Fremdfälle bei Leistungsvergütung durch Ersatzkassen

Zahlreiche Menschen gehen im Lande Bremen einer beruflichen Tätigkeit nach, ohne ihren Wohnsitz im Land Bremen zu haben. Diese Menschen fordern in Bremen zahlreiche ärztliche und zahnärztliche Leistungen ab.

Seit der Regionalisierung der Ersatzkassen bei gleichzeitiger Budgetierung der Leistungsausgaben im Jahre 1993 kommt es zu Problemen bei der Vergütung der Mediziner, für die in Bremen von Nicht-Bremern in Anspruch genommenen Leistungen. Bei der Zahlung der Vergütung werden die Versicherten der Ersatzkassen wohnortbezogen ausgezählt. Die Versorgung nicht-bremischer Ersatzkassenpatienten geht zu Lasten des bremischen Budgets der Ärzte und Zahnärzte, während die Vergütung seitens der Ersatzkassen an die nicht-bremischen kassen- bzw. kassenzahnärztlichen Vereinigungen fließt, in deren Bereich der Patient seinen Wohnsitz hat. So folgt das Geld nicht der Leistung, sondern wird nach dem Wohnortprinzip verteilt.

Wir fragen den Senat:

1. Wie viele Menschen gehen in Bremen und Bremerhaven einer beruflichen Tätigkeit nach, ohne ihren Wohnsitz im Lande Bremen zu haben?

2. Wie viele dieser Pendler nehmen im Land Bremen ärztliche und/oder zahnärztliche Leistungen in Anspruch?

3. In welcher Höhe verteilen die Ersatzkassen zahnärztliches Budget nach dem Wohnortprinzip im Hinblick auf die Versicherten, die in Bremen Leistungen in Anspruch nehmen, ohne ihren Wohnsitz im Land Bremen zu haben?

4. Wie bewertet der Senat die Fremdfallproblematik bei der Leistungsvergütung durch Ersatzkassen?

5. Wie gedenkt der Senat den negativen Auswirkungen dieses Abrechnungsmodus gerade für den Stadtstaat Bremen zu begegnen?

6. Wie steht der Senat einer Ergänzung des § 85 Abs. 3 c SGB V im Sinne einer Lösung der Fremdfallproblematik gegenüber?

Die o. a. Anfrage beantwortet der Senat wie folgt:

Zu Frage 1.: Wie viele Menschen gehen in Bremen und Bremerhaven einer beruflichen Tätigkeit nach, ohne ihren Wohnsitz im Lande Bremen zu haben?

Nach Auskunft des Statistischen Landesamtes kann die Frage nach Pendlerzahlen nur für den Kreis der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer beantwortet werden. Danach liegen folgende Zahlen vor:

Zu Frage 2.: Wie viele dieser Pendler nehmen im Land Bremen ärztliche und/oder zahnärztliche Leistungen in Anspruch?

Dem Senat stehen keine Daten zur Verfügung, die sich ausschließlich auf die Inanspruchnahme ärztlicher oder zahnärztlicher Leistungen durch Pendler beziehen.

Nach Auskunft der Kassenzahnärztlichen Vereinigung entfallen jedoch rund 20 v. H. des Abrechnungsvolumens mit den Ersatzkassen auf versorgte Ersatzkassenversicherte, die nicht im Lande Bremen wohnen.

Zu Frage 3.: In welcher Höhe verteilen die Ersatzkassen zahnärztliches Budget nach dem Wohnortprinzip im Hinblick auf die Versicherten, die in Bremen Leistungen in Anspruch nehmen, ohne ihren Wohnsitz im Land Bremen zu haben?

Die Ersatzkassen zahlen an die Kassenzahnärztliche Vereinigung im Lande Bremen (KZV Bremen) für ihre im Lande Bremen wohnenden Mitglieder eine Gesamtvergütung, für die nach der Vergütungsvereinbarung für das Jahr 2000 ein Betrag von insgesamt 71.534.777 DM zur Verfügung steht. Personen, die zahnärztliche Leistungen im Lande Bremen in Anspruch nehmen, ohne ihren Wohnsitz im Lande Bremen zu haben, werden bei den Verhandlungen über die Veränderung der Gesamtvergütung ebenso wenig berücksichtigt wie Personen, die ihren Wohnsitz im Lande Bremen haben, aber zahnärztliche Leistungen außerhalb des Landes Bremen in Anspruch nehmen.

Dennoch sind in der Gesamtvergütung die Leistungen der bremischen Vertragszahnärzte für Pendler in gewissem Umfange enthalten. Dies ergibt sich aus der Grundlage, auf der die Gesamtvergütung basiert.

Durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 wurde die Kompetenz zum Abschluss von Vergütungsverträgen auch für die Ersatzkassen von der Bundesebene auf die Ebene der einzelnen Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und der Landesvertretungen der Ersatzkassenverbände verlagert, so dass die Gesamtvergütung für den Bereich der KV bzw. KZV festgestellt werden musste.

