Für die Bauflächen M1 ist eine hohe Nutzungsintensität und dichte mit Kerngebietscharakter vorgesehen

3. Wesentlicher Planinhalt, Abwägung und Begründung einzelner Festsetzungen

Art der baulichen Nutzung (zeichnerische Festsetzung)

Kerngebiet und seine Gliederung [Rechtsgrundlage: § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 7 BauNVO]

Im Bebauungsplan wird als Art der Nutzung mit Ausnahme des Bahnhofsgebietes Kerngebiet festgesetzt. Diese angestrebte Art der Nutzung für zentrale Funktionen und Einrichtungen entspricht dem Flächennutzungsplan, der für das Plangebiet im Wesentlichen Sonderbauflächen Hauptstadtfunktionen bzw. gemischte Baufläche M 1 darstellt.

Für die Bauflächen M1 ist eine hohe Nutzungsintensität und -dichte mit Kerngebietscharakter vorgesehen. Laut Erläuterungsbericht Arbeitsstätten zum FNP sind im Sondergebiet Hauptstadtfunktion „andere großflächige Konzentrationen von Arbeitsplätzen" anzusiedeln. Hier können auch im Einvernehmen mit dem Bund Wohn- und Mischnutzungen entwickelt werden (Förderung von Nutzungsmischung).

Das Kerngebiet um den neu entstehenden Kreuzungsbahnhof soll der Unterbringung von Dienstleistungsfunktionen dienen. Um eine tragfähige und lebendige Funktionsmischung des Gebietes um den neuen Hauptbahnhof herzustellen zu können, ist jedoch auch die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben anzustreben.

Einzelhandel

Im Stadtentwicklungsplan Zentren und Einzelhandel von 1999 ist der Bereich um den Lehrter Bahnhof nicht im Zentrenkonzept enthalten, d.h. nicht als Standort für eine Einzelhandelskonzentration vorgesehen. Aus dieser gesamtstädtischen und städtebaulichen Erwägung ist das Erfordernis der Einschränkung der zulässigen Geschossfläche für Einzelhandel begründet, um die Auswirkungen auf die Zentrenstruktur, die großflächiger Einzelhandel i.S.v. § 11 Abs. 3 BauNVO hervorrufen kann, zu beschränken. Allerdings war in die Abwägung auch einzustellen, dass der Berliner Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof im Stadtentwicklungsplan Zentren 2020 (Standorte für Einzelhandel und Freizeit) aufgrund der überregionalen Bedeutung und der zentralen Lage, der Nähe zum Regierungsviertel als Sonderfall zu werten ist, so dass hier aufgrund der hohen Passantenfrequenz ein größeres Verkaufsflächenvolumen vertretbar ist.

Eine Empfehlung der Untersuchung zum „Überbezirklichen Entwicklungsschwerpunkt Lehrter Bahnhof" aus dem Jahre 1993 basierte - neben der verkehrlichen Betrachtung - auf der planerischen Intention, negativen Auswirkungen auf angrenzende Quartiere entgegenzuwirken. Vorhandenen Zentren des Einzelhandels (Turmstraße, Müllerstraße) soll durch das neu entstehende Bahnhofsquartier nicht die Kaufkraft entzogen und die Entwicklung neuer Gebiete (Potsdamer/Leipziger Platz, Alexanderplatz) nicht wirtschaftlich erschwert werden.

Bei der Berechnung des Ziel- und Quellverkehrs, der durch Einzelhandel hervorgerufen wird, wurde eine Zahl von 25.000 m² Geschossfläche für Einzelhandelsflächen als Vorgabe für das Wettbewerbsgebiet ermittelt, die als Obergrenze für die Aufnahmefähigkeit des Straßennetzes durch solche Verkehre gilt, die durch Einzelhandelsflächen evoziert werden.

Hiervon sollten maximal ca. 15.000 m² Einzelhandelsfläche im Bahnhofsmantel, unabhängig von den unmittelbar der Bahnhofsnutzung zugeordneten Einkaufsmöglichkeiten, untergebracht werden. Diese Größenbeschränkung von 15.000 m² Geschossfläche für Einzelhandel im Sondergebiet wird durch die textliche Festsetzung Nr. 13 gesichert.

Der Empfehlung, eine Mengenbegrenzung für Einzelhandel planungsrechtlich zu sichern, wird damit in diesem Punkt entsprochen. Hierdurch wird auch unterbunden, dass der Bahnhof selbst eine Konzentrationswirkung durch Handelseinrichtungen entfaltet, die für eine

Entwicklung des umgebenden neuen Quartiers kontraproduktiv wäre.

