Mängel bei der Organisation und Durchführung regionalisierter Aufgaben

Die vom Rechnungshof geprüften regionalisierten Aufgaben können effizienter und effektiver wahrgenommen werden, wenn künftig organisatorische Grundsatzentscheidungen auf der Grundlage von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen getroffen werden und deren Erfolg kontrolliert wird. Eine gezielte Evaluation der ergriffenen organisatorischen Maßnahmen durch den Senat und eine Verbesserung der überbezirklichen Zusammenarbeit ist unabdingbar.

Regionalisierte Aufgaben werden von einem Bezirksamt oder mehreren Bezirksämtern auch für andere Bezirke wahrgenommen. Der Senat legt hierfür im Einvernehmen mit den Bezirken die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich durch Rechtsverordnungen fest. Der Rechnungshof hat von den 78 regionalisierten Aufgaben einige mit einer großen Ressourcenbindung ausgewählt und sie auf Effizienz und Effektivität geprüft. Er berichtet exemplarisch über die Bereiche

· Tuberkulosefürsorgestellen,

· Beratungsstellen für sexuell übertragbare Krankheiten und AIDS,

· Beratungsstellen für die Versorgung von Kindern mit Hör- und Sprachbehinderung,

· Lebensmittelpersonalberatung,

· Ämter für Ausbildungs- und Aufstiegsförderung sowie

· Zentrale Pass- und Ausweisstelle.

Die Tuberkulosefürsorge wird in den Bezirken Mitte, Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg auch für die anderen Bezirke wahrgenommen. Zusätzlich betreibt das Bezirksamt Mitte einen Röntgenbus für alle Bezirke.

Für die Aufgabenerledigung werden Ärzte, Sozialarbeiter, medizinisches und technisches Hilfspersonal und Verwaltungskräfte mit 47,75 Stellen eingesetzt. Dieser hohe Personaleinsatz ist nicht mehr erforderlich, weil die Erkrankungsraten seit Jahren sinken, verpflichtende Schirmbilduntersuchungen seit der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes entfallen sind, Deutschland als Land mit niedriger Erkrankungsrate gilt und im Übrigen in Berlin über 60 Lungenfacharztpraxen vorhanden sind. Der Rechnungshof hat bei seiner Prüfung eine Unterauslastung des ärztlichen Personals und teilweise zu aufwendige Leitungsstrukturen im Bereich der Sozialarbeiter festgestellt. Mit der Novellierung des Gesundheitsdienst-Gesetzes, das am 1. Juli 2006 in Kraft getreten ist, sollte die Aufgabe neu gestaltet werden.

Der Rechnungshof hat deshalb von den Bezirksämtern und der für Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2007

Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung gefordert, Stellen einzusparen, und empfohlen, die beabsichtigte Umstrukturierung mit einer Analyse des Bedarfs, der Arbeitsabläufe und der bereitzustellenden Sachmittel vorzubereiten.

Er hat ferner gegenüber der Senatsverwaltung und den Bezirksämtern angeregt, in den Tuberkulosefürsorgestellen mit dem Ziel einer Personalreduzierung zu prüfen, inwieweit

· bestehende Leitungsstrukturen und die umfeldbezogenen Aufgaben der Sozialarbeiter bei der Ermittlung von Kontaktpersonen der Tuberkulosepatienten im bisherigen Umfang erforderlich sind,

· Informationspflichten der Sozialarbeiter gegenüber den Sozialen Diensten der Herkunftsbezirke festgelegt werden können, um Doppelerhebungen und -betreuungen auszuschließen und auf diese Weise wirtschaftlichere Ergebnisse mit geringerem Personalaufwand zu erzielen,

· die mobile Schirmbildstelle (Röntgenbus) aufgegeben oder deren Aufgaben an Dritte übertragen werden können und

· die Tuberkulosefürsorge unter Subsidiaritäts- und Auslastungsaspekten in einer Einrichtung konzentriert werden kann.