Grundlage für die Feststellung der regionalen Gesamtvergütung in Bremen war die Summe der von der KZV Bremen im Jahr 1991 abgerechneten Leistungen für alle Ersatzkassenmitglieder unabhängig von deren Wohnort, also einschließlich derjenigen Leistungen, welche die Vertragszahnärzte im Lande Bremen für Pendler erbracht und abgerechnet hatten. Dieser Gesamtbetrag der Gesamtvergütung wurde jährlich unter Berücksichtigung der Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen und der Zahl der Mitglieder verändert. Erstmalig für 1995 wurde dabei die Zahl der im Lande Bremen wohnenden Mitglieder der Ersatzkassen zu Grunde gelegt. Diese Umstellung in der Berechnung blieb jedoch ohne Auswirkungen auf den Gesamtbetrag, weil sich lediglich der für die Fortschreibung der Gesamtvergütung benötigte Divisor und Multiplikator änderten.

In der Gesamtvergütung, welche die Ersatzkassen der KZV Bremen zur Verfügung stellen, sind somit auch jetzt noch Leistungen der bremischen Zahnärzte für Pendler in gewissem Umfang bereits enthalten. Lediglich die Veränderungen, die seit der Umstellung in dem Verhältnis der Zahl der im Lande Bremen wohnenden Mitglieder zur Zahl der Pendler aufgetreten sind, werden nicht berücksichtigt.

Zu Frage 4.: Wie bewertet der Senat die Fremdfallproblematik bei der Leistungsvergütung durch Ersatzkassen?

Gemäß § 75 Abs. 7 SGB V haben die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen die erforderlichen Richtlinien für die Durchführung der von ihnen im Rahmen ihrer Zuständigkeit geschlossenen Verträge aufzustellen. Sie haben insbesondere die überbezirkliche Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung und den Zahlungsausgleich hierfür zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen zu regeln.

Dementsprechend haben die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 81 Abs. 3 SGB V eine Regelung zu enthalten, nach denen die Bestimmungen über die überbezirkliche Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung und den Zahlungsausgleich zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen für die Kassenärztlichen Vereinigungen und ihre Mitglieder verbindlich sind.

Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch überträgt somit die Lösung der Fremdfallproblematik den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die im Rahmen ihrer Richtlinienkompetenz die notwendigen Regelungen zu treffen haben. Dieser Verpflichtung ist die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung für den Bereich der Ersatzkassen - im Gegensatz zum Bereich der so genannten Primärkassen - bisher nicht nachgekommen. Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist es für die Vertragsärzte im Übrigen gelungen, auch im Bereich der Ersatzkassen einen funktionierenden Fremdfallausgleich mit der Einrichtung einer bundesweiten Clearingstelle zu installieren.

Insofern obliegt es in erster Linie den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und dem Bundesministerium für Gesundheit als Aufsicht über die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, auf eine Umsetzung des gesetzlichen Auftrages zur Aufstellung der entsprechenden Richtlinie hinzuwirken.

Zu Frage 5.: Wie gedenkt der Senat den negativen Auswirkungen dieses Abrechnungsmodus gerade für den Stadtstaat Bremen zu begegnen?

Wie der Antwort zu Frage 3 zu entnehmen ist, sind in der Gesamtvergütung, welche die Ersatzkassen an die KZV Bremen zahlen, bereits Anteile für Pendler in gewissem Umfange enthalten. Dies liegt in der Art und Weise begründet, wie bei der Umstellung auf Vergütungsverträge auf Landesebene der Ausgangsbetrag festgesetzt wurde. Insofern ist nicht bekannt, welchen Umfang die negativen Auswirkungen der fehlenden Richtlinie der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung auf die Vergütung der bremischen Vertragszahnärzte haben. Erkennbar ist allerdings, dass die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen der Stadtstaaten mit einem größeren Pendleranteil als die anderen Kassenzahnärztlichen Vereinigungen potentiell durch den fehlenden Fremdfallausgleich benachteiligt sind. Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales beabsichtigt, das Bundesministerium für Gesundheit als Aufsicht über die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung zu bitten, bei der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung auf eine Verabschiedung einer Richtlinie nach § 75 Abs. 7 SGB V hinzuwirken bzw. eine Präzisierung des § 75 Abs. 7 SGB V - ggf. mit Fristsetzung - ins Auge zu fassen, um die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung zu bewegen, die fehlenden Regelungen endlich zu verabschieden.

Zu Frage 6.: Wie steht der Senat einer Ergänzung des § 85 Abs. 3 c SGB V im Sinne einer Lösung der Fremdfallproblematik gegenüber?

Der Senat hält Vorschläge zu einer Ergänzung des § 85 Abs. 3 c SGB V, die auf eine Sonderregelung für den Bereich der Ersatzkassen und hierin ausschließlich für die vertragszahnärztliche Versorgung hinauslaufen, für nicht umsetzbar. Dies gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass in allen übrigen Bereichen funktionierende Ausgleichsregelungen existieren.