Jugendvollzug

Abg. Köhler (Bündnis 90/Die Grünen): Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zumindest in einer wichtigen Rahmenbedingung gibt es endlich eine Entscheidung, nachdem wir, Bündnis 90/Die Grünen, schon drei Mal in dieser Legislaturperiode beantragt hatten, den Jugendvollzug nicht nach Hameln zu verlegen, sondern dass er in Bremen verbleiben soll. Gegen die Verlagerung nach Hameln hatten sich so ziemlich alle Fachleute ausgesprochen, die mit dem Jugendvollzug beschäftigt sind, Fachleute, die zum Beispiel im Förderkreis des Jugendvollzugs organisiert sind oder in der Deutschen Vereinigung der Jugendrichter und Jugendgerichtshilfe, DVJJ, und wie es auch in zahlreichen Veranstaltungen, Pressemitteilungen und Stellungnahmen deutlich geworden ist.

Seit vier Jahren befindet sich der Strafvollzug in einer Hängepartie, in einer Verunsicherung, die allein darauf zurückzuführen ist, dass der Senat im Jahr 2001 ein Gutachten beim Wirtschaftsberatungsunternehmen Roland Berger in Auftrag gegeben hat, mit dem dann ganz unqualifizierte Vorschläge zum Neubau einer Justizvollzugsanstalt gemacht worden sind.

Seit vier Jahren gibt es diese unverantwortliche Politik des Senats, die nun endlich beendet ist, zumindest was die äußeren Rahmenbedingungen betrifft. Es ist das Ende des Versuchs, Strafvollzug teilweise privatisieren zu wollen und eine High-Tech-Verwahranstalt einzurichten.

Wenn ich mir die Begründung des Senats für das Ende der Verhandlungen mit Niedersachsen anschaue, dann bin ich doch einigermaßen verwundert.

Es wird nämlich festgestellt, dass es jetzt mehr Jugendliche in Hameln gibt. Dazu hat natürlich die Verlagerung von niedersächsischen Insassen vom Blockland zurück nach Niedersachsen beigetragen, wir erinnern uns an dieses unschöne Manöver aus dem letzten Jahr, als Niedersachsen von Bremen unter Druck gesetzt werden sollte.

Nun wird festgestellt, dass das Jugendgefängnis in Hameln groß ist, dass es mit den Bremer Jugendlichen noch größer wäre, zu groß wäre, und dass deshalb der Plan nicht weiterverfolgt werden soll. Das hätten wir alles auch schon im Jahr 2003 wissen können. Das Ganze ist doch letztlich nur der Versuch, halbwegs das Gesicht zu wahren und wieder aus einem Projekt auszusteigen, in das man nie hätte einsteigen sollen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Grünen sind erfreut darüber, dass es eine Perspektive für die Anstalt Bremerhaven gibt. Es hätte auch überhaupt keinen Sinn gemacht, eine Anstalt zu schließen, die im Prinzip funktioniert. Sie ist weit genug weg vom Rathaus. Auf die Verunsicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätte man natürlich verzichten können und müssen.

Die Debatte, die wir heute führen, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem, was jetzt nach der Entscheidung des Senats an weiterer Entwicklung in Oslebshausen und Bremerhaven notwendig ist. Wir werden uns noch näher mit den Investitionsmaßnahmen beschäftigen müssen, vor allen Dingen auch mit denen für den Jugendvollzug, für Bremerhaven und für den Erwachsenenvollzug in Oslebshausen, Herr Grotheer hat dazu Ausführungen gemacht. Wir müssen uns damit auseinander setzen, dass die Personalzahlen bereits jetzt so abgesenkt sind, dass die Altbau-JVA mit dem Personal auskommen muss, das eigentlich für den Neubau geplant gewesen ist. Ein weiterer Stellenabbau ist bis 2009 von der großen Koalition vorgesehen.

Die Frage des Trennungsgebots zwischen Strafvollzug für Jugendliche und für Erwachsene betrifft nicht nur die räumliche Abgrenzung, sondern der Jugendvollzug muss eine selbständige Organisation mit einer selbständigen Entwicklung sein, nicht lediglich inhaltlich ein Wurmfortsatz des Erwachsenenvollzugs.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich muss hier im Übrigen auch nicht rechtfertigen, warum die Grünen mit dem Status quo, mit der Übergangslösung nicht dauerhaft einverstanden sind, weil nämlich die Ausgangslage das Jugendgerichtsgesetz ist, an das sich Bremen aus gutem Grund halten muss.

