Mensch in Polizeigewahrsam zu Tode gekommen ist

Was die zweite Entscheidung angeht, auch hierzu eine kurze Bemerkung! Der Senator für Inneres und Sport, Thomas Röwekamp, soll Nachfolger von Peter Gloystein als Bürgermeister werden, auch so ist es bei der CDU entschieden worden. Ich finde, das ist eine gute und eine schlechte Nachricht zugleich.

Die gute Nachricht ist: Das für Außenstehende, aber auch für uns hier kaum nachvollziehbare Ritual, dass Menschen, die in der falschen Stadt dieses Bundeslandes geboren sind, für bestimmte Ämter nicht in Frage kommen, ist hier an dieser Stelle durchbrochen worden. Ich finde, wir tun gut daran, wenn wir Bremen modernisieren wollen, dass wir von solchen Ritualen, nicht von der Leistung, sondern von dem Herkunftsort abhängig zu machen, wer welchen Posten bekommt, Abstand genommen haben.

(Beifall)

Das ist die gute Nachricht, meine Damen und Herren, im Übrigen nicht nur für Bremerhaven, sondern, wie ich finde, auch für Bremen!

Die schlechte Nachricht ist: Ich bin ein bisschen zusammengezuckt, als ich davon hörte, weil ich glaube, dass das Bürgermeisteramt ja wie das eines Senators auch ein sehr herausgehobenes Amt ist. Es ist noch nicht lange her, dass Sie als Innensenator zwar nicht die Tatsache, die ich Ihnen persönlich auch nie vorgeworfen habe, dass ein Mensch in Polizeigewahrsam zu Tode gekommen ist ­ da waren Sie nicht dabei, das sind andere gewesen, die ja auch möglicherweise zur Rechenschaft gezogen werden ­, verantworten mussten, das ist gar nicht der Punkt, sondern wie Sie sich im Anschluss, in den Medien vor allem, verhalten haben.

Das habe ich hier gesagt, und das sage ich heute auch noch einmal, das war sachlich nicht sattelfest, weil Sie falsche Informationen verbreitet haben, das war nicht souverän, und das war meiner Ansicht nach nicht die Reife, die man braucht, um jetzt im Senat noch einmal hervorgehoben als Bürgermeister tätig zukünftigen Handeln als Bürgermeister verwischen können, der jedenfalls war kein guter Start in diese Richtung, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn man sich jetzt noch einmal anschaut, wie die gewesen ist, dann muss man doch feststellen, dass Sie wenig Fortune hatten, wenn man es einmal gelinde ausdrückt. Sie haben doch Senatoren relativ schnell wieder aus dem Verkehr gezogen. Manchmal wusste man erst hinterher genau, warum so plötzlich ein angeblich so erfolgreicher Senator wie Ralf Hubertus Borttscheller nicht wieder auftauchte, wo er doch im Wahlkampf als Pik Ass oder als Trumpfkarte auf den Plakaten stand, nach der Wahl war er plötzlich verschwunden.

Auch die Fähigkeiten des Herrn Nölle als Ökonom und Financier, die ihn bis ins Bürgermeisteramt getragen haben, scheinen im Rückblick, wenn man es heute so betrachtet, vielleicht nicht so toll gewesen zu sein, wie Sie das damals selbst glaubten, und die Senatoren Schulte und Böse wurden ebenfalls erstaunlicherweise und ohne besonderes Zutun der Opposition oder von anderen sehr schnell wieder aus dem Verkehr gezogen. Es bleibt Ihr Geheimnis, ob Sie entweder Schaden für Bremen dadurch verhindern wollten oder Schaden für die CDU, möglicherweise aber auch beides, meine Damen und Herren.

Nun haben Sie dann den erfahrenen Banker und Wirtschaftslenker Gloystein als denjenigen, der als Bürgermeister, als Wirtschafts- und Kultursenator hier die Geschicke lenken sollte, angekündigt. Ich bin über Ihre offenen Worte zu Beginn Ihrer Rede, Herr Perschau, sehr dankbar, und ich kann das auch bekräftigen und will es bei einer Bemerkung belassen und nicht weiter auswalzen, weil es hinter uns liegt und wir, wie gesagt, nach vorn blicken müssen.

