Absatz 3 Satz 1 schreibt vor dass Schusswaffen nur von den für diese Aufgabe bestimmten Bediensteten gebraucht werden dürfen

Nach den Absätzen 2 bis 6, die sich an §§ 99 und 100 StVollzG orientieren, dürfen Schusswaffen durch Bedienstete außerhalb der Anstalt gebraucht werden. Der Schusswaffengebrauch durch Bedienstete bei Vorführungen, Ausführungen und Transporten ist also weiterhin erlaubt.

Absatz 3 Satz 1 schreibt vor, dass Schusswaffen nur von den für diese Aufgabe bestimmten Bediensteten gebraucht werden dürfen. Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter oder die von ihm nach § 101 damit beauftragte Person bestimmt diese Bediensteten. Die Bediensteten dürfen auf Gefangene nur mit dem Ziel schießen, sie angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ein gezielter Todesschuss ist somit nicht zulässig. Der Schusswaffengebrauch ist auch nicht zum Schutz von Sachwerten erlaubt.

Nach Satz 2 hat der Schusswaffengebrauch zu unterbleiben, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

Absatz 4 enthält als Voraussetzung für den Schusswaffengebrauch die vorherige Androhung. Er geht als speziellere Bestimmung § 80 vor. Der Verzicht auf vorherige Androhung ist nur unter der engeren Voraussetzung möglich, dass dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

Absatz 5 Satz 1 regelt die Konstellationen, in denen der Schusswaffengebrauch durch Bedienstete außerhalb der Anstalt erlaubt ist, abschließend. Schusswaffen dürfen gegen Gefangene eingesetzt werden, wenn diese eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen (Nr. 1), wenn sie eine Meuterei unternehmen (Nr. 2) oder wenn dadurch ihre Flucht vereitelt oder sie wiederergriffen werden sollen (Nr. 3). Eine Meuterei kann in der Alternative von § 121 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch außerhalb der Anstalt vorkommen.

Absatz 6 engt die Voraussetzungen des Schusswaffengebrauchs gegen andere Personen gegenüber der allgemeineren Bestimmung des § 77 Abs. 2 dahingehend ein, dass dieser nur dann zulässig ist, wenn die Gefangenenbefreiung gewaltsam unternommen wird. Der Absatz ist an § 100 Abs. 2 StVollzG angelehnt. Allerdings ist die in § 100 Abs. 2 StVollzG vorgesehene Möglichkeit des Schusswaffengebrauchs gegenüber Dritten, die gewaltsam in eine Anstalt einzudringen versuchen, gestrichen, da die Schusswaffe nicht außerhalb der Anstalt im Sinne von Absatz 2 gebraucht werden würde.

82. § 82 (Erzieherische Maßnahmen)

Die Reaktionsmöglichkeiten der Bediensteten auf Pflichtverstöße der Gefangenen können in drei Stufen erfolgen: Auf der ersten Stufe wird im Rahmen einer einvernehmlichen Konfliktregelung ein erzieherisches Gespräch mit den Gefangenen geführt. Auf der zweiten Stufe werden so genannte erzieherische Maßnahmen und auf der dritten Stufe Disziplinarmaßnahmen gegen die Gefangenen angeordnet.

Nach Absatz 1 sollen Konflikte ­ auf der ersten Stufe ­ dadurch gelöst werden, dass auf Pflichtverstöße der Gefangenen unmittelbar erzieherisch reagiert wird. Eine solche Vorgehensweise dient dem Erreichen des Vollzugsziels im Allgemeinen eher als die Anordnung formeller Disziplinarmaßnahmen. Als Reaktion auf die Pflichtverletzung ist nach Satz 1 mit den Gefangenen unverzüglich ein erzieherisches Gespräch zu führen. Weitere denkbare einvernehmliche Konfliktregelungen bedürfen keiner näheren gesetzlichen Konkretisierung, da sie sich bereits aus dem Erziehungsauftrag ergeben. Sie werden durchgeführt, um den Gefangenen den Pflichtverstoß zu verdeutlichen und diesen mit ihnen aufzuarbeiten.