Das Jugendgerichtsgesetz verlangt eigenständige Jugendanstalten, und das heißt auch eine eigenständige Leitungsstruktur für den Jugendvollzug. Das ist nicht mehr Bürokratie oder mehr Aufwand, das muss auch noch nicht einmal teurer werden als die jetzige Übergangsregelung, sondern es geht letztlich um die Frage, wo sind Verantwortlichkeiten tatsächlich vorhanden. Da reicht das, was bisher existiert, schlicht nicht aus.

Die Leute, die die Vollstreckung von Jugendstrafen zu überwachen haben, nämlich die Vollzugsleiter, das sind die Jugendrichter, sind nicht einverstanden mit dem Fortbestand der Übergangslösung, nach der der stellvertretende Leiter der Gesamtanstalt auch formal Leiter des Jugendvollzugs ist. Wir haben letzte Woche im Rechtsausschuss gehört, dass dieser stellvertretende Gesamtanstaltsleiter bis zu einem Drittel seiner Arbeitszeit mit dem Jugendvollzug füllt. Das reicht von hinten bis vorn nicht! Wir brauchen keinen Leiter des Jugendvollzugs, der aus der Ferne EMails schreibt und an Konferenzen teilnimmt, sondern wir brauchen eine Leitung für den Jugendvollzug, die in die alltägliche Arbeit des Jugendvollzugs eingebunden ist. Wenn gesagt wird, dass sich das doch für eine so geringe Zahl von Jugendlichen nicht lohnt, dann ist aber auch hervorzuheben, dass wir auch schon deutlich mehr Insassen hatten. Es gibt ständig Schwankungen, auch in einer erheblichen Bandbreite, das kann kein Argument sein.

Inhaltlich bietet die vorgelegte Konzeption nicht wirklich viel, auch wenn viel Papier bedruckt worden ist. Die Arbeit im Schul- und Ausbildungsbereich wird nur angedeutet. Die Arbeit in gelockerten Vollzugsformen, die Entlassungsvorbereitung, die Verzahnung zwischen JVA und externen Angeboten werden nur unzureichend beschrieben. Die Kooperationsvereinbarung zwischen Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe und JVA ist nicht mehr aktuell, sie ist mehrere Jahre alt. Es hat inzwischen erhebliche Veränderungen gegeben, vor allem was die Personalsituation betrifft. Die ganze Konzeption muss angepasst werden.

Es wird auch hinsichtlich der Gesamtentwicklung von den Fachleuten in Frage gestellt, ob die Methoden, die angewandt werden, tatsächlich die richtigen sind. Darauf möchte ich jetzt im Detail nicht eingehen, es geht nämlich im Ergebnis darum, dass jetzt, nach dem Hickhack der letzten Jahre, eine dauerhafte, tragfähige Lösung gefunden werden muss, mit der die Beteiligten vor Ort einverstanden sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bisher hat es dazu noch nicht einmal den Versuch gegeben. Die sozialen Dienste der Justiz müssen einbezogen werden, die Jugendrichter selbstverständlich, die Jugendgerichtshilfe, die freien Träger, die sich um Entlassungsvorbereitungen kümmern, und natürlich auch die Beschäftigten vor Ort. Wir kommen nicht weiter, wenn da wieder einmal jemand mit dem Kopf durch die Wand will.

Wir werden uns im Herbst im Rechtsausschuss mit diesen Fragen weiter beschäftigen. Ich würde dafür plädieren, dass niemand jetzt Festlegungen trifft, die nur schädlich sind. Ich hoffe, dass es gelingt, die Motivation der Mitarbeiter, die sich darum kümmern, zu erhalten, bis es zu einer vernünftigen Lösung gekommen ist. ­ Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD) Vizepräsidentin Dr. Mathes: Das Wort erhält Herr Staatsrat Mäurer.

Staatsrat Mäurer: Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre dazu noch sehr viel zu sagen, ich möchte mich aber auf zwei Punkte konzentrieren!

