Resozialisierung als Vollzugsziel

Neben der Resozialisierung als Vollzugsziel hat der Vollzug die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Dies folgt aus der Pflicht des Staates, für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen. Bauliche und organisatorische Ausstattung der Anstalt sowie alle vollzuglichen Maßnahmen müssen darauf ausgerichtet sein, dass von den Gefangenen während der Zeit ihrer Inhaftierung keine Gefahr ausgeht.

Die in Satz 2 beschriebene Aufgabe bezieht sich unmittelbar auf die Haftzeit, wird mit Realisierung des in Satz 1 beschriebenen Vollzugsziels aber auch nach Entlassung der Gefangenen erfüllt. Ziel und Aufgabe des Vollzugs sind im Zusammenhang zu sehen.

Zwischen dem Integrationsziel des Vollzugs und dem Anliegen, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, besteht kein Gegensatz (BVerfG, a.a.O., S. 2095).

Durch die Resozialisierung der Gefangenen wird zugleich auch der Schutz der Allgemeinheit gewährleistet. Beides dient letztlich der Sicherheit der Gemeinschaft, und zwar über die Zeit der Freiheitsentziehung hinaus. Der Staat kommt seiner Schutzpflicht gerade auch dadurch nach, dass er die Resozialisierung fördert. Die Gemeinschaft hat ein unmittelbar eigenes Interesse daran, dass die Gefangenen nicht wieder rückfällig werden und nicht erneut ihre Mitbürger oder die Gemeinschaft schädigen.

3. Zu § 3 (Erziehungsauftrag, Vollzugsgestaltung)

Die Bestimmung enthält die Grundsätze zur Gestaltung des Vollzugs. Wesentliches Element des Vollzugs ist nach Absatz 1 die Erziehung der Gefangenen zu einer straffreien Lebensführung in sozialer Verantwortung. Die Gefangenen werden in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit unterstützt und angeleitet. Damit sind sowohl der Erwerb als auch die Einübung nicht vorhandener, nicht hinreichend ausgeprägter oder nicht angewandter Fähigkeiten und Fertigkeiten gemeint, durch welche die Gefangenen lernen, ihre eigenen Chancen und Pflichten wahrzunehmen und Anderen Respekt entgegenzubringen. Sie sollen lernen, Verantwortung für ihre begangenen Taten zu übernehmen und sich mit den Tatfolgen, insbesondere für das Opfer, auseinanderzusetzen. Sie werden angehalten, sich mit ihrer Biographie auseinanderzusetzen.

Die Verweisung in Absatz 2 auf die Legaldefinition in § 98 Abs. 1 Satz 1 stellt klar, welche Einrichtungen unter den im Gesetz verwendeten Begriff der „Anstalt" fallen. Der Absatz gibt vor, dass der Vollzug angemessen mit personellen und sachlichen Mitteln ausgestattet sein muss, um Ziel und Aufgabe des Vollzugs, die in § 2 festgelegt sind, erreichen und erfüllen zu können. Dabei sind die besonderen Bedürfnisse der Gefangenen zu berücksichtigen. Sie bedürfen einer unterstützenden, strukturierenden Umgebung und einer durchgängigen Betreuung und Kontrolle. Die Organisation der Anstalt ist hieran auszurichten. Das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., S. 2096) formuliert: „So hat er [der Staat] durch gesetzliche Festlegung hinreichend konkretisierter Vorgaben Sorge dafür zu tragen, dass für allgemein als erfolgsnotwendig anerkannte Vollzugsbedingungen und Maßnahmen die erforderliche Ausstattung mit den personellen und finanziellen Mitteln kontinuierlich gesichert ist."

Die Alternative zu einer am Resozialisierungsziel ausgerichteten Ausstattung ist die bloße Verwahrung. Sie aber kann eine Wiedereingliederung der Gefangenen nicht gewährleisten. Die Gefangenen können aufgrund ihres Alters häufig noch positiv beeinflusst werden. Sie würden nach einem bloßen „Verwahrvollzug" mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder rückfällig als in einem erzieherisch ausgestalteten Vollzug. Eine dem Resozialisierungsziel angemessene Ausstattung ist demnach die auch finanziell günstigere Alternative.

Absatz 3 bestimmt, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen ist (Satz 1, sog. Angleichungsgrundsatz). Die Gefangenen sollen dadurch auf das Leben nach ihrer Haftentlassung vorbereitet werden. Soweit der Angleichung Grenzen gesetzt sind, kommt es darauf an, den schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken (Satz 2, sog. Gegensteuerungsgrundsatz).

Die Angleichung soll den Gefangenen die spätere (Wieder-) Eingliederung in die Gesellschaft erleichtern (Satz 3, sog. Integrationsgrundsatz). Dies ist von Beginn der Inhaftierung an zu verfolgen. Dieser Grundsatz ist auch in Nr. 34.2. der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze niedergelegt. Bei allen drei Grundsätzen ist den Belangen der inneren und äußeren Sicherheit Rechnung zu tragen (Satz 4). Dabei ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. So kann die Öffnung des Vollzugs nach innen durch Aufund Umschluss, Wohngruppenvollzug, Sport- und Freizeitaktivitäten zwar zu erhöhten Risiken für Bedienstete und andere Gefangene führen. Diese sind aber in Kauf zu nehmen, weil die Vorteile regelmäßig überwiegen. Das gleiche gilt für die Sicherheit nach außen, die insbesondere bei der Gewährung von Vollzugslockerungen und Urlaub sowie bei der Verlegung in den offenen Vollzug zu beachten ist. Absatz 4 legt fest, dass unter Beachtung von Artikel 3 Abs. 2 und 3 GG Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Gefangenen berücksichtigt werden. Dies gilt es bei der Ausgestaltung des Vollzugs zu bedenken.