Jugendamt

Für die Verhaltensweisen in Kindesschutzfällen gelten dort ebenfalls die Ausführungen, die unten bei IV. folgen.

12. Sofern Gutachten nicht nur Bewertungen, sondern auch Tatsachen enthalten, die als Privatgeheimnisse zu klassifizieren sind, muss auch hier bei der Weiterleitung die Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 oder 3 StGB und § 65 SGB VIII beachtet werden, die gerade bei spezifisch pädagogischen Gutachten unter Befragung von Kindern und Erziehungsberechtigten vorliegen werden. Ein Offenbarungsrecht kann weder aus der Pflicht zur Amtshilfe noch aus dem Gesichtspunkt, dass in Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe gehandelt wird, gerechtfertigt sein.

Daraus folgt, dass grundsätzlich vor, spätestens nach der Anfertigung des Gutachtens die Einwilligung des Klienten bzgl. der Weitergabe an andere Stellen und Personen eingeholt werden muss. Mindestens ist der Klient vor einer Befragung, an die sich ein Gutachten anschließen soll, davon zu unterrichten, dass alle Angaben, die er macht, für eine gutachterliche Stellungnahme verwertet werden und dies aktenkundig zu machen.

Dies folgt auch aus § 76 Abs. 2 SGB X. Soll einer Stelle im Zusammenhang mit der Erbringung von Sozialleistungen oder wegen der Ausstellung einer Bescheinigung ein Gutachten von einem Arzt oder einem Sozialarbeiter zugänglich gemacht werden, so ist vor einer Weiterleitung nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X der Betroffene vom Gutachter über das Gutachten (unter Beachtung des § 25 Abs. 2 SGB X) zu informieren. Diese Informationspflicht ergibt sich zwingend aus einem dem Betroffenen gem. § 76 Abs. 2 Satz 2 SGB X eingeräumten Recht, der Offenbarung zu widersprechen.

In besonders gelagerten Einzelfällen könnte allenfalls geprüft werden, ob im Interesse des Kindeswohls die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands gem. § 34 StGB vorliegen. Selbst in diesen Fällen ist zu prüfen, in welchem Umfange die Weitergabe zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist.

Zwischenergebnis für anvertraute und/oder geheimnisgeschützte Daten Daten, die nach § 65 SGB VIII anvertraut worden sind und/oder in der Berufsausübung einer in § 203 Abs. 1 oder 3 StGB genannten Berufsgruppe erhoben worden sind, dürfen nicht in gleicher Weise innerhalb einer Stelle weitergegeben werden, wie dies bei anderen Daten der Fall ist. Der Schutzbereich der Daten ist hier nicht auf die Stelle „Jugendamt" ausgerichtet, sondern auf die Person, der die Daten offenbart worden sind. Es bedarf einer ausdrücklichen Einwilligung durch die Betroffenen in eine Weitergabe an andere Personen, egal ob innerhalb oder außerhalb des Jugendamtes, soweit nicht eine besondere gesetzliche Befugnis vorliegt. Diese besondere gesetzliche Befugnis kann sich insbesondere in Kindesschutzfällen ergeben (vgl. hierzu unten IV.). Auf die abweichende Sonderregelung des § 68 SGB VIII für den Bereich der Amtsvormundschaft, -pflegschaft und Beistandschaft wird hingewiesen (siehe oben I.9). -11 III. Hilfeplanverfahren

1. Auch für die Hilfeplanung gelten die für die Jugendhilfe speziellen datenschutzrechtlichen Vorschriften der §§ 61ff SGB VIII und ergänzen die allgemeinen Regelungen der §§ 67ff SGB X und § 35 SGB I. Ebenso sind auch bei der Hilfeplanung die § 203 StGB und § 65 SGB VIII von den in der Hilfeplanung zusammenkommenden Fachkräften zu beachten.

2. Soweit in den verschiedenen Phasen der Hilfeplanung ­ so ggf. in den Hilfeplankonferenzen / Teamberatungen - Personen zusammenkommen, die nicht alle der Stelle „Jugendamt" angehören (z.B. Vertreter der Schule, des Gesundheitsamtes oder auch freie Träger einbezogen werden), gelten die gleichen Regelungen für eine Datenoffenlegung in dieser Runde, wie bei einer herkömmlichen Datenübermittlung, da die Daten die „Stelle" Jugendamt verlassen.

3. Daher ist vor einem Gespräch, in dem besonders geschützte Daten im Sinne der Ausführungen unter II. offenbart werden, weil deren Nutzung erforderlich ist, zugleich die Einwilligung zur weiteren Nutzung (beschränkte Offenlegung) in der Hilfeplanung einzuholen. Ansonsten bedarf es einer Nachholung, die bei Anwesenheit des Betroffenen in der Hilfeplanung vor Ort selbst ­ mündlich „zu Protokoll" ­ geschehen kann.

Datenschutzrechtliche Bedenken stehen damit einer fachlich fundierten Hilfeplanung regelmäßig nicht im Wege, wenn die Leistungsadressaten während des gesamten Hilfeprozesses einbezogen werden und damit auch über die „Datentransfers" informiert sind. Es handelt sich qua Gesetz um ein kooperatives Verwaltungshandeln, bei dem die Partner gleichermaßen die Problemlösung beeinflussen können.

