Das Verfahren zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos ist zweistufig

Verfahrensstandards zur Risikoeinschätzung

Auf der Grundlage der berlineinheitlichen Indikatoren- und Risikofaktoren zur Erkennung und Einschätzung von Gefährdungssituationen sind alle in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Fachkräfte verpflichtet, bei der Feststellung von Anzeichen von Kindeswohlgefährdungen tätig zu werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass mit den derzeit in der Berliner öffentlichen Jugendhilfe und bei ausgewählten (sozialpädagogisch) spezialisierten Trägern tätigen sozialpädagogischen Fachkräften die Forderung des Gesetzgebers nach der „insoweit erfahrenen Fachkraft", die die Einschätzung von Gefährdungssituationen (einschließlich Sicherheitseinschätzung) qualifiziert vornehmen können, erfüllt wird. Zur Sicherung dieser Qualität ist es deshalb erforderlich, dass dieser Personalbestand erhalten bleibt und frei werdende Stellen (altersbedingtes Ausscheiden) neu besetzt werden.

Das Verfahren zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos ist zweistufig. Zur Aufnahme erster Anhaltspunkte sowie einer ersten Prüfung, Bewertung und kollegialen Beratung und Entscheidungsfindung (Vier-Augen-Prinzip) sind alle in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Fachkräfte verpflichtet.

Für Mitarbeiter/innen der öffentlichen und freien Jugendhilfe, insbesondere der Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit und der Kindertageseinrichtungen, auf der Grundlage des Meldebogens „Ersteinschätzung bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung" (s. Anlage 8 der „Empfehlungen") für Fachkräfte der bezirklichen Jugendämter anhand des o.g. Meldebogens „1. auch durch eine insoweit erfahrenen Fachkraft eines spezialisierten freien Trägers. Verbindliche Grundlage dafür ist der Kinderschutzbogen.

Wenn der freie Jugendhilfeträger sich nicht in der Lage sieht, eine weitergehende Prüfung vorzunehmen bzw. selbst Maßnahmen zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung einzuleiten bzw. zu veranlassen, ist er verpflichtet, das zuständige Jugendamt zu informieren.

Bei gewichtigen Anhaltspunkten für die Annahme einer Kindeswohlgefährdung ist das Ausmaß der akuten Gefährdung durch die fallzuständige Fachkraft am selben Tag, möglichst innerhalb von zwei Stunden, abzuschätzen. Im Vier-Augen-Prinzip ist die Bewertung, kollegiale Beratung und Entscheidungsfindung vorzunehmen. Handelt es sich um eine Familie, die bereits eine ambulante Hilfe zur Erziehung erhält, wird die bereits mit der Familie befasste Fachkraft zum Gespräch hinzugezogen.

Die kollegiale Beratung dient dazu, anhand der vorliegenden Informationen eine erste Einschätzung des Sachverhalts vorzunehmen und die weiteren Schritte festzulegen. Ziel dieser Beratung ist vorrangig die Beantwortung der Frage, ob von einer unmittelbaren und ernstzunehmenden Gefährdung auszugehen ist, die sofortiges Handeln erfordert. Bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos sind die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird (§ 8a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). 1

In den Jugendämtern liegen interne Verfahrensregelungen vor, die sicherstellen, dass die Risikoabschätzung in der Regel in einer Helferkonferenz, kurzfristig mittels eines Kriseninterventionsteams, in einem akuten Notfall zumindest durch eine kollegiale Beratung mit einer weiteren erfahrenen Fachkraft gewährleistet ist. Daraus leiten sich folgende Handlungsschritte ab:

- Kinderschutz hat oberste Priorität; sowohl für die/den zuständige/n Sozialarbeiter/-in als auch für die zweite unterstützende Fachkraft sind andere Termine nachrangig

- Die Dringlichkeit des sofortigen Handelns richtet sich nach dem Gefährdungsrisiko

- Kontaktaufnahme mit der Familie vor Ort, um das Kind und die Situation in Augenschein zu nehmen

- Sofortige Information der Leitung des regionalen Sozialpädagogischen Dienstes über die Meldung und das Überprüfungsergebnis

- Schriftliche Dokumentation des Überprüfungsergebnisses und Gegenzeichnung von der Regionaldienstleitung

- Im Bedarfsfall ist bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung bzw. der Gesundheitshilfe sowie Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz zur Abwendung des Gefährdungsrisikos hinzuwirken

- Entwicklung eines umfassenden Schutzkonzeptes, wenn die o.g. Maßnahmen nicht ausreichen bzw. die Personensorgeberechtigten nicht in der Lage oder bereit sind, sie in Anspruch zu nehmen.

