Datenschutz in der Kinder­ und Jugendhilfe

Datenschutz in der Kinder­ und Jugendhilfe einschließlich der Regelungen für die Hilfeplanung und für die Umsetzung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII1

I. Allgemeine Regelungen zum Datenschutz im Bereich des SGB VIII

1. Der Datenschutz im Bereich der Sozialleistungen ist im SGB I, SGB X und SBG VIII geregelt, soweit es sich um Daten handelt, die im Zusammenhang mit Maßnahmen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe erhoben, verarbeitet oder in anderer Art genutzt werden. Hierbei sind die Regelungen des SGB X nur ergänzend anwendbar, soweit das SGB VIII keine eigenen „bereichsspezifischen" Regelungen enthält.

Der Begriff der Sozialdaten ist in § 67 SGB X definiert: „(1) Sozialdaten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben."

Bei den Regelungen zum Umgang mit solchen Informationen spricht man von Sozialdatenschutz.

Bereits einleitend soll darauf hingewiesen werden, dass der Sozialdatenschutz und die fachliche Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe kein Gegensatz sind.

Vielmehr ergänzen sich die Regelungen zum Sozialdatenschutz und die Grundsätze transparenter fachlicher Arbeit unter Einbeziehung der Hilfeempfänger als selbstbestimmte Klienten. Soweit ausnahmsweise eine Datenübermittlung oder -erhebung am Betroffenen „vorbei" erforderlich ist, stehen die Regelungen des Sozialdatenschutzes den notwendigen Maßnahmen nicht entgegen.

2. Der Datenschutz bezieht sich zunächst auf den Schutz der Daten, die bei einer Stelle vorhanden sind (§ 67 Abs. 9 SGB X).

Unter dem Begriff „Stelle" ist nicht die Behörde im allgemeinen, organisatorischen Sinne zu verstehen. Maßgeblich ist ein funktioneller Stellenbegriff. Das bedeutet, dass die Einheit einer Stelle durch die Einheit der übertragenen Funktion bestimmt wird.

Damit ist Normadressat und Empfänger - d.h. Träger der Verantwortlichkeit - von Sozialdaten die Stelle als Ganzes und nicht der/die einzelne Mitarbeiter/-in (Ausnahme: es handelt sich um anvertraute Daten im Sinne des § 65 SGB VIII oder Daten unter dem besonderen Schutz des § 203 StGB; in diesem Fall ist der/die jeweilige Mitarbeiter/-in für den Datenschutz Verantwortliche/r).

Das Jugendamt ist daher insgesamt die verantwortliche Stelle im Sinne des § 67 Abs. 9 SGB X, soweit es sich um Daten handelt, die für Maßnahmen/Leistungen im

Diese Darstellung unterteilt sich in eine ausführliche Darlegung der Rechtslage und in eine kurze jeweilige Übersicht (Zusammenfassung) am Ende der einzelnen Abschnitte.

-2 Sinne des SGB VIII erhoben worden sind. Nicht dagegen gehören zu dieser Stelle die Organisationseinheiten, die Leistungen auf anderer Rechtsgrundlage, z. B. nach dem Unterhaltsvorschussgesetz oder dem Bundeserziehungsgeldgesetz (zukünftig Bundeselterngeldgesetz) erbringen, da es sich um Leistungen außerhalb des SGB VIII handelt. Auch soweit Bereiche des öffentlichen Gesundheitsamtes in das Jugendamt eingegliedert sind, handelt es sich ebenfalls in datenschutzrechtlicher Betrachtungsweise nicht um einen Bestandteil dieser Stelle. Die Kita- Eigenbetriebe gehören auf Grund ihrer gesetzlich geregelten Sonderstellung ebenfalls nicht zu der so verstandenen Stelle „Jugendamt". Werden Daten innerhalb dieser Stelle „Jugendamt" weitergegeben, handelt es sich nicht um eine Datenübermittlung, sondern um die Nutzung der Daten innerhalb einer Stelle. Hierbei kann die Nutzung der Daten auch den ursprünglichen, unmittelbaren Zweck der Datenerhebung überschreiten, soweit dies für eine andere Aufgabenerfüllung dieser Stelle erforderlich ist (§ 67c Abs. 2 Nr. 1 SGB X). Das bedeutet, dass Daten, die im Rahmen der Kita-Gutscheinerteilung erhoben worden sind (z.B. wo das Kind eine Tageseinrichtung mit welchem Betreuungsumfang besucht), können, falls dies für die Erfüllung von dessen Aufgaben erforderlich ist, an den sozialpädagogischen Dienst weitergegeben werden. Diese Erforderlichkeit ist damit die Begrenzung der Datennutzung innerhalb der Stelle „Jugendamt". Sie bestimmt sich nach der verständigen fachlichen Beurteilung der Aufgaben und daraus folgenden Erforderlichkeiten der beteiligten Organisationsteilbereiche im Jugendamt (bei besonders geschützten Daten gelten darüber hinaus andere Erfordernisse; vgl. Ausführung unter II).

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich dagegen nur auf die Datenerhebung und- Verwendung, die nicht schon auf Grund des internen Gebrauchs zulässig ist.

