Sozialdaten

Zusammenfassung für allgemeine Sozialdaten (d.h. nicht im Sinne von § 65 SGB VIII anvertraute bzw. nicht besonders im Sinne von § 203 Abs. 1 oder 3 StGB geheimnisgeschützte Daten).

Die Daten sind beim Betroffenen unter Offenlegung des Verwendungszwecks zu erheben; eine vereinfachte Datenerhebung bei anderen Stellen kann insb. als Alternative in Betracht kommen, wenn der Betroffene hierin keine Interessenverletzung sehen kann. Die erhobenen Daten können ohne weiteres in der jeweiligen Stelle (Jugendamt) bei Leistungen/Maßnahmen nach SGB VIII verwandt werden. Soweit darüber hinaus eine Verwendung, einschließlich der Übermittlung an Personen, die im Jugendamt Aufgaben erledigen, die nicht auf dem SGB VIII beruhen oder an Personen außerhalb des Jugendamtes, erfolgen soll, ist eine besondere gesetzliche Ermächtigung erforderlich, sofern nicht die Einwilligung des Betroffenen schriftlich vorliegt oder eine Anonymisierung oder Pseudonymisierung möglich ist. Eine oft in Betracht kommende Übermittlungsbefugnis stellt § 69 SGB X dar, soweit die empfangende Stelle eine Stelle im Sinne des § 35 SGB I (nämlich eine Sozialleistungen gewährende Behörde) ist und die Jugendhilfeleistung nicht durch die Übermittlung in Frage gestellt wird (§ 64 Abs. 2 SGB VIII). Darüber hinaus können solche Daten auch weitergeben werden, wenn sogar besonders geschützte Daten in diesem Fall weitergegeben werden könnten. Für den Bereich der Amtsvormundschaft, pflegschaft und der Beistandschaft gelten nur die Regelungen des § 68 SGB VIII.

II. Besondere Regelungen für anvertraute (§ 65 SGB VIII) / besonders geheimnisgeschützte (§ 203 Abs. 1 oder 3 StGB) Sozialdaten

1. Bestimmte Daten stehen unter einem erhöhten Schutz vor einer Weitergabe ohne die Zustimmung des Betroffenen, dass heißt die oben bei I. beschriebenen Datenschutzregelungen finden in diesen Fällen nur ergänzende Anwendung.

Dies betrifft Daten, die gemäß § 65 SGB VIII anvertraut worden sind oder einer Fachkraft in Ausübung eines besondern geheimhaltungsverpflichteten Berufes im Sinne des § 203 Abs. 1 oder 3 StGB mitgeteilt worden sind.

2. § 65 SGB VIII regelt den Fall, dass Daten, die zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut wurden, weitergegeben werden sollen. Dabei macht das Gesetz deutlich, dass dies nur in bestimmten Ausnahmefällen geschehen darf.

3. Diese Einschränkungen gelten auch, wenn die Verwendung / Weitergabe dieser Daten innerhalb der Stelle (Jugendamt) schon bei der Erhebung nahe gelegen hat.

Der funktionelle Stellenbegriff wird hier eingeschränkt und auf die Datenbewahrung beim einzelnen Mitarbeiter (individuelle Verantwortlichkeit) abgestellt. Daher ist bei einem Gespräch, in dem Daten anvertraut werden, deren Nutzung die Offenlegung gegenüber anderen erfordert (z.B. um einen Antrag zu stellen), zugleich die Einwilligung zur weiteren Nutzung / Weitergabe zu diesem Zweck mit einzuholen. Ansonsten bedarf es einer entsprechenden Nachholung vor der Weitergabe.

4. Anvertraut werden Daten nicht nur, wenn diese unter dem geäußerten Vorbehalt der Verschwiegenheit mitgeteilt werden. Es reicht, wenn aus dem Zusammenhang erkennbar ist, dass der Mitteilende von der Verschwiegenheit ausgeht, d.h. Einblicke vermittelt werden, die verwehrt geblieben wären, wenn der Mitteilende von der Weitergabe hätte ausgehen müssen. Es wird hier ein besonderes Klientenverhältnis vorausgesetzt, welches aus der Sicht des Betroffenen einen Rahmen des Vertrauens voraussetzt.

Während es sich bei den Informationen, die während eines Gesprächs in einer EFB gegeben werden, grundsätzlich um anvertraute Daten handelt, gehören dagegen Datenerhebungen bei rein administrativen Verwaltungsabläufen (z.B. bei der Datenerhebung durch Antragsstellung für einen sog. Kita-Gutschein) nicht in diese Kategorie.

5. Bei einer Einwilligung zur Weitergabe nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII ist die Einwilligung des „Anvertrauenden" erforderlich. Das bedeutet, dass auch wenn eine Mitteilung über einen Dritten gemacht wird, der Mitteilende einwilligen muss, obwohl (nur) der Dritte betroffen ist.

6. Die Ausnahmetatbestände, in denen ohne Einwilligung die anvertrauten Daten weitergegeben werden können, sind in § 65 Abs. 1 Nr. 2-5 SGB VIII geregelt. Nr. 2-4 sind unter dem Erfordernis der Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII zu betrachten. Deshalb wird hierauf bei IV. eingegangen.

Gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII dürfen Daten weitergegeben werden, wenn dies auch Personen erlaubt wäre, die auf Grund ihres Berufes durch § 203 Abs. 1 oder 3 StGB zu einem besonderen Geheimnisschutz verpflichtet sind.

Auch diese Personen dürfen Daten ohne Zustimmung weiter geben, wenn dies zur Abwendung geplanter schwerer Straftaten im Sinne des § 138 StGB dient oder Anzeigepflichten zur Verhütung von Seuchen und ansteckenden Krankheiten erfüllt werden, weil diese Anzeigepflichten die Befugnis zur Weitergabe beinhalten.

Eine Offenbarungsbefugnis gegenüber den Gerichten ist gegeben, wenn kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO oder §§ 383 oder 384 ZPO besteht (§ 65 SGB VIII gibt kein persönliches Zeugnisverweigerungsrecht). Somit besteht auch für diese Personen die uneingeschränkte Aussagepflicht vor Gericht.

Der Verweis auf § 203 Abs. 1 und 3 StGB bewirkt, dass auch die Mitarbeiter der Jugendämter, die nicht den spezifischen Berufsgruppen angehören, den gleichen eingeschränkten Übermittlungsbefugnissen unterliegen, wie dies der Fall wäre, wenn sie selbst unmittelbar dem zum Geheimnisschutz nach § 203 Abs. 1 StGB verpflichteten Personenkreis angehören würden.

7. Die Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 oder 3 StGB soll primär das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe schützen, ohne welches diese ihre im Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgaben nicht oder nur unvollkommen erfüllen könnten.

Der Begriff des in § 203 StGB geschützten Privatgeheimnisses ist relativ weit gefasst, dennoch enger als das in § 35 SGB I geschützte Sozialgeheimnis. Unter Geheimnisse im Sinne des § 203 StGB sind Tatsachen zu verstehen, die nur einem

Rombach in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 65 Rz. 3 einzelnen oder einem beschränkten Personenkreis bekannt sind, und an deren Geheimhaltung der Betroffene (Geheimnisgeschützte) ein schutzwürdiges Interesse hat.

Die besondere Verpflichtung zum Schutz von Sozialdaten kann daher sowohl nach § 65 SGB VIII, auf Grund der Anvertrautheit der Daten und zugleich nach § 203 StGB / § 53 StPO auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe vorliegen.

Im Jugendhilfebereich sind folgende Personen in Ausübung ihres Berufsbildes schweigepflichtig:

- die Berufspsychologen, Psychotherapeuten im Sinne des PsychthG

- die in der Ehe-, Familien-, Erziehungs-, Jugend - und Suchtberatung tätigen Personen

- die staatlich anerkannten Sozialarbeiter/Sozialpädagogen.

Offenbarungsbefugnisse bestehen insbesondere

a) Im Falle einer Einwilligung des oder der Betroffenen,

b) im Rahmen der Zeugnispflicht vor Gericht (soweit nicht ausnahmsweise zugleich ein persönliches Zeugnisverweigerungsrecht vorliegt; vgl. hierzu Ausführungen unter V)

c) auf Grund von § 138 StGB (Anzeige besonders schwerer, dort aufgezählten Straftaten),

d) auf Grund von § 34 StGB (rechtfertigender Notstand),

e) auf Grund von § 65 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4 SGB VIII.

8. Zu beachten ist, dass § 76 SGB X den verstärkten Schutz in den Bereich der Sozialverwaltung hinein verlängert: Sind einer Stelle personenbezogene Daten von einer der in § 203 Abs. 1 oder 3 StGB genannten Personen zugänglich gemacht worden, so darf eine weitere Offenbarung durch die Stelle wieder nur unter den Voraussetzungen erfolgen, unter denen die nach § 203 Abs. 1 oder 3 StGB schweigepflichtigen Personen selbst offenbarungsbefugt wären.

9. Soweit es sich um den Personenkreis des § 203 Abs. 2 StGB handelt, d.h. um Amtsträger (vgl. § 11 StGB) und sonstige Amtsnahe, gelten dagegen auch die allgemeinen Datenschutzregelungen, d.h. auch die Übermittlungsbefugnisse des SGB VIII und SGB X, soweit es sich nicht um diesen Personen anvertraute Daten im Sinne des § 65 SGB VIII handelt. Zu beachten ist allerdings, dass für Sozialarbeiter und Psychologen, die auch Amtsträger nach Absatz 2 sind, sich nicht etwa auf die weniger restriktive Verschwiegenheitspflicht nach § 203 Abs. 2 StGB berufen können, wenn für sie bereits der stärkere Geheimnisschutz nach Absatz 1 gilt.

10. Soweit Fachkräfte unter den (direkten) Anwendungsbereich des § 203 StGB fallen, haben diese damit nicht zugleich ein persönliches Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht. Hierbei ist zu beachten, dass die Personenkreise des § 203 StGB mit denen, die nach StPO/ZPO ein Zeugnisverweigerecht besitzen, nicht identisch sind.

So umfasst § 53 StPO nicht die Sozialarbeiter/Sozialpädagogen und auch nicht allgemein die Ehe-, Familien-, Erziehungs-, Jugendberater (vgl. hierzu auch Ausführungen unter V.).