Kinder- und Jugendhilfeleistung

Eine Nichtweitergabe könnte einen Verstoß gegen eine strafrechtliche Garantenpflicht bedeuten. Auch daher ist die Einhaltung der Standards, wie sie für Berliner Jugendämter in den Empfehlungen zur Umsetzung von § 8a SGB VIII dargestellt sind, von großer Wichtigkeit.

3. Auch hier ist zwischen besonders geschützten Daten (vgl. oben bei II.) und anderen Daten (vgl. oben bei I.) zu unterscheiden.

- Daten die nicht anvertraut oder nicht nach § 203 Abs. 1 oder 3 StGB geheimnisgeschützt sind, dürfen innerhalb der Stelle (Jugendamt) umfassend auch ohne Einwilligung des Betroffenen weitergegeben werden, wenn diese zum Zweck der Abschätzung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt oder für eine Entscheidung über das weitere Vorgehen benötigt werden.

- Solche Daten können ebenfalls einer anderen Stelle außerhalb des Jugendamtes im für die Aufgabenerfüllung nach § 8a SGB VIII erforderlichen Umfang offenbart werden (§ 69 SGB X), soweit es sich um eine Stelle handelt, die zum Kreis der in § 35 SGB I genannten Stellen gehört (z.B. von einem Jugendamt zu einem anderen).

Allerdings ist zu anonymisieren oder pseudonymisieren, soweit dies möglich ist (§ 64 Abs. 2a SGB VIII). Sofern z. B. ein Jugendamt bei einem anderen Jugendamt bezüglich vorliegender Informationen über eine Familie nachsucht, ist dies ohne Namensnennung nicht möglich. Deshalb ist eine Namensnennung dann auch zulässig. § 64 Abs. 2 SGB VIII, wonach eine Datenübermittlung nach § 69 SGB X unzulässig ist, wenn dadurch der Erfolg einer laufenden Kinder- und Jugendhilfeleistung in Frage gestellt wird, liegt nur dann vor, wenn diese Leistung auch die (jetzt zusätzlich vermutete) Kindeswohlgefährdung hinreichend und erfolgreich berücksichtigen würde.

Sofern nur eine externe Einbeziehung zur Sicherstellung des „Vier- Augen- Prinzips" verfolgt wird, ist die Anonymisierung/Pseudonymisierung dagegen der Regelfall.

- Zu einer Erhebung von solchen Daten ist das Jugendamt im Rahmen seiner Aufgabe nach § 8a SGB VIII gemäß § 62 Abs. 3d SGB VIII ebenfalls über den Kreis der in § 35 SGB I genannten Stellen hinaus befugt, dass heißt es kann solche Daten beim Träger der freien Jugendhilfe oder sonstigen Leistungserbringern oder auch bei anderen Stellen (Schule, Polizei) gezielt erheben. Soweit bei der Anfrage Daten übermittelt werden müssen (z.B. zur Identifizierung des Betroffenen), ist dies als notwendiger Bestandteil der zulässigen Datenerhebung anzusehen.

Die Übermittlung von Daten an die Polizei im erforderlichen Umfang ist nach den Vorgaben des § 8a Abs. 4 SGB VIII zulässig. Dies ist auch der Fall, wenn im Rahmen der Amtshilfe die Polizei bei Hausbesuchen eingeschaltet werden muss, da ein erster Hausbesuch trotz Verdachts nicht durchführbar war (Zutritt wurde nicht gewährt) oder spezifische Gefahrenmomente auch für die den Hausbesuch durchführenden Mitarbeiter/innen vorliegen. § 8a Abs. 4 SGB VIII verdeutlicht durch seine Aufgabenbeschreibung die in § 68 Abs. 1 SGB X enthaltene Befugnis für eine Übermittlung.

- Gleiches gilt für eine Übermittlung von solchen Daten an das Familiengericht im Falle des § 8a Abs. 3 SGB VIII. Sofern es unbedingt nötig ist, dürfen dem Familien-14oder Vormundschaftsgericht sogar anvertraute Daten offenbart werden (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).

4. Die Übermittlung von anvertrauten und/oder geheimnisgeschützten Daten im Sinne des § 203 Abs. 1 oder 3 StGB ist nur in engen Grenzen möglich.

Zunächst gilt auch hier, dass sich der geschützte Bereich auf die jeweilige Person bezieht, der gegenüber die Daten offengelegt worden sind. Daten, die im Sinne des § 65 SGB VIII anvertraut worden sind, können danach weitergegeben werden:

- bei einer Einwilligung des Betroffenen nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII,

- bei einer Notwendigkeit einer Einschaltung des Vormundschafts- oder Familiengerichtes nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII,

- bei einer neuen Zuständigkeit innerhalb eines Jugendamtes oder zwischen mehreren Jugendämtern, wenn diese Daten für die Darstellung eines Gefährdungsrisikos erforderlich sind (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII),

- an andere Fachkräfte, die zum Zwecke der Abschätzung des Gefährdungsrisikos hinzugezogen werden (falls ausnahmsweise nicht anonymisierbar oder pseudonymisierbar) nach § 65 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII. Die Übermittlung ist auch an Fachkräfte bei freien Trägern, der Polizei etc. möglich, da diese Befugnis nicht auf den Kreis der Stellen nach § 35 SGB I beschränkt ist, sondern ausschließlich darauf abstellt, ob die Übermittlung dem Zweck „Abschätzung des Gefährdungsrisikos" dient und der Empfänger eine erfahrene Fachkraft ist,

