Tageseinrichtungen

Vorbemerkungen Sprache ist die wichtigste Grundlage der Kommunikation. Mit ihr teilen wir nicht nur unsere Gedanken und Gefühle mit und tauschen Erlebnisse und Erfahrungen aus, sie hilft uns auch, Zusammenhänge zu verstehen und Handlungen zu planen. Erscheinungen und Vorgänge der Umwelt zu verarbeiten, geschieht mit Hilfe von Sprache und Sprechen. Sprache ist Mittel der Begriffsklärung und ermöglicht es, sich mit Sichtweisen, Normen und Werten des Kulturkreises vertraut zu machen. Sie ist eine Voraussetzung für die Teilhabe des Menschen an der Gesellschaft, in der er lebt sowie ein wesentlicher Garant für schulischen Lernerfolg und weiterführende Abschlüsse.

Sprachliche Ausdrucksfähigkeiten aller Kinder möglichst früh zu entwickeln und zu pflegen ist daher eine zentrale Aufgabe von Kindertageseinrichtungen und Schule.

Im folgenden Bericht wird auf Sprachförderung und Sprachfördermaßnahmen der deutschen Sprache eingegangen. Fremdspracherwerb und die Förderung in diesem Bereich bleibt unberührt. Nach einer kurzen Darstellung der Grundsätze der Sprachförderung und der Bereiche, in denen Sprachfördermaßnahmen von besonderer Bedeutung sind, wird detailliert auf Abfrageergebnisse zu inhaltlichen Aspekten der Sprachförderung in Kita und Schule eingegangen.

Die Evaluationsmaßnahmen, die Berlin sowohl im Kita- als auch im Schulbereich bereits geplant bzw. durchgeführt hat, werden im folgenden benannt und den wesentlichen Zielstellungen und Indikatoren in einer tabellarischen Darstellung zugeordnet.

Die hier zusammengestellten Ergebnisse sollen zukünftig in einem Bericht interpretiert und vernetzt werden, so dass daraus - unter Einbeziehung der wissenschaftlichen Erkenntnisse - Schlussfolgerungen für die Sprachförderung abgeleitet werden. Dieser Bericht wird alle fünf Jahre detailliert richtungsweisende Aussagen zur Sprachförderung und ihrer Evaluation in Berlin darstellen.

1. Sprachförderung in Kita und Schule

Grundsätzliche Überlegungen zur Sprachförderung Sprachförderung ist zunächst grundsätzlich mit allen Lernsituationen in Kindertagesstätten und Schulen eng verknüpft und eingebettet in die alltägliche Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen.

Lernen ist immer eine aktive Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand. So ist auch der Spracherwerb ein Prozess der aktiven Aneignung. Der Lerner muss Erfahrungen sammeln im handelnden Umgang mit Personen und Dingen. Dieser Prozess braucht Zeit. Eine positive Lernumgebung, die motiviert und unterstützt, trägt wesentlich zum Gelingen dieses Prozesses bei.

Alle Personen, die in Kommunikation miteinander treten, sind an unterschiedlichen Sprachlernprozessen beteiligt. Diese Tatsache macht deutlich, dass nicht nur in jeder Situation in Kindertagesstätten und in Schulen, auch in allen Fächern, die Möglichkeit für Sprachförderung gegeben ist, sondern dass die Gesellschaft und vor allem auch die

Eltern als Sprachvorbild von enormer Bedeutung für den Lernfortschritt bei Sprachaneignungsprozessen sind. Auch die Kommunikation der Kinder und Schüler untereinander spielt bei diesem Lernprozess eine wesentliche Rolle.

Der Begriff„Fördern" und damit der Einsatz von Fördermaßnahmen verleiten schnell zum Defizitblick. Wichtig aber ist, dass an den vorhandenen Kompetenzen jedes Kindes und jeder Schülerin / jedes Schülers angeknüpft wird ­ unabhängig davon, auf welchem Entwicklungsstand diese sich befinden. Förderung muss grundsätzlich ansetzen an dem, was gekonnt wird, aufbauen auf dem vorhandenen Netzwerk im Gehirn und den vorhandenen Strukturen des Könnens und Wissens. Das bedeutet auch, dass wir den Kindern vor allem zu Beginn viel Zeit lassen müssen, diese Grundlagen überhaupt aufzubauen, aber dass wir auch dafür Sorge tragen müssen, dass die Grundlagen aufgebaut werden können.

Allgemeine Sprachförderung

Ob die Sprache als Entwicklungsprozess gesehen wird, in dem der Kompetenzzuwachs auf der Grundlage der Anlagen des Individuums durch den Input begleitet wird, sich aber in ungefähr gleichem Phasenablauf entwickelt, ob Sprache erworben wird, also sich mit den Erfahrungen und dem Wissen des Individuums aufbaut, so dass der Input nicht nur begleitet, sondern auch steuert, ob wir von einem Lernbegriff ausgehen, der den Kompetenzzuwachs als von außen zielgerichteten gesteuerten Prozess ansieht, oder ob wir von der Sprachaneignung sprechen, bei der das Individuum Angebote der Umgebung selektiv aufnimmt und konstruktiv mit den eigenen vorhandenen Kompetenzen verknüpft, spielt für die Fördermaßnahmen aber auch für die Frage der Evaluation eine große Rolle.

Neuere Ansätze der Sprachdidaktik gehen vom Aneignungsprozess aus und unterscheiden hierbei zwischen selbstgesteuerten und fremdgesteuerten Prozessen. Bei den fremdgesteuerten Prozessen wird die Sprache von außen vorstrukturiert, so dass das Kind zunächst nicht selbst strukturiert und ordnet, sondern eine vorbereitete Umgebung vorfindet, in der es sich dann selbst aktiv Sprache aneignet.