Das Erste: Wir haben in der Tat versucht, mit Dieshaben wir nicht zu Ende gebracht, das bedauern wir. Wir haben dies in der klaren Einschätzung getan, dass wir alles unternehmen müssen, um die Belastungen des Haushalts zu reduzieren. Wir haben heute einen Zustand erreicht, der uns Anlass gibt festzustellen, dass wir inzwischen bei unseren täglichen Hafttagekosten deutlich unter dem Niveau von Niedersachsen liegen. Von daher gesehen haben wir im Endergebnis diese Verhandlungen beendet, weil sie nur mit erheblichen Mehrkosten für Bremen verbunden wären, und ich finde, dass wir eine solche Lösung bei der derzeitigen Haushaltslage nicht vertreten können.

Wir haben es aber, wie gesagt, versucht, und wir würden es immer wieder machen, auch mit anderen Ländern, wenn wir die Chance haben, die bremischen Kosten zu reduzieren.

Zweiter Punkt: Jugendvollzug! Ich glaube, Herr Köhler, Sie haben es wirklich nicht ernst genommen, was wir da aufgeschrieben haben. Wir haben sehr deutlich beschrieben, wie die Lage heute ist. Das ist nicht der Jugendvollzug der siebziger Jahre! Das Durchschnittsalter der Gefangenen liegt bei 20 Jahren, in der Regel sind maximal zehn Jugendliche unter 18 Jahre alt. Dies vor dem Hintergrund, dass Sie hier einen Popanz zwischen Erwachsenenvollzug einerseits und Jugendvollzug andererseits aufbauen: Die Mehrzahl der Inhaftierten sind Erwachsene im Jugendvollzug, das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen!

Dies bedeutet auch, dass wir uns hier um die gesamte Anstalt kümmern müssen. Wir haben 750 Gefangene, der Anteil der Jugendlichen liegt bei 50. Wir können für diesen Bereich nun einfach nicht alle Mittel des Landes einsetzen, uns eine eigenständige Anstalt leisten. Das wäre vermessen! Ich denke, und das haben die Beiträge der Vorredner auch gezeigt, dass Bremen hier eine sehr realistische Position eingenommen hat. Wir leisten den Beitrag, den auch andere Länder im Jugendvollzug erbringen, mehr ist aber in diesem Bereich nicht möglich!

Ich denke, dass wir mit der Koalition hier einen Weg gefunden haben, um dies fortzusetzen. Wir werden, und das ist schon angeklungen, auch in den nächsten Haushaltsjahren weiterhin massiv Personal abbauen müssen, daran wird kein Weg vorbeiführen.

Ich denke aber, dass man bei der Problemlage des Jugendvollzugs hier auch personell investieren muss.

Das ist ein wesentlicher Beitrag auch zur inneren Sicherheit des Landes. Ich glaube, dass wir hier einen vernünftigen Weg gefunden haben, den wir gemeinsam fortsetzen. ­ Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU) Vizepräsidentin Dr. Mathes: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksache 16/628, Kenntnis.

(Landtag) bis 14.45 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.10 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.45 Uhr.

Vizepräsident Ravens: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Bericht über Vertrags- und Finanzlage des Space-Parks

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 17. Juni 2005

Wir verbinden hiermit: Bericht in Sachen Space-Park/SWG-Darlehen Mitteilung des Senats vom 21. Juni 2005

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Kastendiek.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Linnert.

Abg. Frau Linnert (Bündnis 90/Die Grünen): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Grünen bitten den Senat mit dem Antrag um einen Bericht über die Gesamtlage des Space-Parks, und zwar bis zur September-Sitzung der Bremischen Bürgerschaft. Wie Sie alle wissen, ist der Space-Park ein zentrales Projekt der Bremer Tourismusförderung und ist leider auch aus grüner Sicht ganz anders geendet, als man es geplant hat. Es ist kein Tourismusmagnet geworden. Wir haben ein zurzeit leerstehendes Bauwerk im Stadtteil Gröpelingen, und alle werden sich darüber Gedanken machen, wie es dort weitergeht.

