Wohnungsnot

Wie die Diskussionslage war bei einer Podiumsdiskussion vor der Bundestagswahl in Bremerhaven, wo auch die Grünen dabei waren, wo die SPD und andere dabei waren, dass dort sehr heterogen diskutiert wurde. Ich denke, dass ich da nicht allein stehe.

Das Thema Gewoba-Verkauf, das können Sie an diesen Äußerungen schon erkennen, eignet sich nämlich vorzüglich, Emotionen zu wecken und nüchternes wirtschaftliches Denken in den Hintergrund zu drängen. Mich begleitet im Übrigen diese Thematik schon seit Jahren. Als ich Stadtverordneter in Bremerhaven war, ging es um den Verkauf der Stäwog, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Bremerhaven, und um den Verkauf der Gewoba-Anteile Bremerhavens an Bremen. Damals gab es im Zusammenhang mit dem Verkaufsbeschluss der Stäwog im Stadtparlament in Bremerhaven die gleichen Emotionalisierungen wie derzeit im Zusammenhang mit den Gewoba-Verkaufsüberlegungen, und schon damals gab es für derartige Überlegungen meines Erachtens die gleichen Begründungen, wie es auch jetzt wieder der Fall ist.

Eine staatliche Aufgabe, Wohnungsnot zu lindern und den Menschen zu einer Wohnung zu verhelfen, besteht heute, 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, nicht mehr. Das Betreiben eines Wohnungsunternehmens, das Wohnungsbau als wesentlichen Geschäftszweck hat, ist heute längst keine staatliche Aufgabe mehr. Heute gibt es keine allgemeine Wohnungsnot mehr, im Gegenteil, es gibt bis auf wenige großstädtische Ballungsgebiete, zu denen Bremen und Bremerhaven nicht zählen, inzwischen ein Überangebot an Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt mit entsprechenden Wirkungen auf das Mietpreisniveau.

In Bremen und Bremerhaven werden inzwischen überzählige, schlecht vermietbare Wohnungen, meist Sozialwohnungen, abgerissen oder, wie man auch formulieren kann, vom Markt genommen. Eine Entwicklung übrigens, die im Ausland zu großem Erstaunen führt und angesichts der öffentlichen Mittel, die bei ihrem Bau damals und auch jetzt wieder beim Abriss in die Hand genommen werden, doch schon sehr merkwürdig, um nicht zu sagen paradox ist!

Wenn früher in Zeiten großer Wohnungsnot private und städtische, staatlich dominierte oder gemeinnützige Wohnungsunternehmen auftraten, haben sie sich bei der Bereitstellung von Mietwohnungen eher ergänzt. Heute ist dies keine Ergänzung mehr, sondern verzerrte Konkurrenz. Das ist für alle ­ für die Mieter genauso wie für die Vermieter und auch für den Staat, wenn er Inhaber solcher Beteiligungen ist ­ schlecht, weil es zu falscher Preisbildung auf dem Markt führt und zu falschen unternehmerischen Entscheidungen.

Von der staatlichen Förderung des Wohnungsbaus durch Subventionen und steuerliche Vergünstigungen will ich hier gar nicht reden. Sie verzerren ebenfalls den Wettbewerb, und darüber diskutiert man gerade in Berlin im Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen, wie das System verändert werden soll und ob wir das heute noch aufrechterhalten sollen. Da werden sich also zwangsläufig Änderungen ergeben. Wir haben gestern bei der Diskussion über Gewos und die Folgen aus der Gewos-Studie auf den Wohnungsmarkt auch solche Überlegungen schon gehört. Es ist da also einiges in Bewegung, und das, denke ich, ist ein zusätzliches Argument dafür, auch über das Halten von staatlichem Eigentum an solchen Unternehmen nachzudenken.

Die aktuelle Geschäftspolitik der Gewoba liefert keine Anhaltspunkte für ihren weiteren Verbleib in staatlicher Hand, das zeigen die aktuellen Studien zum Mietpreisniveau vor dem Hintergrund der Hartz IV-Problematik. Die Mietpreise privater Wohnungsanbieter liegen sowohl hier in Bremen als auch in Bremerhaven oftmals unter dem Mietpreisniveau der Gewoba. Das habe ich selbst seinerzeit erlebt, als ich damals in den achtziger Jahren in Bremerhaven eine Mietwohnung suchte und dann mit verschiedenen Partnern dort zu tun hatte. Schon damals, in den achtziger Jahren, war genau dieses Bild, das sich heute auch wieder bestätigt.

