Die Wahrnehmung des Wächteramtes für das Kindeswohl ist Aufgabe des Jugendamtes

2. Allgemeine Zuständigkeit und Aufgabenwahrnehmung

Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst einerseits und das Jugendamt andererseits nehmen gesundheitsbezogene bzw. sozialpädagogisch definierte Beratungs- und Betreuungsaufträge mit dem Ziel der Gewährleistung von Kindeswohl wahr.

Die Wahrnehmung des Wächteramtes für das Kindeswohl ist Aufgabe des Jugendamtes. Das Jugendamt stellt im Rahmen seiner sozialpädagogischen Arbeit den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung gem. § 8a SGB VIII sicher.

Im Jugendamt und im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst werden zur Sicherstellung einer verlässlichen Zusammenarbeit und Erreichbarkeit jeweils verbindliche Zugangswege und zur Klärung von Verantwortlichkeiten Ansprechpartner/innen (Koordinierung Kinderschutz) benannt. Diese sind auch einzubeziehen, soweit es bezüglich der konkreten Durchführung oder Prüfung von Maßnahmen einer Klärung von Verantwortlichkeiten bedarf.

3. Aufgaben und Zuständigkeiten des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes

Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst arbeitet im multiprofessionellen Team vorrangig gesundheitlich präventiv und leistet seine Aufgaben in einer umfassenden, ganzheitlichen, gesundheitsbezogenen Weise auf der Grundlage des § 8 GDG. Zentrale Aufgabe ist die primäre Prävention zur Vermeidung gesundheitlicher und sozialer Beeinträchtigungen, d.h.:

- Kontaktaufnahme zu jeder Familie nach Geburt eines Kindes

- Durchführung von Ersthausbesuchen nach jeder Geburt eines ersten Kindes und im übrigen wenn Risikoindikatoren vorliegen

- Bereitstellung und Sicherung eines gesundheitsbezogenen und unterstützenden Angebotes für Schwangere und junge Eltern, unter Einbeziehung des Jugendamtes und der sonstigen Kooperationspartner/innen im Sozialraum

- Beratung, Unterstützung und Begleitung von Eltern von Säuglingen, insbesondere wenn in der Familie Risikofaktoren vorliegen, die die körperliche, seelische und soziale Entwicklung des Kindes gefährden können

- Entwicklungsberatung

- Hilfen, wenn frühe Eltern-Kind Interaktionen schwierig sind

- Beratung und Unterstützung bei psychosozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Problemen

- Bearbeitung von Räumungsklagen, sofern in der Familie außer dem Säugling keine weiteren Kinder leben bzw. keine Jugendhilfemaßnahmen anstehen.

Die Kooperationspartner/innen sind sich darüber einig, dass im Rahmen vorgenannter Aufgabenwahrnehmung die Information von Müttern und Vätern über Leistungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII), insbesondere der sonstigen Hilfen gem. § 19 (Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder), § 20 (Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen) und der Hilfen zur Erziehung gem. § 27 ff SGB VIII ­ sowie Beratung der Eltern(teile) zur Erlangung dieser Leistungen ­ einschließen soll.

Die gesundheitliche Betreuung von Kindern und deren Familien umfasst auch die Feststellung von Gefährdungstatbeständen sowie die Koordination mit und Unterstützung bei Hilfeleistungen durch das Jugendamt (fallzuständige Fachkraft).

Die Aufgabenstellung des Jugendamtes gem. § 8a, § 36 SGB VIII und § 50 SGB VIII bleibt unberührt.

Eine Einbeziehung des Jugendamtes (RSD, ggf. die Behindertenhilfe) erfolgt, wenn

- Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz notwendig erscheinen

- Hinweise auf mögliche Gefährdung des Kindeswohls vorliegen

- dessen Mitwirkung nach § 50 SGB VIII erforderlich ist.

4. Vermittlung gesundheitsprophylaktischer Bedarfe durch das Jugendamt an den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst

Das Jugendamt informiert den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst unverzüglich über gesundheitsprophylaktische Bedarfe von Kleinkindern sowie über den Informationsbedarf der betroffenen Mütter und Väter zu gesundheitsprophylaktischen Fragen.