3. Die Begriffe des Erhebens und der Verwendung (= Verarbeiten und Nutzen) sind in § 67 SGB X selbst definiert.

(5) Erheben ist das Beschaffen von Daten über den Betroffenen

(6) Verarbeiten ist das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen von Sozialdaten.

Im Einzelnen ist, ungeachtet der dabei angewendeten Verfahren

1. Speichern das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von Sozialdaten auf einem Datenträger zum Zwecke ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung, 2 Verändern das inhaltliche Umgestalten gespeicherter Sozialdaten, 3 Übermitteln das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener Sozialdaten an einen Dritten in der Weise, dass

a) die Daten an den Dritten weitergegeben werden oder

b) der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft; Übermitteln im Sinne dieses Gesetzbuches ist auch das Bekanntgeben nicht gespeicherter Sozialdaten,

4. Sperren das vollständige oder teilweise Untersagen der weiteren Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten durch entsprechende Kennzeichnung, 5 Löschen das Unkenntlichmachen gespeicherter Sozialdaten.

(7) Nutzen ist jede Verwendung von Sozialdaten, soweit es sich nicht um Verarbeitung handelt, auch die Weitergabe innerhalb der verantwortlichen Stelle.

4. Datenerhebung ist danach das Beschaffen von Daten über den Betroffenen, d.h. jede Form gezielter Gewinnung personenbezogener Daten durch Befragung oder zweckgerichtete Beobachtung. vgl. Rombach in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 67 Rz 127, 129

-3 Der allgemeine Grundsatz der Erforderlichkeit im Datenschutz gilt auch schon für die Datenerhebung. Die Daten dürfen nur erhoben werden, soweit ihre Kenntnis zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe erforderlich ist (§ 62 Abs. 1 SGB VIII). Eine allgemeine Datenerhebung auf Vorrat ist nicht zulässig. Im Einzelfall kann die Abgrenzung insb. zu „Randdaten" schwierig werden, die voraussichtlich wichtig für die Leistungsdurchführung oder weitere Entscheidungen werden oder werden können. Hier besteht ein gewisser Beurteilungsspielraum, d.h. es ist fachlich zu prüfen, ob diese Daten die fachliche Durchführung ggf. auch indirekt mitberühren oder jederzeit berühren können.

Die Erhebung soll im Regelfall beim Betroffenen erfolgen. Eine Erhebung auf andere Weise ist dann nur zulässig, wenn die Voraussetzungen einer der Fallgruppen des § 62 Abs. 3 SGB VIII vorliegen. „(3) Ohne Mitwirkung des Betroffenen dürfen Sozialdaten nur erhoben werden, wenn

1. eine gesetzliche Bestimmung dies vorschreibt oder erlaubt oder

2. ihre Erhebung beim Betroffenen nicht möglich ist oder die jeweilige Aufgabe ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen erfordert, die Kenntnis der Daten aber erforderlich ist für

a) die Feststellung der Voraussetzungen oder für die Erfüllung einer Leistung nach diesem Buch oder

b) die Feststellung der Voraussetzungen für die Erstattung einer Leistung nach § 50 des Zehnten Buches oder

c) die Wahrnehmung einer Aufgabe nach den §§ 42 bis 48a und nach § 52 oder

d) die Erfüllung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a oder

3. die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden oder

4. die Erhebung bei dem Betroffenen den Zugang zur Hilfe ernsthaft gefährden würde."

Diese Erhebungsbefugnisse sind nicht auf andere Sozialleistungsträger beschränkt, sondern gelten für alle Stellen außerhalb des jeweiligen konkreten Jugendamts, d.h. umfassen und gestatten auch die Erhebung von Daten bei Schule, Polizei und Gesundheitsämtern, wenn die im Gesetz genannten Voraussetzungen vorliegen: § 62 Abs. 3 Nr. 2a) SGB VIII regelt die Ausnahme, dass die Erhebung beim Betroffenen aus objektiven oder subjektiven Gründen nicht möglich ist oder die jeweilige Aufgabe ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen erfordert. Dazu muss die Kenntnis der Daten für die Feststellung der Voraussetzungen oder für die Erfüllung einer Leistung erforderlich sein. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn eine Rückfrage zur Einschätzung einer externen Fachkraft notwendig ist, um über das Vorliegen einer bestimmten Leistungsvoraussetzung abschließend entscheiden zu können.

In der Fallgruppe des § 62 Abs. 3 Nr. 2c) SGB VIII geht es im weitesten Sinne um Schutz- und Kontrollaufgaben des öffentlichen Trägers, deren Art typischer Weise auch eine Datenerhebung bei Dritten erfordert (z.B. eine Datenerhebung beim Träger der freien Jugendhilfe, der Inobhutnahme durchführt, um nähere Umstände der Inobhutnahme zu ermitteln). Einbezogen ist jetzt auch die Aufgabe der Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz, so dass auch hierfür eine Datenerhebung bei anderen Stellen zulässig ist (z.B. bei Trägern, bei denen bereits vorher Weisungen nach § 10 JGG durchgeführt worden sind, was in die aktuelle Stellungnahme der JGH in einem neuen Verfahren einfließen soll).