Der Empfehlung, des Weiteren nur maximal 10.000 m² Geschossfläche im übrigen Quartier in den Teilen des Kerngebietes für Einzelhandel zulässig zu machen, kann nicht entsprochen werden, da diese Einschränkung rechtlich nur eingeschränkt möglich ist. Jedoch erfolgte eine Gliederung des Kerngebietes durch die textlichen Festsetzungen Nr. 8, 9 und 10, die die Zulässigkeit des Einzelhandels auf Teilflächen gliedern und insofern die o.g. Belange berücksichtigen.

Mit Blick auf das neu entstandene Gebiet am Potsdamer Platz kann davon ausgegangen werden, dass sich dieses Gebiet als Standort etabliert hat. Für den Alexanderplatz ist inzwischen eine völlig andere Entwicklung durch den Bau des „Alexa" Center eingetreten.

Die reale Entwicklung in den traditionellen Einzelhandelszentren (Turmstraße, Müllerstraße) hat inzwischen einen Verlauf genommen, die als Krise der herkömmlichen Geschäftsstraßen bezeichnet werden kann. Diese Krise ist nicht auf den „Konkurrenzstandort Hauptbahnhof" zurückzuführen, sondern hat sich ganz unabhängig von jeglicher Ansiedlung von Einzelhandel im Quartier um den Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof entwickelt und ist Folge einer tiefgreifenden Umwälzung im gesamten Einzelhandelssektor und der Etablierung weiterer Einzelhandelszentren in Berlin und dem Umland. Auch wurde inzwischen mit dem Zentrenkonzept 2020 die Sonderrolle des Hauptbahnhofes mit angrenzendem Quartier auf der Ebene der Landesplanung berücksichtigt, die die Verträglichkeit eines größeren Verkaufsflächenvolumens in dem Bereich des Hauptbahnhofes bestätigt.

Somit haben sich sowohl die reale Ausgangssituation als auch die landesplanerischen Zielvorgaben mittlerweile geändert. Von daher erscheint die Empfehlung aus dem Jahre 1993 nicht mehr sachgerecht. Das Planungsziel, das neue Quartier zu einem Dienstleistungszentrum und nicht zu einem Handelszentrum zu entwickeln, kann auch ohne eine Einzelhandelsbeschränkung aufrechterhalten werden.

Die Struktur des neuen Quartiers bestehend aus einzelnen durch Quartiersstraßen getrennten einzelnen Baublöcken ist zudem für die Etablierung eines Einzelhandelsschwerpunkt oder einer Flaniermeile nicht geeignet. Dies wurde auch in einem im April 2006 vorgelegten Gutachten bestätigt.

Die einzelnen Baublöcke können auch unterirdisch nicht verbunden werden. Dies ist weder planungsrechtlich zulässig noch real umsetzbar, da die dort verlegten Leitungen sowie die in Teilbereichen realisierten planfestgestellten Anlagen dem entgegenstehen.

Die durch Baugrenzen oberirdisch definierten Baublöcke ergeben teilweise für großflächigen Einzelhandel nicht geeignete Zwickellagen. Die Grundflächen der Baublöcke MK1 bis MK7 variieren zwischen etwa 950 m² (MK3) und etwa 3640m² (MK7). Die aufgrund ihrer Lage zum Bahnhofsvorplatz für Einzelhandel attraktivsten Blöcke MK3, MK5 und MK7 weisen jedoch insofern Einschränkungen auf, als dass die durch Baugrenzen festgesetzte Grundfläche des MK3 für großflächigen Einzelhandel zu klein ist und der durch Baugrenzen festgesetzte Innenhof im MK5 sowie der zu erhaltende Baum eine vollflächige Überbauung nicht zulässt. Die zwischen öffentlicher Parkanlage am ULAP-Gelände und internen Quartiersstraßen gelegenen Blöcke MK4 und MK 6 sind keine Standorte, die für eine Einzelhandelskonzentration geeignet sind. Die gilt auch für die Solitärstandorte MK9 und MK8 in besonders repräsentativer Lage auf den öffentlichen Bahnhofsvorplätzen.