Unbeschadet sonstiger Regelungen muss mindestens eine der beteiligten Fachkräfte („erfahrene Fachkraft") bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos über eine einschlägige Berufsausbildung (z. B. Diplom-Sozialpädagoge/in, Diplom-Psychologe/in, Arzt/Ärztin) und persönliche Eignung sowie eine Qualifizierung durch nachgewiesene Fortbildung verfügen.

Diese Standards des Vorgehens in Kinderschutzfällen werden durch die „Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrags nach § 8a SGB VIII bei Kindeswohlgefährdung" und durch

Zu den datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen vgl. Anlage 11 zu den „Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII. „Ausführungsvorschriften über die Umsetzung des Schutzauftrages nach § 8 a SGB VIII bei Kindeswohlgefährdung" für Berlin verbindlich (s. Anlage 2).

Hotline-Kinderschutz

Über die „Hotline-Kinderschutz" als zentrale Anlaufstelle für Bürger/innen, Fremd- und Selbstmelder/innen soll rund-um-die-Uhr an 365 Tagen im Jahr direkt ein/e Berater/in erreichbar sein.

Die Installation der „Hotline-Kinderschutz" ist beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg vorgesehen. Die Hotline ist auch Ansprechpartner für Schulen, Kindertageseinrichtungen, Polizei, Kliniken und Beratungsstellen in öffentlicher und freier Trägerschaft.

Die Mitarbeiter/innen nehmen die Anrufe entgegen und handeln sofort, indem sie eine Risikoeinschätzung vornehmen und schnellstmöglich einen Ansprechpartner beim zuständigen Jugendamt ermitteln. Sollte die Telefonverbindung gerade besetzt sein, findet eine Weiterschaltung auf ein zweites Hotlinetelefon statt. Die Beratung ist zeitlich nicht befristet.

Jeder eingehende Anruf bei der „Hotline-Kinderschutz" wird schriftlich dokumentiert und per Fax sowie telefonisch unverzüglich an das zuständige Jugendamt (Koordination Kinderschutz) weiter geleitet.

Je nach Einstufung der Dringlichkeit / Risikoeinschätzung durch die Mitarbeiter/innen der „Hotline-Kinderschutz" bei gewichtigen Anhaltspunkten für die Annahme einer Kindeswohlgefährdung, soll sich das zuständige Jugendamt innerhalb einer Stunde (Dringlichkeitsstufe 1+2) oder bis zum nächsten Werktag bis 10.00 Uhr (Dringlichkeitsstufe 3+4) bei der Hotline zurückmelden.

Außerhalb der Öffnungszeiten der Jugendämter werden eingehende Meldungen zur Prüfung und ggf. Einleitung von Sofortmaßnahmen je nach Alter des Kindes/Jugendlichen an den Kinder-, Jugend- oder Mädchennotdienst weitergeleitet.

Materiell-technische Voraussetzungen

Das Hotlinetelefon (und 2.Telefon) steht in einen separaten Raum, in dem sich ein Computer mit Internetzugang befindet. Hiermit kann der unverzügliche Zugriff auf diverse Datenbänke sowie die sofortige elektronische Dokumentation des Meldebogens gewährleistet werden.

Voraussetzung für die Inbetriebnahme der „Hotline-Kinderschutz" ist eine Telefonanlage, die den Kinder-, Jugend- und Mädchennotdienst miteinander vernetzt. Die Bau- und Installationskosten machen dabei ein Finanzvolumen von ca. 100.000 aus. Die laufenden Gebühren für Pflege und Wartung belaufen sich jährlich auf rund 47.000.

Personelle Voraussetzungen

Für den ununterbrochenen Betrieb der „Hotline-Kinderschutz" ist ein Stellenkontingent von 4

Stellen Vgr. IV b BAT/O erforderlich. Die Stelleninhaber/innen müssen über eine beraterische und/oder familientherapeutische Zusatzausbildung verfügen. Nach den Durchschnittssätzen entstehen jährliche Personalkosten in Höhe von insgesamt rund 193.000.

Kostenleistungsrechnung und Budgetierung

Die „Hotline Kinderschutz" ist als Leistungsbestandteil dem Produkt 79437-Kinder- und Jugendnotdienst des Landes Berlin (BA Friedrichshain-Kreuzberg, Version 9.1:PVr. 77 169) hinzuzufügen. Die Budgetierung erfolgt als Ist-Budgetierung.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Bekanntmachung der „Hotline-Kinderschutz" soll durch eine Berlinweite Werbekampagne erfolgen. Vorgesehen ist dafür zum einen die U-Bahn-Werbung, mit der bereits gute Erfahrungen gesammelt werden konnten, und zum anderen die Plakatierung.