auf 20,7 Mio. beziffert. Nach der endgültigen Abrechnung betragen die Gesamtkosten für das PVS mit 1 200 Geräten unter Berücksichtigung der von dem IT-Unternehmen zu erbringenden Leistungen im Wert von 1,0 Mio. (T 342) noch 22,2 Mio.. Mit diesem Aufwand für 1 200 Geräte wurden sogar die Planwerte für ein System mit 3 000 Geräten übertroffen.

Gleiches gilt für die Betriebskosten. Der tatsächliche Aufwand lag in den Jahren 2000 bis 2003 mit 9,2 Mio. 9,9 Mio., 12,4 Mio. und 11,5 Mio. erheblich über den in der Wirtschaftlichkeitsberechnung enthaltenen Werten, die für 1 200 Geräte anteilig 8,5 Mio. betrugen. Dabei war die Zahl installierter Geräte mit maximal 860 deutlich geringer als in den Planungen vorgesehen. Eine Amortisation würde nach den Berechnungen der Revision der BVG bei Gesamtkosten von 23,2 Mio. voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2008 eintreten. Sie haben dabei erkannt, dass es sich um einen zu langen Zeitraum handelt, da die Amortisation erst eintritt, wenn die (reparaturanfälligen) PVS-Geräte abgeschrieben sind und evtl. betrieblich nicht mehr genutzt werden können.

T 344:

Zu keinem Zeitpunkt waren alle 1 200 PVS-Geräte installiert. Die maximale Anzahl von 860 angeschlossenen PVS-Geräten wurde erst im April 2003 erreicht. Sie reduzierte sich im Laufe des Jahres 2004 auf 745 Stück. In diesem Zeitraum existierte ein Pool von 396 nicht angeschlossenen PVS-Geräten. Darüber hinaus standen weitere Einzelkomponenten zum Austausch oder als Ersatzteil zur Verfügung. Die Zahl installierter Geräte wird nach den Angaben der BVG weiter sinken.

T 345: Unterlagen über eine Ermittlung von wirtschaftlich sachgerechten Gerätezahlen und -standorten haben die BVG nicht vorgelegt. Zudem haben sie vor der Investition keine Vereinbarungen über den Einsatz von PVS-Geräten mit bestehenden Verkaufsstellen geschlossen. Auch hatten sie noch nicht die notwendigen weiteren Verkaufsstellen bestimmt.

Erst während des Betriebs wurden, unter Berücksichtigung von Umsatzstruktur und Lage der einzelnen Verkaufsstellen, Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit der Gerätestandorte angestellt. Daraufhin sind einzelne Standorte wieder aufgegeben worden.

Die BVG haben hierzu ausgeführt, dass die geringe Zahl an Installationen durch eine starke Fluktuation der Verkaufsstellen bedingt sei. Zum Reservebestand haben sie auf eine hohe Reparaturanfälligkeit der Geräte verwiesen.

Dadurch würden zudem Instandhaltungskosten eingespart. Die BVG haben zugestanden, dass bei einer betrieblich notwendigen Gerätezahl von maximal 860 und einer sachgerechten Reserve von 10 v. H. ein vermeidbarer Aufwand für die Beschaffung von 254 Geräten in Höhe von 1,7 Mio. entstanden ist. Einschließlich Zinsverlusten von 0,5 Mio. belaufen sich die finanziellen Nachteile auf 2,2 Mio.. T 346:

In der im Jahr 1998 ausschließlich unter Annahme von bis zu 3 000 Verkaufsstellen durchgeführten Wirtschaftlichkeitsberechnung wurden Investitionen und Betriebskosten des Einsatzes von PVS-Geräten den Betriebskosten des bisherigen Blockverkaufs für zehn Jahre gegenübergestellt. Die BVG gingen davon aus, dass mit dem neuen System eine Personalreduzierung um insgesamt 114 Mitarbeiter möglich ist, während die Beibehaltung des Blockverkaufs sogar mit zusätzlichen Personalkosten von zwei Mitarbeitern je 100 weiterer Verkaufsstellen verbunden wäre. Die jährlichen Betriebskostenvorteile des PVS wurden mit Werten zwischen 2,1 Mio. und 6,6 Mio. in den Jahren 1999 bis 2008 angegeben. In ihrem Wirtschaftlichkeitsvergleich sind die BVG beim PVS von einer schrittweisen Erhöhung der Verkaufsstellen auf letztlich 3 000 im Jahr 2002 (vgl. T 340) ausgegangen, während beim Blockverkauf in allen betrachteten Jahren 3 000 Verkaufsstellen mit entsprechend gleichbleibend hohen Personalkosten unterstellt wur