Die Senatsverwaltung hat in ihrer Stellungnahme mitgeteilt, dass sie beabsichtigt, künftig die Tuberkulosefürsorge an zwei Orten mit insgesamt 23 Stellen zu konzentrieren und den Betrieb der mobilen Schirmbildstelle ersatzlos aufzugeben. Sie vertritt die Auffassung, dass die besondere Verschwiegenheitspflicht der Sozialarbeiter in der Tuberkuloseberatung einer besseren Zusammenarbeit mit anderen Sozialen Diensten des Bezirks oder aus dem Herkunftsbezirk bei der Betreuung der gleichen Person im Wege stehe. Außerdem könne erst 2009 über eine weitere Zusammenlegung der Beratungsstellen entschieden werden.

Der Rechnungshof hält die von der Senatsverwaltung ergriffenen Maßnahmen zwar für zielführend, aber nicht für ausreichend. Er hat die Senatsverwaltung aufgefordert, die Geschäftsprozesse zeitnah zu verbessern.

Für die Beratung und Betreuung bei sexuell übertragbaren Krankheiten und die HIV/AIDS-Beratung wurden in sechs Bezirken ärztliche Betreuungsstellen mit 42 Stellen für Ärzte, Sozialarbeiter und Verwaltungskräfte geschaffen. Daneben wird die HIV/AIDS-Beratung vom Sozialmedizinischen Dienst weiterer fünf Bezirke und von mehreren durch Zuwendungen Berlins geförderten Organisationen angeboten. Der Rechnungshof hat bei seiner Prüfung eine unterschiedliche Auslastung und Aufgabenwahrnehmung festgestellt. So ist es beispielsweise nicht gelungen, die Beratungsstelle Mitte adäquat mit Personal auszustatten, sodass sie ihre Aufgaben nur eingeschränkt erfüllen kann. Demgegenüber sind die Beratung und Betreuung im Bezirk Lichtenberg vergleichsweise nur gering nachgeRechnungshof von Berlin Jahresbericht 2007 fragt. Die Ergebnisse der Kosten- und Leistungsrechnung zeigten entsprechend stark voneinander abweichende Stückkosten. Eine Evaluierung der Auslastung der Beratungsstellen und Standorte sowie eine aufgabenkritische Analyse bestehender Mehrfachangebote wurden nach Angaben der Bezirke nicht durchgeführt. Mit dem novellierten Gesundheitsdienst-Gesetz beabsichtigt der Senat, die Aufgaben der Beratungsstellen künftig in den Sozialmedizinischen Dienst zu integrieren. Damit können nach Auffassung des Rechnungshofs die Aufgaben der Verwaltungskräfte der bestehenden Beratungsstellen entfallen.

Im Ergebnis der Prüfung hat der Rechnungshof von der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung und den zuständigen Bezirksämtern gefordert,

· die Beratungsleistungen künftig bezirksübergreifend, aufgabenkritisch und adressatenbezogen zu analysieren und dabei das Angebot Dritter unter dem Subsidiaritätsaspekt zu berücksichtigen,

· die Auslastung der Dienstkräfte in den Beratungsstellen zu überprüfen und mindestens zehn Stellen im Sozialbereich sowie die Stellen aller Verwaltungskräfte einzusparen,

· die Beratungsstellen auf weniger Standorte zu konzentrieren, um so den Personalaufwand weiter zu verringern sowie

· durch Verbesserung der Geschäftsprozesse weitere Stellen einzusparen.

Die Senatsverwaltung hat in ihrer Stellungnahme angekündigt, dass die HIV/AIDS-Beratung in den Sozialmedizinischen Dienst integriert werde, der die Aufgaben an vier Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung wahrnehmen wird. Dadurch würden insgesamt 36 Stellen gegenüber dem Personalbestand zum Prüfungszeitpunkt eingespart werden. Der Rechnungshof hält eine aufgabenkritische Bestandsanalyse und eine Verbesserung der Geschäftsprozesse weiterhin für dringend geboten.

Die Versorgung von Kindern mit Hör- und Sprachbehinderung wird in drei Beratungsstellen für

· Hör- und Sprachstörungen in Friedrichshain-Kreuzberg,

· Hörstörungen in Neukölln und

· Sprachstörungen in Reinickendorf mit 49 Stellen wahrgenommen.