Unter Marktgesichtspunkten ist ein Festhalten des Staates an der Gewoba also nicht mehr nötig. Wir sollten die Gesellschaft in den wirklich freien Wettbewerb entlassen und das staatliche Eigentum daran beenden. Die häufig auch jetzt wieder geäußerte Befürchtung, potentielle Investoren, auch wenn sie aus der Wohnungswirtschaft kommen, würden nach einem Erwerb der staatlichen Anteile eine Geschäftspolitik praktizieren, bei der die heutigen Mieter Nachteile im Vergleich zum weiteren Verbleib der Anteile in staatlicher Hand zu erwarten hätten, ist meines Erachtens nicht zutreffend. Bremen hat doch bereits vor Jahren Wohnungsunternehmen verkauft, zum Beispiel die Brebau oder die Beamtenbau oder, ich glaube, auch die Bremische, ohne dass damals und bis heute Derartiges bekannt geworden ist. Warum sollte das jetzt eigentlich bei dem Verkauf der Gewoba-Anteile anders sein bei einem im Wesentlichen gesättigten Wohnungsmarkt hier in Bremen und auch in Bremerhaven?

Auch für die Handwerker, die beschäftigt oder beauftragt werden, dürfte sich wenig ändern, und bei den Beschäftigten der Gewoba dürfte sich kurzfristig wenig, mittel- bis langfristig vielleicht nichts oder vielleicht etwas ändern, je nachdem, wer Käufer beziehungsweise Investor der staatlichen Anteile wird.

Das Risiko, was den Arbeitsplatz angeht, haben aber alle anderen Beschäftigten der Wirtschaft auch. Selbst im öffentlichen Dienst sind die Zeiten einer lebenslangen unveränderten Beschäftigung nicht mehr unbedingt gewährleistet.

Ein Teil der Gewoba ist bereits verkauft, nämlich der Teil, der gegenwärtig von der BIG gehalten wird.

Dieser Anteilsverkauf erfolgte bereits vor Jahren. Er hatte damals das primäre Ziel, das haben Sie eben gesagt, Frau Krusche, über einen Schattenhaushalt Geld in die bremischen Haushalte zu spülen. Er hatte aber auch damals schon das Ziel, ich kann mich noch schwach erinnern, den Weiterverkauf dieser Anteile zu betreiben. Er konnte nicht das Ziel haben, wie es sich im Zeitverlauf ergeben hat, die an die BIG verkauften Anteile dauerhaft dort zu belassen und die BIG mit der Zinsbelastung und den weiteren Kosten dieses Geschäfts allein zu lassen. Die BIG gehört Bremen, sie ist keine Bank, obwohl sie von Bremen oft als solche missbraucht wird. Die bei der BIG entstehenden Kredit- und Zinsverpflichtungen sind zu 100 Prozent Verpflichtung Bremens. Was liegt also näher, als die BIG zu veranlassen, die dort geparkten Gewoba-Anteile endlich weiterzuveräußern und die eingegangenen Kreditverpflichtungen dann abzulösen?

Ich kann den Finanzsenator, der genau darauf drängt, nur allzu gut verstehen. Die Beseitigung dieser finanzpolitischen Altlast ist nach meiner Auffassung längst überfällig. Wenn die Koalition statt zumindest den BIG-Anteil an der Gewoba zu verkaufen die beiden Anteile an der Gewoba, den BIG- und den Hawobeg-Anteil, zusammenfassen und aus den daraus erwarteten Dividenden die Zinsverpflichtungen und die anderen Kosten aus dem Halten der Anteile bestreiten will und zusätzlich noch ­ man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen ­ die Mieten erhöhen und die Instandsetzungsaufwendungen senken will, dann ist das geradezu ein absurdes Verhalten, ein Verhalten übrigens, das man sonst nur bösen Kapitalisten, Heuschrecken, wie es modern genannt wird, oder Spekulanten unterstellt.

Warum lösen Sie in der Koalition nicht wenigstens die bestehenden Kreditverpflichtungen ab? Das wäre für den bremischen Haushalt und für die Mieter in jedem Fall besser. Noch besser wäre es, Sie würden die gesamten bremischen Geschäftsanteile an der Gewoba verkaufen. Warum sprechen Sie nicht mit den anderen Gewoba-Gesellschaftern? Das sind doch alles Banken. Warum machen Sie nicht ein Bieterverfahren für den Verkauf der Anteile? Ich kann mir das nur mit ideologischen Motiven erklären, (Abg. Frau Linnert [Bündnis 90/Die Grünen]: Der einzige Ideologe hier sind Sie, Herr Wedler!) mit nüchterner wirtschafts- und haushaltspolitischer Vernunft hat das alles nichts zu tun.