Wenn Sie einmal schauen, welch immenser Schaden wirklich angerichtet worden ist! Es gibt das international renommierte britische Blatt Economist, das weltweit über eine Million Auflage hat, da ist Bremen seit ungefähr zehn Jahren als Bundesland nicht mehr erwähnt worden, mit dieser Sektaffäre von Herrn Gloystein stehen wir darin, von Australien bis Südamerika, und glauben Sie nicht, dass uns das als Bremen hervorbringt, wenn Sie hier in diesem Lande solche Senatoren aufstellen, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Eine letzte kleine Bemerkung zu diesen Personalfragen! Im Wahlkampf haben Sie groß die starken Frauen in der CDU angekündigt, ich kann mich sehr gut an die Wahlplakate erinnern. Wir haben jetzt ganz offensichtlich folgende Situation: Sie haben fünf Topjobs hier in der bremischen CDU zu vergeben, und nun haben wir sozusagen drei Debütantinnen, Frau Eckhoff, Frau Röwekamp und Frau Kastendiek, und die beiden Gouvernanten, Fräulein Perschau und Fräulein Neumann, die das Ganze überwachen sollen, meine Damen und Herren, das sind die starken Frauen der CDU! (Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/

Aber ganz egal, ob Mann oder Frau, darauf kommt es gar nicht an.

(Zuruf von Senator Röwekamp) Ja, auf dem Plakat hatten Sie mehr Locken, Frau Röwekamp!

(Senator Röwekamp : Ich frage mich, woher Sie meine Frau so gut kennen! ­ Heiterkeit)

Darüber reden wir später! Aber egal, ob Mann oder Frau, der neue Wirtschafts- und Kultursenator steht vor einer Aufgabe, die zum einen darin besteht, diese Scharte ­ und ich finde es sehr honorig, dass die CDU-Fraktion das heute durch ihren neuen Vorsitzenden auch eingeräumt hat, dass es eine solche ist ­ von Herrn Gloystein auszuwetzen. Da traue ich Herrn Kastendiek alles zu, ich kann ihn mir schlichtweg in keiner Weise in dieser Rolle vorstellen, die Herr Gloystein hier vorgelebt hat, aber das ist vielleicht der kleinste Teil dieser Aufgabe.

Der große Teil, der vor Ihnen liegt, wenn man einmal die Wirtschaftspolitik anschaut, Herr Kastendiek, Sie treiben im Moment quer durch das Land Rot und Grün vor sich her mit dem Thema Arbeitsplätze. Wenn Sie aber in Bremen zu dem Thema reden, verschweigen Sie, dass es Ihnen in Bremen nun in keiner Weise bisher gelungen ist, die Arbeitslosigkeit zu vermindern, Arbeit für die Bremerinnen und Bremer, Bremerhavenerinnen und Bremerhavener zu schaffen. Diese Aufgabe müssen Sie als Wirtschaftssenator angehen.

Investitionen auch so auszurichten, dass Arbeitsplätze in unserem Land entstehen, das ist eine der Hauptaufgaben, die auf Sie zukommt, Herr Kastendiek.

Aber es geht nicht nur um die Arbeitsplätze, sondern auch um die Frage, wie wir mit unseren Schulden umgehen, machen wir weiter so, wie es das Wirtschaftsressort bisher getan hat nach dem Motto: Wir haben acht oder neun Milliarden vom Bund bekommen, die können wir fleißig ausgeben, und hinterher sehen wir einmal, ob es einen regionalwirtschaftlichen Effekt gibt, wenn nicht, dann ist es das Risiko, das wir in der Wirtschaft nun einmal haben. Dies muss aufhören! Sie müssen konkrete Investitionslisten auf den Tisch legen, und wir müssen heute wissen, welche Zinsen und Tilgungen wir in den kommenden Jahren abtragen müssen, welche Investitionen wir uns leisten können, welche Investitionen wir uns nicht leisten können. Da hat das Wirtschaftsressort, ganz unabhängig von Sektduschen und ähnlichen Dingen, bisher vollkommen versagt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn Sie Senator sind, schieben Sie Projekte an, die im Wirtschaftsressort bisher etwas vor sich hinschlummerten, bringen Sie die Kaiserschleuse auf den Weg, bringen Sie die Vorschläge, die alle drei Fraktionen gemeinsam beschlossen haben zu den Business Improvement Districts, auf den Weg! Es ist ja nicht so, dass Herr Dr. Gloystein mit diesem Wirtschaftsressort nur wegen einer Sektaffäre gescheitert ist, sondern er ist auch daran gescheitert, dass er in zentralen wirtschaftspolitischen Fragen dieses Land in diesen Monaten, in denen er Senator war, nicht nach vorn gebracht hat, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In der Kulturpolitik gibt es natürlich ganz konkrete Aufgaben. Sie müssen ein in vielen Legislaturperioden zersplittertes und auch demotiviertes Kulturressort wieder neu aufstellen und ins Rennen schicken, so dass die Kulturszene in Bremen etwas davon hat. Sie müssen den Masterplan Kultur zu Ende bringen, um uns und auch allen, die in Bremen kulturschaffend sind, endlich zu sagen, wohin der Senat eigentlich in der Kulturpolitik in den nächsten Jahren will.