Interessant ist die Vorgeschichte des Space-Parks deshalb, weil es bisher nicht gelungen ist, sie in allen Facetten hier dem Parlament und der Öffentlichkeit vorzutragen, und weil das leider nicht nur Detektivspiel zum Vergnügen ist, sondern die ungelösten Probleme der Vergangenheit in die Zukunft reichen werden und eine Nachfolgelösung für den Space-Park gesucht wird: Wie geht es da weiter, was macht die Dresdner Bank eigentlich, und was soll Bremen machen ­ wir wollen das ja nicht dauerhaft leer stehen haben, auch die Grünen ganz bestimmt nicht! ­, wie wird diese Nachfolgelösung belastet, wenn nicht Transparenz herrscht über alle Belastungen, die vorher angerichtet wurden, und alle Verpflichtungen, die eingegangen wurden?

Wir möchten also einen Bericht haben über alle Geldflüsse, die in den Space-Park gegangen sind, auf der Basis welcher Rechtsgrundlage, aus welchen Kassen, wie viel beschlossen, wie viel bezahlt wurde. Wir möchten einen Bericht bekommen über die gerichtlichen Auseinandersetzungen, die im Zusammenhang mit dem Space-Park geführt werden von uns selbst und von Dritten, die mit dem Projekt zu tun haben, und wir möchten einen genauen Bericht bekommen über alle Probleme, die mit der EU erläutert wurden und erläutert werden, und wissen, welche Position die Freie Hansestadt Bremen jeweils gegenüber der EU bezogen hat und wie sich dann die ganze Sache weiterentwickelt hat.

Ich habe gehört, dass meine Kolleginnen und Kollegen aus SPD und CDU bereit sind, dem Antrag der Grünen hier zuzustimmen, dafür bedanke ich mich ausdrücklich. Ich bin der Auffassung, dass es sich hier um einen zentralen Punkt auch der politischen Kultur handelt, dass es uns gemeinsam als kontrollierendem Parlament gelingt, dem Senat zu zeigen, wir wollen, dass bestimmte Spielregeln eingehalten werden, wir wollen gemeinsam, dass alle Fakten auf den Tisch kommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Ausgangspunkt der letzten Recherchen der Grünen in Sachen Space-Park war, süffisant weist der Senat ja immer darauf hin, wie viele Fragen wir schon gestellt und wie viele Akteneinsichten wir verlangt haben, wir haben gehört, dass die Dresdner Bank vor dem Landgericht Mainz gegen die ehemaligen Geschäftsführer der Space-Park KG klagt, weil für die Dresdner Bank ein Schaden entstanden ist, weil sie Zinsen übernehmen musste, die dann an die Freie Hansestadt Bremen gezahlt wurden. Die Dresdner Bank ist der Auffassung, dass die beiden Geschäftsführer die Dresdner Bank getäuscht haben und daraus dann diese Zinszahlungen resultierten.

Diese Klageschrift ist für Bremen nicht besonders schmeichelhaft, weil die Dresdner Bank der Auffassung ist ­ die Grünen schließen sich dieser Auffassung nicht an, ich kann das gar nicht beurteilen ­, dass Bremen mit dazu beigetragen hat, dass es den Geschäftsführern gelungen ist, sie zu betrügen. Das ist ein ziemlich harter Vorwurf, und es ist im fundamentalen bremischen Interesse, diese ganze Sache aufzuklären.

Worum geht es? Eine Tochter der Freien Hansestadt Bremen, nämlich die SWG, gibt im Januar 1999 ein Darlehen von 26 Millionen DM an die Space-Park KG, eine Tochter der Köllmann AG, das ist auch bekannt, und dieses Darlehen sollte nur drei Monate gegeben und verzinst werden, sollte also nach drei Monaten zurückgezahlt werden und ursprünglich auch verzinst werden. Herr Köllmann zahlte weder Zinsen noch das Geld zurück und hat dann alle möglichen Vorschläge gemacht, wie er sicherstellen kann, dass er das Geld erst einmal übergangsweise behalten kann. Die Sicherung dieses Geldes folgte über die Space-Park KG, und Bremen hat sich dann nach längeren Verhandlungen einverstanden erklärt, dass das Darlehen weitergeführt wird, und stellte es sogar zinsfrei.