Bei der Diskussion um den Verkauf der Gewoba Anteile kann man sich auf den Verkauf einzelner Anteile oder auf den Verkauf des Gesamtpakets konzentrieren. Der Verkauf einzelner Anteile würde im Ergebnis finanziell sicher nicht so ergiebig sein wie der Verkauf eines Gesamtpakets. Die FDP ist deshalb der Meinung, es sollte vor dem Hintergrund der bremischen Haushaltsmisere der größtmögliche Verkaufspreis erzielt werden, also die gesamten Gewoba-Anteile als Gesamtpaket oder, wenn man es lieber möchte, in Teilpaketen veräußert werden. Eine Teilverkaufslösung, wie sie offensichtlich jetzt von der Koalition beabsichtigt ist oder wie es immerhin denkbar ist, ist jedenfalls nicht so ergiebig und sollte unseres Erachtens nicht in Frage kommen.

Bei der Bewertung der Gewoba-Anteile muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Wert dieser Anteile in den nächsten Jahren eher sinken als steigen wird. Ein früher Verkauf der Anteile wäre also sehr empfehlenswert, denn das Überangebot an Wohnungen in unserer Region wird sich in den nächsten Jahren aufgrund der demographischen Entwicklung wohl noch verstärken. Daran ändert auch die derzeitig geringe Bevölkerungszunahme in der Stadt Bremen wenig. Diese wird jedenfalls nach unserer Überzeugung nicht anhalten, und ich glaube, Gewos hat uns das auch so vorgehalten. In Bremerhaven sinkt die Einwohnerzahl noch stärker, so dass von daher der Bewertungsdruck noch größer sein wird. Ich glaube, ein schneller Verkauf ist eher sinnvoll für die Mieter und natürlich auch für den städtischen Haushalt.

Es ist klar und versteht sich von selbst, das möchte ich jetzt zum Schluss sagen ­ ich sehe, dass ich zum Ende kommen soll ­, das steht auch in meinem Antrag, dass der Verkaufserlös voll und ganz in den Haushalt Bremens einfließen muss zur Rücknahme der Kreditverpflichtung und damit zur Rücknahme der Zinsverpflichtung. Deswegen möchte ich Sie bitten, meinem Antrag zuzustimmen. Ich möchte dabei insbesondere in Richtung CDU blicken in der Hoffnung, dass Sie vielleicht meinem Antrag etwas abgewinnen können. Den Antrag der Grünen werde ich ablehnen, er ist eine genaue Gegenposition, und den Koalitionsantrag werde ich ebenfalls ablehnen. ­

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Vizepräsident Ravens: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Abg. Tittmann (DVU): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wedler, ich kann nur hoffen, dass sehr viele Bürgerinnen und Bürger Ihre skandalöse und für die Mieter und die Beschäftigten der Gewoba skrupellos unsoziale Rede mitbekommen haben!

Meine Damen und Herren, die Scheinheiligkeit vom Bündnis 90/Die Grünen, die Gewoba im Eigentum Bremens absichern, ist an Unehrlichkeit und Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten.

(Abg. Dr. Schuster [SPD]: Skandalös!)

Es tut mir Leid, aber ich muss es immer wieder sagen, es ist so! Es hätte mich überhaupt nicht gewundert ­ das können Sie nachweislich im Protokoll nachlesen ­, wenn Sie Ihren Antrag mit der Überschrift

Verkauf von Gewoba-Anteilen verhindern eingebracht hätten. Das wäre genau die Überschrift meines schon am 7. Juni eingebrachten DVU-Antrags gewesen, den auch Sie, meine Damen und Herren vom Bündnis 90/Die Grünen, mit scheinheiligen Begründungen abgelehnt haben.

Meine Damen und Herren, Frau Krusche, das Unehrliche an diesem Antrag ist die Tatsache, dass alle so genannten demokratischen Parteien meinen Antrag, den Verkauf der Gewoba-Anteile zu verhindern, am 23. Juni einstimmig abgelehnt haben. Aber in den Ortsbeiräten wie zum Beispiel Woltmershausen haben dann die Vertreter derselben so genannten demokratischen Parteien, die in der Bürgerschaft meinen Antrag abgelehnt haben, sich urplötzlich mit meinen Argumenten gegen den Verkauf der Gewoba ausgesprochen.

(Abg. Crueger [Bündnis 90/Die Grünen]: Herr Tittmann, das sind nicht Ihre Argumente!)