Über erforderliche Anträge gem. § 8a Abs. 4 SGB VIII an das Familiengericht, die minderjährige Kinder betreffen, informiert das Jugendamt seine Koordinierung Kinderschutz und die Koordinierung Kinderschutz des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes.

5. Federführung in der Fallbearbeitung (Fallverantwortlichkeit)1

Ein Wechsel der Federführung in der Fallbearbeitung vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst an das Jugendamt erfolgt in verbindlicher Absprache,

- sofern Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung des Kindeswohls bestehen

- wenn im Vordergrund der Unterstützung Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe stehen

- wenn in der Familie weiterer sozialpädagogischer Handlungsbedarf zum Wohle des Kindes besteht

- wenn Aufgaben nach dem SGB VIII wahrzunehmen sind.

Der Wechsel der Fallverantwortlichkeit erfolgt in Anlehnung an den § 36 SGB VIII entweder durch eine Fallbesprechung/Hilfekonferenz ­ Beratung der Fachkräfte über das Zusammenwirken beim weiteren Verfahren - oder durch einen Abgabebericht -zusammenfassende Dokumentation. Darin ist der vorangegangene Dialog mit der Familie zu dokumentieren. Die jeweilige Koordinierung Kinderschutz des Jugendamtes bzw. des KJGD ist über die Abgabe zu informieren.

Über den Wechsel der Fallverantwortlichkeit vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst im Hinblick auf den Beratungsauftrag gegenüber Müttern und Vätern und die Sorge um das Wohl von Kindern zum Jugendamt treffen die Bezirksämter die entsprechenden Vereinbarungen. Hierbei kann auch für eine regelmäßige Abgrenzung auf ein bestimmtes Kindesalter abgestellt werden, wobei Abweichungen von einer solchen Regelannahme unberührt bleiben müssen.

Bezüglich der Sicherung der gesundheitsprophylaktischen Versorgung der Kinder und Jugendlichen und der allgemeinen fachlichen Unterstützung im Sinne des GDG bleibt die Zuständigkeit des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes jedoch darüber hinaus bestehen.

In jedem Fall ist sicherzustellen, dass Abstimmungsprozesse die unverzüglich erforderlichen Maßnahmen nicht verzögern. Sofern es hier nicht zu einer sofortigen Klärung kommt, ist eine vorläufige Fallzuständigkeit zwischen der Leitung des Jugendamtes und der Leitung des KJGD abzustimmen.

6. Dokumentation

Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst erfasst die Gefährdungsmeldungen, die ohne Beteiligung des Jugendamtes bearbeitet werden, und leitet sie seiner Koordinierung Kinderschutz zeitnah zu.

Gefährdungsmeldungen, bei denen der KJGD zur Abwendung der Gefährdungssituation das Jugendamt einschaltet, um eine Entscheidung über einzuleitende Maßnahmen herbeizuführen, erfasst das Jugendamt. Die Zusammenfassung solcher Meldungen erfolgt bei der Koordinierung Kinderschutz des Jugendamtes.

Gefährdungsmeldungen, die beim KJND oder im Jugendamt eingehen, werden ebenso im Jugendamt erhoben; die Meldebögen werden bei der Koordinierung Kinderschutz zusammengeführt.

Die statistische Erfassung der Inobhutnahme erfolgt durch die Jugendämter.

7. Qualitätssicherung

Zur Qualitätssicherung werden die Meldungen zwischen den Kooperationspartnern vierteljährlich abgeglichen. Darüber hinaus erfolgen zwischen der Koordinierung Kinderschutz des Jugendamtes und der Koordinierung Kinderschutz des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes regelmäßige Arbeitstreffen.

Die Kooperationsvereinbarung ist in geeigneter Weise in den Bezirken und in den für Jugend sowie für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltungen bekannt zu machen.

Die Kooperationsvereinbarung ist mindestens alle zwei Jahre dahingehend zu prüfen, ob Änderungen oder Ergänzungen erforderlich geworden sind.

8. Datenerhebung und Datenübermittlung

1. Die Kooperation zwischen dem Kinder- und Jugendgesundheitsdienst und dem Jugendamt setzt eine Übermittlung personenbezogener Daten voraus. Die hierbei geltenden gesetzlichen Übermittlungsbefugnisse, insbesondere des SGB VIII, SGB X sowie des GDG sind zu beachten.