- in den Fällen, in denen auch Personen, die unter die direkte Anwendung des § 203 Abs. 1 oder 3 StGB fallen, Daten weitergeben können (insbesondere nach § 34 StGB, was im folgenden Absatz näher erläutert wird). Personen, die zum Kreis der gemäß § 203 Abs. 1 oder 3 StGB verpflichteten Personen gehören, können die Daten weiter geben, wenn

- ein Fall des rechtfertigenden Notstandes nach § 34 StGB vorliegt. Dieser ist anzunehmen, wenn die Gefahr einer wesentlichen Beeinträchtigung des Kindeswohls gegenwärtig ist, d.h. wenn die natürliche Weiterentwicklung der gegebenen Sachlage jederzeit in einen Schaden umschlagen kann. Hierbei muss eine konkrete Gefahr vorliegen und die Datenübermittlung ein geeignetes Mittel sein, um Maßnahmen gegen die Gefahr einzuleiten und auch kein milderes Mittel gegeben ist, z. B. weil die Einsicht der Sorgeberechtigten in die Notwendigkeit der Hilfeannahme fehlt. Die Gefahr muss von den Eltern nicht verschuldet sein. Schuldhaftes Handeln ist keine Voraussetzung für die Annahme eines rechtfertigenden Notstandes, sondern nur das Vorliegen einer gefährlichen Entwicklung.

- eine Befugnis zur Datenweitergabe nach § 65 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 SGB VIII vorliegt. In diesen Fallgruppen enthält § 65 SGB VIII selbst eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis, die auch für den Personenkreis im Sinne des § 203 Abs. 1 oder 3 StGB eingreift. Insoweit liegt eine Überschneidung mit der „klassischen" (strafrechtlichen) Befugnisnorm des § 34 StGB vor.

Soweit eine Befugnis zur Weitergabe von Daten vorliegt, ist damit regelmäßig für die Aufgaben nach § 8a SGB VIII eine Verpflichtung zum Handeln einschließlich der dafür notwendigen Datenweitergabe verbunden.

Regelungen zur Aufgabenerfüllung nach § 8a SBG VIII

Das Jugendamt kann bei Verdacht überall Daten erheben (freier Träger, Polizei, Schule etc.). Nicht besonders geschützte Daten können in der Stelle „Jugendamt" umfassend ausgetauscht werden. Die Polizei kann im erforderlichen Umfang z. B. zur Unterstützung von Hausbesuchen einbezogen werden. Die Einbeziehung erfahrener Fachkräfte zur Gefahrenabschätzung kann auch durch Rückgriff auf außenstehende Stellen (insbesondere Träger der freien Jugendhilfe) erfolgen, wobei regelmäßig von der Möglichkeit einer Pseudonymisierung Gebrauch zu machen ist.

Anvertraute Daten oder geheimnisgeschützte Daten können im notwendigen Umfang ebenfalls zur Gefahrenabschätzung oder zu weiteren Veranlassung übermittelt werden, wenn die Gefahr nicht anders beseitigt werden kann. Soweit eine Befugnis zu Übermittlung besteht, ist damit zugleich eine Handlungspflicht verbunden.

V. Unterschied freie Träger und öffentlicher Träger, Aussagegenehmigung

1. Die Anwendung der vorstehenden Datenschutzregelungen sind für die Träger der freien Jugendhilfe auf Grund von § 61 Abs. 3 (früher Abs. 4) SGB VIII in Verträgen vereinbart (BRVJ, TAG ­ RV, EFB-RV). Deshalb hat der jeweilige Träger gleichwertige Standards sicherzustellen, auch wenn für diesen unmittelbar zunächst nur das Bundesdatenschutzgesetz gilt (Hauck/Noftz Anm. 22 zu § 61 SGB VIII). Das bedeutet, dass der Träger auch gegenüber dem Jugendamt die Daten nur dann weitergeben darf, wenn dies auch für ein Jugendamt zulässig wäre (auch § 69 SGB X gilt auf dieser Grundlage entsprechend).

2. Darüber hinaus hat der Träger der freien Jugendhilfe in Vereinbarungen mit dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe im Bereich des Kinderschutzes nach § 8a SGB VIII die Einhaltung entsprechender Verfahren sicherzustellen. Daher hat auch der freie Träger das Verfahren zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos, wie es sich aus § 8a Abs. 2 SBG VIII ergibt, sicherzustellen. Soweit die Voraussetzungen vorliegen (keine Annahme ausreichender Hilfen durch die Betroffenen oder sogar eine sofortige Handlungsnotwendigkeit) ist der Träger berechtigt und verpflichtet, das Jugendamt zu informieren. In der jeweils einschlägigen Vereinbarung (vgl. bei V.1.) in Verbindung mit § 8a Abs. 2 SGB VIII ist eine zwingende Vorgabe für das Verfahren zu sehen, zu der sich die Übermittlungsbefugnis aus § 62 Abs. 3 Nr. 2d SGB VIII (Erhebungsbefugnis des Jugendamtes) als Reflex ergibt. Es muss dabei allerdings auch § 65 SGB VIII und/oder § 203 StGB beachten werden, d.h. für die Weitergabe dieser Daten bedürfen die Mitarbeiter/innen des freien Trägers der gleichen besondern Befugnisse, wie es für Mitarbeiter im Jugendamt notwendig wäre (vgl. oben bei IV.4.).

3. Ein Unterschied besteht darin, dass die Mitarbeiter des öffentlichen Trägers selbst dann zunächst nicht als Zeuge vor Gerichten aussagen dürfen, wenn sie kein persönliches Zeugnisverweigerungsrecht haben. Hier bedarf der öffentlich Bedienstete zuvor einer Aussagegenehmigung der hierfür zuständigen Stelle.