Sprachförderung ist daher keine Zusatzaufgabe. Es geht zunächst für die Erzieher/innen und Lehrer/innen eher darum, sprachfördernde und sprachhemmende Aspekte von Alltagssituationen und Lernsituationen sensibel wahrzunehmen.

Kinder müssen motiviert werden, sich sprachlich zu äußern bzw. eine weitere Sprache zu lernen. Dazu müssen sie sich wohlfühlen und Vertrauen aufbauen können. Strukturierungs- und Orientierungspunkte, z. B. festgelegte Rituale im Tagesablauf, geben Sicherheit und vermitteln Übungsmöglichkeiten für die Lernenden.

Es stellt sich in pädagogischen Situationen die Frage, welche Sprachanregungen das einzelne Kind braucht. Sprachliche Förderung kann sich nach genauer Beobachtung auf alle Aspekte in der Alltagssituation beziehen. Das eine Kind braucht zunächst einmal mehr Zeit und Bestätigung, um überhaupt Mut zu fassen, sich sprachlich zu äußern, ein anderes wiederum braucht gezielte Sprachanregungen und Sprachvorbilder, Sprachstrukturen, Rhythmus und Satzmelodien. Und nicht zuletzt benötigen viele Kinder auch Hilfen zur Erweiterung des Wortschatzes insgesamt.

Sprachliche Bildungsprozesse beginnen bereits vor der Geburt des Kindes. Das Kind nimmt die Sprache wahr, von der es umgeben ist, es nimmt Personen wahr, die ihre Handlungen sprachlich begleiten. Alle Sinne sind an der Sprachentwicklung beteiligt.

Der Kontext, in den sprachliches Handeln immer eingebettet ist, gibt dem Kind Aufschluss über die Bedeutung der sprachlichen Äußerungen. Kommunikation in vielfältigen Handlungszusammenhängen mit Personen, die dem Kind nahe stehen, die mit ihm sprechen und seine sprachlichen Mitteilungen verstehen wollen, fordert es heraus zu weiteren und immer differenzierteren sprachlichen Äußerungen. Ein Kind lernt Sprache zunächst nicht um ihrer selbst Willen, sondern als Medium für seine Ziele. Je differenzierter die Handlungen der Kinder sein können, umso differenzierter entwickelt sich ihre Sprache. Je vielfältiger die Erfahrungsmöglichkeiten, desto umfangreicher entfalten sich Wortschatz und Ausdrucksfähigkeit. Kinder orientieren sich am Sprachvorbild. Sprache entwickelt sich bei den einzelnen Kindern in unterschiedlichem Tempo und Muster.

Sprachförderung in der Kita heißt deshalb zunächst, allen Kindern beste Möglichkeiten und Anreize zur Sprachentwicklung zu bieten. Pädagog(inn)en sollten deshalb grundsätzlich als gesprächsbereite, kommunikative erwachsene Partner den Kindern zur Verfügung stehen (zuhören, antworten, nachfragen, ermutigen). Das setzt eine vertrauensvolle, wertschätzende Beziehung zum Kind voraus.

Es ist wichtig, alle Situationen des Alltags als sprachanregende Situationen zu begreifen und zu gestalten und den Kindern vielfältige und differenzierte Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten zu bieten.

Die Partizipation der Kinder und Jugendlichen, z. B. an der Auswahl und der Gestaltung von Lernsituationen, erlaubt es ihnen, ihr sprachliches Handeln als nützlich zum Verfolgen eigener Zielsetzungen zu erleben.

Sprachentwicklung als individueller Prozess muss gezielt beobachtet werden, damit gezielte Förderanreize zur Verfügung gestellt werden können. Das setzt bei pädagogischen Fachkräften allerdings eine detaillierte Kenntnis über Sprachentwicklungsprozesse voraus und verlangt die Fähigkeiten der präzisen Beobachtung und Dokumentation.

Die rechtzeitige Diagnose ermöglicht dann auch den Einsatz von speziellen Fördermaßnahmen und ggf. die Einbeziehung von Spezialisten.

Neben diesen Grundlagen, die in der Kita und in der Schulanfangsphase eine große Rolle spielen, gibt es bei der Sprachförderung unterschiedliche inhaltliche Bereiche, in denen die Kinder, die Schülerinnen und Schüler Kompetenzen erwerben. Dabei müssen grundsätzlich der mündliche, auf Kommunikation ausgerichtete Teilbereich und die Bereiche von Sprache, in denen es um Produktion und Reproduktion von Texten geht, unterschieden werden. Nicht nur die Veränderung vom Sprechen zum Schreiben und vom Hören zum Sehen ist zu beachten. Schriftsprache muss ohne direkte Rückmeldung auskommen, sie ist aus der direkten Handlungssituation herausgerissen. Damit entsteht ein Prozess im Umgang mit Sprache, den der Leser oder Schreiber allein aktiv steuern muss.

Erst mit der Schriftsprache beginnt der Prozess der Aufgliederung in Morpheme und der Umstellung von der Silbe zum Phonem und der Aufbau einer morphologischen Bewusstheit. Erst im Laufe der Schriftaneignung strukturieren die Kinder ihr sprachliches Wissen so, dass sie zu Sätzen als Einheit vordringen. Beurteilung grammatischer Formen und ein Normbewusstsein von Sprache sind ebenfalls an die Schriftsprache gebunden.