Jugendamt

Einschätzung und Entscheidung den Eltern gegenüber nachvollziehbar darzulegen und zu vermitteln sucht.

Die Zusammenstellung von berlineinheitlichen Indikatoren / Risikofaktoren ist eine erste Arbeitsgrundlage, die nicht abschließend sein kann. Entsprechend der gewonnen Erfahrungen, Erkenntnisse und Entwicklungen aus der Praxis wird sie regelmäßig evaluiert und entsprechend fortgeschrieben.

2. Erreichbarkeit des Jugendamtes für Informationen über Kindeswohlgefährdungen

Die Einrichtung einer verlässlichen Melde- und Informationsstruktur zwischen den bezirklichen Jugendämtern und den beteiligten Partnern ist durch die Benennung fester verantwortlicher Ansprechpartner zu sichern. Die Koordination Kinderschutz im Jugendamt ist jeder Schule, Kindertageseinrichtung sowie anderen Einrichtungen und Diensten bekannt.

Hier liegt auch die Verantwortlichkeit für die Information und die Dokumentation der im Jugendamt bekannt gewordenen Kinderschutzfälle und die Zuständigkeit für die Kooperation mit dem Fachbereich I des bezirklichen Gesundheitsamtes (Kinder- und Jugendgesundheitsdienst). Meldungen erfolgen in der Mehrzahl telefonisch; in Einzelfällen auch über persönliche Vorsprache im Jugendamt oder im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst.

Jede Meldung ­ schriftlich, mündlich, telefonisch, anonym ­, die Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung enthält, ist schriftlich aufzunehmen.

Die zentrale Anlaufstelle für Bürger/innen, Fremd- und Selbstmelder/innen ist immer die „Berliner Hotline-Kinderschutz", sie ist rund-um-die-Uhr erreichbar (s. 2.1).

Darüber hinaus ist das Jugendamt - Regionaler Sozialpädagogischer Dienst (RSD) - über den Tagesdienst von Montag bis Freitag während der Dienstzeit werktags von 9.00 18.00 Uhr für Selbstmelder/innen und Fremdmelder/innen erreichbar.

Polizei, Familiengerichte, Kinder, -Jugend -und Mädchennotdienst wenden sich an das bezirkliche Krisentelefon (werktags 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr) bzw. außerhalb der Sprechzeiten an die Berliner Hotline Kinderschutz.

Weiterhin können Meldungen von Selbst- und Fremdmeldern/innen (Bürger, Kita, Schule, Polizei, Kliniken, Kinderärzte, Hebammen, freie Träger) auch direkt beim Regionalen Sozialpädagogischen Dienst eingehen (s. „Berlineinheitliche Melde- und Informationsstruktur zum Kinderschutz" (Anlage 7).

Die Rufnummer der „Hotline-Kinderschutz", der Krisentelefonnummern der bezirklichen Jugendämter und der Krisentelefonnummern in den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten (KJGD) (s. Punkt 6.) müssen in den relevanten Institutionen (Polizei, Schulen, Kindertagesstätten, Beratungsstellen, Kinderärzten/innen sowie weitere psychosoziale und sozialpä9 dagogische Einrichtungen und Dienste, die mit Kindern, Jugendlichen und Familien arbeiten) bekannt sein.

Jede Meldung beim Krisendienst des Jugendamtes wird an die fallzuständige Fachkraft des RSD weitergeleitet. Wenn diese nicht erreichbar ist, übernimmt der Tagesdienst des RSD die Bearbeitung. Sollte auch dieses nicht möglich sein, bleibt der/die den Anruf bzw. die Information entgegennehmende Mitarbeiter/in bis zur Übergabe an die zuständige Fachkraft des RDS in der Fallverantwortung. Er/sie übernimmt die weitere Abklärung und Intervention.

Die Aufnahme der Meldung (auch anonyme) erfolgt verbindlich nach dem Muster „1.

Check für eine Mitteilung bei eventueller Kindeswohlgefährdung" (s. Anlage 8).

Berliner Hotline Kinderschutz (Zentrale Hotline der Jugendämter)

Die „Berliner Hotline-Kinderschutz" ist rund um die Uhr zu erreichen und steht insbesondere Selbst- und Fremdmeldern zur Verfügung. Bei jeder eingehenden Meldung wird durch den Berater/die Beraterin eine Risikoeinschätzung vorgenommen. Jeder eingehende Anruf wird bei der Hotline-Kinderschutz schriftlich dokumentiert und per Fax sowie telefonisch an die Koordination Kinderschutz des zuständigen Jugendamtes weiter geleitet.