Soweit es im Rahmen der Hilfeplanung auf eine konkrete Einwilligung für eine gezielte Datenoffenlegung ankommt, d.h. diese für die weitere Hilfeplanung unbedingt erforderlich ist, kann insoweit auch auf die Mitwirkungspflicht des Hilfeempfängers nach § 60 SGB I hingewiesen werden. Den Betroffenen ist auch zu verdeutlichen, dass die Daten innerhalb des Hilfeplanverfahrens nur soweit wie es erforderlich ist, anderen mitgeteilt werden und die Datenempfänger selbst der Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Bei Bedenken kann zumindest auf eine begrenzte Einwilligung hingewirkt werden, so dass die Zustimmung zu einer Offenlegung nur gegenüber konkret bestimmten Personen erteilt wird.

4. Problematisch bei der Vertretung der Kinder und Jugendlichen durch die Personensorgeberechtigten bei einer Einwilligung der Offenlegung der vom Kind anvertrauten Daten kann es sein, dass sich die Eltern untereinander nicht einig sind. Dies muss ggf. sogar familiengerichtlich geklärt werden, wenn hieran die erforderliche Hilfeplanung scheitern würde, aber eine Leistung für das Kindeswohl erforderlich ist.

5. Soweit eine erforderliche Einwilligung zur Offenlegung von Daten nicht erreicht werden kann, aber die „eingeweihte" Fachkraft einschätzen kann, dass eine der diskutierten Hilfen nicht geeignet ist, sollte sie sich bemühen, den anderen Teammitgliedern allgemein den Grund dafür zu erklären, ohne geschütztes Wissen preiszugeben.

6. Eine Einwilligung ist nicht erforderlich, wenn ausnahmsweise im Hilfeplanverfahren eine Anonymisierung oder Pseudoanonymisierung möglich ist (z.B. bei Einholung -12einer externen Stellungnahme). Dies wird allerdings in der Praxis regelmäßig nicht in Frage kommen, da die Hilfeplanung notwendiger Weise auf spezifische Personen und nicht zuletzt auch auf deren unmittelbare Einbeziehung zielt.

7. Können Daten dennoch nicht ­ auch nicht allgemein - eingebracht werden und kann deshalb eine geeignete Hilfe nicht erbracht werden, ist regelmäßig das Familiengericht anzurufen, um die notwendigen Sorgerechtseinschränkungen zu erreichen, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet bzw. eine solche Gefährdung zu vermuten ist (§ 1666 BGB).

8. Soweit sich in der Hilfeplanung herausstellt, dass ein Kinderschutzfall vorliegt oder ein begründeter Verdacht für eine solche Annahme besteht, sind die hierfür spezifischen Befugnisnormen zu prüfen (vgl. unter IV.). Daher kann auch in der Hilfeplanung unmittelbar ein Stadium eintreten, in dem ohne Zustimmung der oder des Betroffenen eine Offenlegung der Kenntnisse erforderlich wird.

9. Auch im Rahmen der Hilfeplanung selbst kommt es zu einer Erhebung von Daten.

Die Regelungen zur Zweckbindung und Erforderlichkeit gelten auch hier. Für die Hilfeplanung ist allerdings regelmäßig eine möglichst umfassende Datenerhebung erforderlich und auch zulässig, um die letztendliche Hilfe zu bestimmen und keine relevanten Gesichtspunkte zu übersehen, die für die Entscheidung und Ausgestaltung einer individuell erforderlichen Hilfe wichtig sein könnte.

Fazit Hilfeplanung und Datenschutz

Im Rahmen einer fachlich hinreichend vorbereiteten Hilfeplankonferenz und der Einbeziehung der Betroffenen bestehen im Regelfall keine Datenschutzbedenken. Ohne Einwilligung der Betroffenen oder besonderer Befugnisnorm können allerdings auch nicht-anvertraute / nicht-geheimnisgeschützte Daten im Rahmen der Hilfeplanung nur ausgetauscht werden, soweit es sich bei den Empfängern nur um Mitarbeiter der Stelle „Jugendamt" handelt. Bei anvertrauten Daten oder Daten, die im Sinne von § 203 Abs. 1 oder 3 StGB geschützt sind, bedarf es einer Einwilligung der Betroffenen, sofern keine besonderen Übermittlungsbefugnisse vorliegen, die z. B. im Rahmen eines Kinderschutzfalles vorliegen. Die Einwilligung kann auch im Rahmen der Hilfeplankonferenz mündlich erteilt werden oder im Vorfeld allgemein zur zweckentsprechenden Verwendung für die Hilfeplanung und Hilfeleistung ausgesprochen werden. (Letzteres sollte schriftlich geschehen.)

IV. Kinderschutz und Datenschutz - Auswirkungen des § 8a SGB VIII

1. § 8a Abs. 1 SGB VIII ist im datenschutzrechtlichen Sinne keine Befugnisnorm, sondern beschreibt nur die Aufgabe „Kinderschutz" für die öffentliche Jugendhilfe.

Hiervon zu trennen sind die Befugnisnormen, die die Erlaubnis zur Datenweitergabe in diesen Kinderschutzfällen enthalten. Kinderschutzfälle beziehen sich gemäß § 8a SGB VIII auf Kinder und Jugendliche (also auf alle Minderjährigen)

2. Allerdings stellt § 8a SGB VIII nunmehr klar, dass wenn eine Befugnis zur Weitergabe besteht und diese Weitergabe zum Schutz von Minderjährigen notwendig ist, d.h. ein konkreter, begründeter Verdacht einer Kindeswohlgefährdung vorliegt, auch eine Verpflichtung zur Weitergabe besteht.