Das ist aber nicht die Hauptaufgabe. Ich glaube, wenn man sich das ansieht, wird die Hauptaufgabe sein, den Elan, den Schwung und die Begeisterung, die durch die Kulturhauptstadtbewerbungsphase entstanden sind, nicht nur zu erhalten, sondern vielleicht ist es dank der Kulturpolitik von Herrn Dr. Gloystein auch notwendig, sie noch einmal wieder zu beleben, denn dort gibt es deutliche Absacker. Sie müssen mithelfen, diesen Esprit, der Bremen kulturell, auch von der generellen Atmosphäre, vom Lebensgefühl in Bremen, aber auch ökonomisch, denn das ist eine Folge davon, nach vorn bringt, diesen Schwung, den Bremen dadurch erhalten hat, durch Ihre Kulturpolitik zu erhalten. Das ist ein ganz wichtiger Faktor für die weitere Zukunft Bremens und für das Vorankommen nicht nur der Kulturpolitik, sondern für alle unsere Vorhaben, Bremen zu sanieren und wieder neu und besser aufzustellen als bisher.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das sind nur einige der zentralen Zukunftsfragen, die vor Ihnen stehen. Wir werden Sie nach 100 Tagen und auch im Anschluss daran messen. Davon ausgehend, dass Sie nachher zum Senator gewählt werden, wünsche ich Ihnen für diese Aufgabe viel Glück und Geschick. ­ Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Präsident Weber: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Abg. Tittmann (DVU): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich dachte bis jetzt immer, Sie wollen das Bundesland Bremen wirtschaftlich und kulturell zukunftsorientiert weiter voranbrin gen. Das werden Sie aber mit einem neuen Wirtschafts- und Kultursenator namens Kastendiek niemals erreichen.

Meine Damen und Herren, ein Wirtschaftssenator sollte mindestens folgende Anforderungen erfüllen: Erstens, er sollte kommunikationsfähig sein, und das Wichtigste, Punkt zwei, er sollte umfangreichen wirtschaftlichen und kulturellen Sachverstand haben.

Drittens sollte er als zukünftiger Wirtschafts- und Kultursenator mindestens einen erforderlichen politischen ­ ich habe es eben erwähnt ­, kulturellen Sachverstand haben. Das aber sind genau die wichtigen Anforderungen, die ich Herrn Kastendiek als künftigen Wirtschafts- und Kultursenator durchweg abspreche.

Herr Kastendiek hat in seiner bisherigen parlamentarischen, politischen Arbeit in meinen Augen eine kulturfeindliche Einstellung dargelegt. Das bedeutet für mich eindeutig, dass Herrn Kastendiek nicht nur in wirtschaftlichen Fragen der nötige Sachverstand fehlt, sondern auch die nötige Erfahrung und der Sachverstand für Bremens wichtige kulturellen Bereiche.

Meine Damen und Herren, darum halte ich Herrn Kastendiek für das sehr wichtige Amt des Senators für Wirtschaft und Kultur für schlichtweg einfach überfordert. Die Nominierung von Herrn Kastendiek als Senator für Wirtschaft und Kultur ist eine eindeutige Bankrotterklärung der CDU in Bremen. Diese Nominierung ist ein erschreckendes, trauriges Beispiel, in welcher großen personellen Notlage diese CDU im Lande Bremen sein muss. Meines Erachtens erfüllt Herr Kastendiek nicht die erforderlichen Anforderungen und Voraussetzungen, um als Senator für Wirtschaft und Kultur das Bundesland Bremen in irgendeiner Weise wirtschaftlich und kulturell voranzubringen, ganz im Gegenteil. Darum werde ich namens der Deutschen Volksunion Herrn Kastendiek ablehnen. ­ Ich bedanke mich!

