Die Anordnung von besonderen Sicherungsmaßnahmen trifft die Anstaltsleitung

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Drucksache 16/0436

6. die Fesselung an Händen, nur bei höchster Fluchtgefahr auch an den Füßen.

(3) Die Anordnung von besonderen Sicherungsmaßnahmen trifft die Anstaltsleitung. Anordnungen besonderer Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 6 bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete der Anstalt die Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung der in Satz 1 und 2 benannten Stellen ist unverzüglich einzuholen. Eine Kombination der besonderen Sicherungsmaßnahmen mit einer Maßnahme nach § 62 Absatz 2 ist nicht zulässig.

(4) Die Maßnahmen sind zeitlich zu befristen und erfordern ständige Betreuung. Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 5 sind außerdem ärztlich zu überwachen. Sie sind immer wieder zu überprüfen, jeweils zu begründen und zu dokumentieren. Die Aufsichtsbehörde ist laufend zu unterrichten.

Außerdem sind die Personensorgeberechtigten und die Verteidigung unverzüglich zu benachrichtigen.

(5) Die unausgesetzte Absonderung von Gefangenen (Einzelhaft) ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in ihrer Person liegen, unerlässlich ist. Die Einzelhaft darf ununterbrochen nicht mehr als eine Woche und insgesamt nicht mehr als vier Wochen im Vollstreckungsjahr betragen.

Einzelhaft von mehr als einer Woche im Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Während des Vollzuges der Einzelhaft sind die Gefangenen in besonderem Maße zu betreuen.

§ 68

Unmittelbarer Zwang:

(1) Die Vollzugsbediensteten dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn dieser erforderlich ist, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Der Gebrauch von Waffen ist nicht zulässig.

(2) Unmittelbarer Zwang ist anzudrohen. Die Androhung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

(3) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Unmittelbarer Zwang hat zu unterbleiben, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

Konfliktregelung § 69

Pflichtverstöße; Ermahnung; Konfliktregelungsverfahren:

(1) Konflikte zwischen Gefangenen und zwischen Gefangenen und Bediensteten werden im wegen informeller oder formeller Konfliktregelung bearbeitet.

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(2) Die Durchführung der formellen Konfliktregelung wird einer dafür geeigneten Person übertragen, die nicht in den Konflikt verstrickt ist, und zwar

a) einer von der Anstaltsleitung im Einvernehmen mit der Gefangenenvertretung und dem Anstaltsbeirat bestellten Schlichtungsperson (interne Konfliktregelung), oder

b) auf Antrag des Gefangenen einer Schlichtungsperson, der nicht der Anstalt angehört und von dem Vollzugsbeirat gewählt wird (externe Konfliktregelung).

Im Rahmen der Konfliktregelung kann insbesondere eine Schadensbeseitigung oder -wiedergutmachung, eine andere geeignete Ausgleichsleistung oder eine Entschuldigung vereinbart werden. Mit erfolgreichem Abschluss des Konfliktregelungsverfahrens gilt der Pflichtverstoß als erledigt. Das Nähere bestimmt die Senatorin/Senator für Justiz durch Rechtsverordnung.

(3) Rechtswidrige und schuldhafte Verstöße der Gefangenen gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes rechtmäßig auferlegt sind (Pflichtverstöße), führen unverzüglich zur Ansprache. Die Ansprache dient insbesondere dazu, den Verstoß festzustellen sowie dem Gefangenen die Bedeutung der verletzten Pflicht und des Pflichtverstoßes zu erläutern (Ermahnung). Die Gefangenen erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Ist die Ansprache als Reaktion auf den Verstoß unzureichend, erfolgt die weitere Klärung im Wege der ausgleichenden Konfliktregelung (Abs. 2).

(4) Schwerwiegende oder beharrliche Pflichtverstöße werden in geeigneten Fällen im Wege der ausgleichenden Konfliktregelung bearbeitet (Abs.2). Erfolgen Verstöße zum Nachteil Dritter, insbesondere von Mitgefangenen und Vollzugsbediensteten, sind sie mit ihrer Zustimmung an dem Verfahren zu beteiligen.

(5) Ist das Konfliktregelungsverfahren als Reaktion auf schwerwiegende oder beharrliche Pflichtverstöße nicht geeignet oder gescheitert, kann die Anstaltsleitung ein förmliches Ordnungsverfahren gemäß § 69a durchführen. Das Konfliktregelungsverfahren gilt in der Regel als nicht geeignet, wenn Gefangene

- erklären, sich daran nicht beteiligen zu wollen,

- dringend verdächtigt werden, eine erhebliche Straftat begangen zu haben,

- in der Anstalt verbotene Gegenstände einschmuggeln oder besitzen oder sich an deren Einschmuggeln beteiligen, oder

- entweichen, ohne innerhalb von 4 Tagen selbständig in die Anstalt zurückzukehren, oder wiederholt versuchen zu entweichen.

Das Konfliktregelungsverfahren gilt als gescheitert, wenn Gefangene eine ihnen zumutbare Vereinbarung verweigern oder eine getroffene Vereinbarung innerhalb der gesetzten Frist nicht einhalten.

§ 69a Ordnungsverfahren Abgeordnetenhaus von Berlin ­ 16.

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Drucksache 16/0436:

(1) Wird unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 5 ein förmliches Ordnungsverfahren durchgeführt, können gegen den Gefangenen als Ordnungsmaßnahmen angeordnet werden

1. der Verweis,

2. der Ausschluss von Freizeitveranstaltungen bis zu vier Wochen,

3. die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld bis zu 50 % des monatlich zur Verfügung stehenden Betrages bis zu drei Monaten.

(2) Über einen Verweis hinausgehende Ordnungsmaßnahmen sind unzulässig, wenn aus Anlass eines Pflichtverstoßes

a) Sicherungsmaßnahmen gemäß § 67 Abs. 2 angeordnet werden oder

b) Strafanzeige erstattet wird.

Wird Strafanzeige erstattet, ist der zuständigen Behörde mitzuteilen, welche Sicherungs- oder Ordnungsmaßnahmen bereits angeordnet und welche Vereinbarungen im Konfliktregelungsverfahren getroffen wurden.

3) Ordnungsmaßnahmen ordnet die Anstaltsleitung an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zwecke der Verlegung ist die Leitung der Bestimmungsanstalt zuständig. Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung von Gefangenen gegen die Anstaltsleitung richtet. Ordnungsmaßnahmen, die gegen Gefangene in einer anderen Vollzugsanstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt.

(4) Der Sachverhalt ist zu klären. Die Gefangenen werden gehört; auf ihren Wunsch können sie eine Person ihres Vertrauens hinzuziehen. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung der Gefangenen wird vermerkt. Vor der Anordnung von Ordnungsmaßnahmen gegen Gefangene, die sich in ärztlicher Behandlung befinden, oder gegen Schwangere oder stillende Mütter ist der Anstaltsarzt / die Anstaltsärztin zu hören.

(5) Entscheidungen über Ordnungsmaßnahmen werden in einer Konferenz mit Personen vorbereitet, die bei der Behandlung der Gefangenen mitwirken. Die Entscheidung wird den Gefangenen von der Anstaltsleitung mündlich eröffnet und mit Begründung schriftlich abgefasst.

(6) Ordnungsmaßnahmen können sofort vollstreckt und ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. Wird die Verfügung über das Hausgeld beschränkt oder entzogen, ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen.

Rechtsbehelfe § 70

Rechtsbehelfsverfahren

1) Die Gefangenen können die Erteilung einer Erlaubnis oder den Erlass oder die Beendigung einer Maßnahme beim zuständigen Abteilungsleiter