3. Verfahrensstandards zur Risikoabschätzung

Auf der Grundlage der berlineinheitlichen Indikatoren- und Risikofaktoren zur Erkennung und Einschätzung von Gefährdungssituationen sind alle in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Fachkräfte verpflichtet, bei der Feststellung von Anzeichen von Kindeswohlgefährdungen tätig zu werden. Es ist davon auszugehen, dass auch jetzt schon hinreichend pädagogische Mitarbeiter/innen in der öffentlichen Jugendhilfe und bei den Hilfen zur Erziehung erbringenden Trägern insoweit erfahrene Fachkräfte für Kinderschutz sind, dass sie die Einschätzung von Gefährdungssituationen (einschließlich Einschätzung der Sicherheit des Kindes) qualifiziert vornehmen können. Andere Träger (insbesondere der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit) müssen in der Lage sein, eine erste Gefährdungseinschätzung (s. Anlage 9 „Ersteinschätzung bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung") vorzunehmen. Für weitergehende Entscheidungen bzw. erforderliche Maßnahmen haben diese den Kontakt zum zuständigen Jugendamt oder spezialisierten Träger mit insoweit erfahrener Fachkraft aufzunehmen.

Das Verfahren zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos ist zweistufig. Zur Aufnahme erster Anhaltspunkte sowie einer ersten Prüfung, Bewertung und kollegialen Beratung und Entscheidungsfindung (Vier-Augen-Prinzip) sind alle in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Fachkräfte verpflichtet. Sie erfolgt für Fachkräfte der öffentlichen (ausgenommen ASPD / EFB) und freien Jugendhilfe nach dem Meldebogen „Ersteinschätzung bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung" (s. Anlage 9) und für Fachkräfte der öffentlichen Jugendämter, einschließlich Erziehungs- und Familienberatungsstellen durch den Meldebogen „1. Check für eine Mitteilung bei eventueller Kindeswohlgefährdung" (s. Anlage 8). Bei sich erhärtenden Faktoren erfolgt die weitergehende Prüfung der Kindeswohlgefährdung (2. Check) grundsätzlich durch die Fachkräfte der öffentlichen Jugendhilfe (vor allem ASPD, EFB) bzw. bei freien Trägern in Zusammenarbeit mit einer insoweit erfahrenen Fachkraft. Verbindliche Grundlage für die Fachkräfte der Jugendämter ist der Kinderschutzbogen. Wenn der freie Jugendhilfeträger sich nicht in der Lage sieht, eine weitergehende Prüfung vorzunehmen bzw. selbst Maßnahmen zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung einzuleiten bzw. zu veranlassen, ist er verpflichtet, die Koordination Kinderschutz des zuständigen Jugendamtes oder einen anderen freien Träger, der eine insoweit erfahrene Fachkraft hat, zu informieren.

Erste Risikobeurteilung und Einschätzung über nächste Schritte

Bei gewichtigen Anhaltspunkten für die Annahme einer Kindeswohlgefährdung ist das Ausmaß der akuten Gefährdung durch die fallzuständige Fachkraft abzuschätzen, möglichst innerhalb von zwei Stunden, aber noch am gleichen Tag. Im Vier-Augen-Prinzip ist die Bewertung, kollegiale Beratung und Entscheidungsfindung vorzunehmen. Handelt es sich um eine Familie, die bereits eine ambulante Hilfe zur Erziehung erhält, wird nach Möglichkeit die durchführende Fachkraft zum Gespräch hinzu gezogen.

Die kollegiale Beratung dient dazu, anhand der vorliegenden Informationen eine erste Einschätzung des Sachverhalts vorzunehmen und die weiteren Schritte festzulegen. Ziel dieser Beratung ist die Beantwortung der Frage, ob von einer unmittelbaren und ernstzunehmenden Gefährdung auszugehen ist und dies sofortiges Handeln erfordert. Bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos sind die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird (§ 8a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII).

Je nach Einstufung der Risikoeinschätzung ergibt sich die Dringlichkeit für das sofortige Handeln und die Notwendigkeit, vor Ort mit der Familie Kontakt aufzunehmen, um das Kind und die Situation in Augenschein zu nehmen (vgl. 3.2.1). Kinderschutz hat oberste Priorität, d.h. dass sowohl für die/den zuständige/n Sozialarbeiter/in wie auch für die zweite unterstützende Fachkraft andere Termine nachrangig sind und nicht wahrgenommen werden können.

Die Leitung des Regionalen Sozialpädagogischen Dienstes wird umgehend sowohl über die Meldung als auch von dem Überprüfungsergebnis informiert. Sie entscheidet über die Einbeziehung weiterer Vorgesetzter (Leitung des Jugendamtes).

Die Überprüfung erfolgt anhand des 2. Check (Berliner Fassung des Stuttgarter Kinderschutzbogens). Das Ergebnis der Überprüfung muss schriftlich dokumentiert und von der Leitung des Regionalen Sozialpädagogischen Dienstes gegengezeichnet werden.

Bis zur Vorlage der Berliner Fassung ist nach dem „Stuttgarter Kinderschutzbogen" zu verfahren.