Darüber hinaus stellt die im Bebauungsplan festgesetzt Beschränkung der zulässigen Stellplätze von maximal einem Stellplatz pro 200m² gewerblich genutzter Geschossfläche sowie der Ausschluss oberirdischer Stellplätze und Garagen ein wesentliches Hemmnis dafür dar, ein Stellplatzangebot, das für quartiersübergreifende, großflächige Einzelhandelsnutzungen zwingend erforderlich wäre, zu schaffen. Die zum Bahnhof gehörende unterirdische Parkga36 rage ist planfestgestellt und steht der Quartiersnutzung nicht zur Verfügung. Die Straßenquerschnitte lassen Parkstände nur sehr vereinzelt zu und auf den Bahnhofsvorplätzen ist kein Parken möglich.

Kerngebietsfestsetzung nach § 9 Abs. 1 und Abs. 3 BauGB

Die Festsetzung von Kerngebietsflächen erstreckt sich auch auf die Überbaubarkeit von Straßenverkehrsflächen ab einer festgelegten Höhe, um das orthogonale Blockraster in der gewünschten städtebaulichen Konfiguration ausprägen zu können. Dies betrifft die Überbauung von Straßenland mit Arkaden im Bereich des MK 1 und MK 2 (Nebenzeichnung 2) und die „Einhausung" des Tunnelmundes im Bereich des MK 1 (Nebenzeichnung 1).

Im Hinblick auf den Bezug zur Hauptstadtfunktion sowie auf seine sonstige funktionale und stadträumliche Einbindung ist eine Gliederung des Kerngebietes erforderlich, da eine Festsetzung gemäß § 7 BauNVO allein kein ausreichendes Instrumentarium ist, die städtebauliche Entwicklung an diesem Ort zu steuern.

Darüber hinaus werden Kerngebietsflächen unter Straßenverkehrsflächen bzw. Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung für die Errichtung von Tiefgaragen, die den angrenzenden Kerngebietsblöcken MK 3, MK 8 und MK 9 zugeordnet sind, festgesetzt.

Die vertikale und horizontale Gliederung des Kerngebietes war erforderlich, da die Kerngebietsflächen durch die Planfeststellung unterirdisch nur eingeschränkt nutzbar sind.

Allgemeine Zulässigkeit von Wohnen im Kerngebiet: [Rechtsgrundlage: § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 und § 1 Abs. 6, 7 und 8 BauNVO] (textliche Festsetzung Nr. 7)

Im Sinne einer möglichst weitgehenden potentiellen Durchmischung des Plangebietes mit Wohnungen ist es geboten, im Geltungsbereich des Bebauungsplanes II-201a das Wohnen planungsrechtlich zu ermöglichen.

Die allgemeine Zulässigkeit der Wohnnutzung wird auf die Baublöcke MK 3 ­ MK7 begrenzt, da dies diejenigen Blöcke sind, die das eigentliche zentrale Quartier ausmachen, das mit Wohnnutzung belebt werden soll. Für die Solitäre MK 8 und MK 9 und die zwischen Bahnviadukt und Invalidenstraße gelegenen Blöcke MK 1 und MK 2 trifft dies nicht zu. Die Kerngebietsflächen unterhalb des Viaduktes sind ohnehin nicht für Wohnungen geeignet.

Die Zweckbestimmung des Kerngebietes ist insgesamt gewahrt, da die allgemeine Zulässigkeit der Wohnungen auf Teilbereiche des Kerngebietes beschränkt wird und die zulässigen Wohnungen, gemessen an den sonstigen Nutzungen im Kerngebiet nur in untergeordneter Größenordnung errichtet werden dürfen.

Das orthogonale Straßenraster und die Möglichkeit im MK 4 und MK 6, Wohnungen zu der öffentlichen Parkanlage und im MK 5 und MK 7 zu der großzügigen Anlage des Bahnhofsvorplatzes hin zu orientieren, bieten grundsätzlich gute Vorraussetzung für die Belichtung und Belüftung der Wohnungen.

Da der Bebauungsplan sicherstellen muss, dass die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 1 BauGB gewährleistet werden können, sah er zur Durchführung der Trägerbeteiligung eine Festsetzung zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen (Schalldämmmaße) vor. Sowohl die Wohn- als auch die gewerbliche Nutzung sollten hierdurch vor dem Verkehrslärm geschützt werden. Da diese inhaltlichen Anforderungen mittlerweile im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nach der Einführung der DIN 4109 als technischer Baubestimmung und der Fertigstellung der Berliner Lärmkarte im Jahre 1997 sichergestellt werden, ist eine Regelung im Bebauungsplan entbehrlich und nicht Gegenstand der Festsetzung.