Präsident Weber: Als nächster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Dr. Scherf.

Bürgermeister Dr. Scherf: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben einen Kollegen aus dem Senat verloren, der nur kurze Zeit bei uns war, der mit viel Hoffnung nach Bremen gekommen ist.

Ich selbst habe auch gehofft, dass wir einen Kompetenzzuwachs bekommen durch ihn, jemand, der ein Leben lang als Banker in großen Banken in Frankfurt gearbeitet hat, bringt eine zusätzliche Erfahrung, die hoch willkommen war. Er hat sich in diesen wenigen Monaten eigentlich erst anwärmen können mit unserem Arbeiten, und die meiste Mühe hat er, glaube ich, mit dem Kulturressort gehabt. Das haben alle, die ihn begleitet haben, gesehen, und es ist auch für seinen Nachfolger nicht ganz einfach, dort so etwas wie einen Erfolg zu organisieren und dann noch in kurzer Zeit zu organisieren. Ich habe ihn erlebt, wie er bei der Jury mit mir und anderen zusammen die Bewerbung zur Kulturhauptstadt engagiert vorgetragen hat. Ich habe gemerkt, er ist auch ein Stück in unmögliche Entgleisung auf dem Weinfest mit einem Kollegen fair umgehen. Ich finde, es ist nicht korrekt, wenn man hinterher nachtritt. Das will ich nicht, sondern ich will sagen, es tut dieser Landesregierung gut, wenn wir Erfahrungen von außerhalb bekommen. Wir können schlauer werden, wir können uns auch über unsere engen Landesgrenzen hinaus zusätzlich profilieren. Es tut uns auch gut, wenn jemand aus der Wirtschaft kommt, weil der uns eben von außen sieht.

Ich habe das Interview, das Herr Hattig der taz zu diesem Thema gegeben hat, genau durchgelesen.

Er hat es ja versucht, in seiner unverwechselbaren Art abzuwägen, dass das eben nicht so leicht ist, zwar machen sich viele Leute in der Wirtschaft gern über Politik lustig und äußern sich abfällig, aber wenn sie dann wirklich in dieser Aufgabe stecken, so habe ich Herrn Hattig verstanden, dann merken sie, dass das eine komplizierte Lage, oft eine schwierigere Lage ist, als ein Unternehmen von oben nach unten zu führen, zu sagen, dort geht es entlang, und dann geht es auch dort lang. Bei uns gibt es eine große Last, sowohl was das Kommunizieren angeht, was das Verständigen angeht, was das Vermitteln angeht, aber es gibt auch eine Last mit ganz knappen Mitteln, wir haben ja extrem knappe Mittel, so umzugehen, dass man sie noch vorzeigen kann.

Wir haben also eine weitere Erfahrung gemacht.

Ich gebe trotzdem nicht auf, dass auch in Zukunft immer einmal wieder ein Versuch, jemanden von außen einzuwerben, sich lohnt, denn wir können uns eigentlich nur zusätzliche Erfahrungen wünschen, die wir brauchen, um in unserem schwierigen politischen Geschäft voranzukommen.

Ich weiß von Herrn Gloystein selbst, dass er ganz stolz darauf ist, dass die Kaiserschleuse unter ihm einen großen Schritt nach vorn gebracht worden ist, und das ist auch richtig so.

(Abg. Günthner [SPD]: Na, na!)

Das muss man aushalten, wenn etwas gut gegangen ist, lieber Martin, dann wollen ganz viele dabei gewesen sein, wenn es schlecht gegangen ist, dann will eigentlich keiner dabei gewesen sein!

(Beifall bei der CDU ­ Abg. Günthner [SPD]: Es ist aber nicht gut gegangen! ­ Abg. Böhrnsen [SPD]: Ist sie auch schon finanziert?)

Bei der Kaiserschleuse sind wir alle froh. Ich weiß von dir, dass du von Anfang an dafür gekämpft hast.