Reicht das erzieherische Gespräch nicht aus, können ­ auf der zweiten Stufe ­ nach Satz 2 möglichst dieselben Bediensteten, die das Gespräch mit den Gefangenen geführt haben, weitere Maßnahmen anordnen, die geeignet sind, den Gefangenen ihr Fehlverhalten bewusst zu machen. Diese erzieherischen Maßnahmen sind von Disziplinarmaßnahmen zu unterscheiden. Den erzieherischen Maßnahmen geht im Gegensatz zu den Disziplinarmaßnahmen kein förmliches Verfahren voraus. Dies hat den Vorteil, dass die Bediensteten auf die Verfehlung zeitnah und flexibel reagieren können. Die erzieherischen Maßnahmen sind eine Reaktion auf leichtere Pflichtverletzungen und haben grundsätzlich eine geringere Eingriffsintensität. Dies lässt sich anhand der in Satz 3 genannten Beispiele ablesen, für die eine zeitliche Beschränkung bis zu einer Woche vorgesehen ist, während entsprechende Disziplinarmaßnahmen für bis zu zwei Monate verhängt werden können. Die Aufzählung in Satz 3 ist nicht abschließend. Weitere, nicht in Satz 3 genannte erzieherische Maßnahmen sind z. B. Platzverweise, Fernsehverbote oder der Ausschluss von gemeinsamen Veranstaltungen. Die erzieherischen Maßnahmen haben als belastende Maßnahmen verhältnismäßig zu sein.

Erzieherische Maßnahmen können nur von solchen Bediensteten angeordnet werden, die gemäß Absatz 2 von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter hierzu ermächtigt sind. Eine solche Ermächtigung kann für einen bestimmten Personenkreis generell, aber auch für einzelne Personen, die z. B. eine bestimmte Veranstaltung beaufsichtigen, ausgesprochen werden.

Die erzieherischen Maßnahmen sollen nach Absatz 3 im Zusammenhang mit der Verfehlung stehen, weil damit den Gefangenen eher erkennbar wird, warum ihnen eine beschränkende Maßnahme auferlegt wird, und sie idealerweise zum Nachdenken und zur Abkehr von ihrem Fehlverhalten veranlasst werden.

83. Zu § 83 (Disziplinarmaßnahmen) Absatz 1 betont die Subsidiarität des Disziplinarrechts. Er bestimmt, dass ­ auf der dritten Stufe ­ Disziplinarmaßnahmen nur angeordnet werden können, wenn erzieherische Maßnahmen nach § 82 nicht ausreichen, um den Gefangenen das Unrecht ihrer Handlung zur verdeutlichen. Damit ist klargestellt, dass nach Möglichkeit eine positiv motivierende Einwirkung auf die Gefangenen im Vordergrund steht, dass aber die für einen geordneten Betrieb notwendigen Verhaltensregeln auch der Flankierung durch Sanktionen bedürfen, welche die Anstalt selbst verhängen kann (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 2098). Disziplinarmaßnahmen sind ultima ratio vollzuglicher Sanktionen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist ­ gegebenenfalls unter Einbeziehung angeordneter besonderer Sicherungsmaßnahmen ­ zu berücksichtigen.

In Absatz 2 werden die Verstöße abschließend aufgezählt, die eine Disziplinarmaßnahme nach sich ziehen können. Dies hat den Vorteil, dass den Gefangenen deutlich gemacht wird, dass das dort genannte Verhalten auf keinen Fall geduldet wird, sondern ernste Konsequenzen nach sich zieht.

Eine Disziplinarmaßnahme setzt ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Gefangenen voraus.

Nummer 3 umfasst auch die Fälle, in denen Gefangene das Anstaltsgelände verschmutzen, indem sie Lebensmittel oder andere Gegenstände aus ihren Zellenfenstern werfen und damit die Ordnung der Anstalt stören.