Es kann auch sein, dass wir so zum Erfolg kommen, in dem man dann unseren Antrag übernimmt. Wir hätten hier dann etwas bewirkt im Interesse der Gewoba-Beschäftigten und der Mieter. Dann soll es mir auch recht sein, wenn wir damit zum Erfolg kommen.

Meine Damen und Herren, wenn das nicht scheinheilig und unehrlich ist, dann weiß ich wirklich nicht mehr, was scheinheilig und verlogen sein soll. Es mag durchaus angehen, dass diese Unehrlichkeit Ihre politische Kultur insgesamt darstellt, demaskiert und widerspiegelt, ich aber nenne das eine unehrliche, eine unseriöse, eine schändliche Politik gegenüber unseren Bürgern, gegenüber den Beschäftigten der Gewoba. Sie betreiben eine Politik der Volksverdummung!

Diese Unehrlichkeit ist aber nicht die Politik der Deutschen Volksunion. Darum werde ich diesem Antrag zum Wohle und im Interesse der Gewoba-Mieter, der Handwerksbetriebe und der Beschäftigten, da es im Prinzip schon mein Antrag war, den ich vor Monaten hier eingebracht habe, selbstverständlich überparteilich zustimmen, auch wenn jetzt Bündnis 90/Die Grünen wieder einmal verspätet auf den fahrenden DVU-Zug aufspringt.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen) Bleiben Sie doch ganz ruhig! Wer schreit, hat Unrecht!

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, der Deutschen Volksunion geht es einzig und allein um die Sache, die Gewoba-Anteile insgesamt nicht zu verkaufen. Es reicht bei Weitem als politische Arbeit wirklich nicht aus, hier herumzuschreien (Abg. Frau Marken [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen!) und von der Deutschen Volksunion öfter Anträge sozusagen abzuschreiben oder abzukupfern, indem man quasi DVU-Anträge in einer etwas veränderten Form Monate später als eigene Anträge einbringt. Das ist nun wirklich keine ehrliche, keine seriöse Politik, aber wenn die Deutsche Volksunion so zum Erfolg kommt, ist es auch egal. Ich nenne das aber eine große Schaumschlägerei, eine unredliche Trittbrettfahrerei der miesesten Art und Weise. Sie werden der Öffentlichkeit aber gleich noch einmal erklären können, warum Sie damals den DVU-Antrag abgelehnt haben. Ich werde jedes Mal vor der Öffentlichkeit Ihre meines Erachtens undemokratische Schaumschlägerei darstellen und Ihnen Ihre Maske vom Gesicht reißen.

(Lachen bei der CDU) Leider dauert die Landtagssitzung nur acht Stunden, und dafür bräuchte ich allerdings mehr Redezeit als die acht Stunden, um Ihnen das zu erklären, was Sie an unredlicher Politik betreiben. Tatsache ist doch, der Verkauf der Gewoba wäre ein Ausverkauf auf Kosten der Mieter, und das ist der Abschied vom sozialen Wohnungsbau. Die Ängste und Sorgen der Mieter und der Handwerksbetriebe sind doch berechtigt, dass zum Beispiel die Mieten erhöht werden, dass es zu Kündigungen kommen wird, die Wohnungen und Gebäude werden verkommen, weil wahrscheinlich nicht mehr in die notwendige Modernisierung investiert wird. Die Investoren wollen selbstverständlich, und das dürfte sogar Ihnen klar sein, die eben gelacht haben, hohe Gewinne erwirtschaften oder besser gesagt, sie müssen hohe Gewinne erzielen.

Erschreckende Beispiele hierfür gibt es zur Genüge, das dürfte sogar Ihnen klar sein und einleuchten.

Ich sage noch einmal in aller Deutlichkeit: Wenn die Gewoba-Anteile verkauft werden, wie Herr Wedler das möchte, so würde das unweigerlich bedeuten, dass sehr viele Menschen, die für die Gewoba arbeiten, ihren Arbeitsplatz verlieren würden und dass viele kleine, mittelständische, ortsansässige Unternehmen wahrscheinlich aufgrund einer so genannten Heuschreckenpolitik ausländischer Investoren Insolvenz anmelden müssten. Ich muss Sie nun doch nicht erst daran erinnern, dass sage und schreibe zirka - Beschäftige von den Aufträgen abhängig sind und dass gerade Bremerhaven jetzt schon eine unbeschönigte Arbeitslosigkeit von zirka fast 30 Prozent hat.

Meine Damen und Herren, das Immobilienunternehmen Gewoba ist wirtschaftlich und finanziell gesund. Das Land Bremen hat meines Wissens eine Dividende von zirka 14 Prozent ausgeschüttet bekommen. Es gibt überhaupt keinen vernünftigen Grund,