Die HNG bezeichnet sich als Sammelbecken und Solidargemeinschaft für Neonazis aller politischen Gruppierungen

184 VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT BERLIN 2006 „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." ÜBERSICHT Abkürzung HNG Entstehung / Gründung 1979

Mitgliederzahl Bund: ca. 600 (2004: ca. 600) Berlin: ca. 40 (2004: ca. 50) Organisationsstruktur Eingetragener Verein Sitz Frankfurt am Main Veröffentlichungen „Nachrichten der HNG" (überregional, monatlich, Auflage ca. 600)

Die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) ist mit bundesweit ca. 600 Personen nach den größeren rechtsextremistischen Parteien der mitgliederstärkste Zusammenschluss im Rechtsextremismus. In Berlin verfügt die HNG über ein Mitgliederpotenzial von rund 40 Personen.

Die HNG bezeichnet sich als „Sammelbecken und Solidargemeinschaft" für Neonazis aller politischen Gruppierungen. Laut ihrer Satzung verfolgt sie „ausschließlich karitative Zwecke, indem sie nationale und politische Gefangene und deren Angehörige im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel unterstützt". Tatsächlich ist es ihr Ziel, die Einbindung der Straftäter in die rechtsextremistische Szene während der Haftzeit zu gewährleisten und sie nach der Haftentlassung nahtlos wieder zu integrieren. Zu diesem Zweck nutzt die HNG ihre Publikation „Nachrichten der HNG". Darin sind „Gefangenenlisten" abgedruckt sowie eine Liste inhaftierter Rechtsextremisten, die Briefkontakt wünschen.

Auch in Berliner Gefängnissen werden Rechtsextremisten von der HNG betreut. Die Betreuung geht kaum über die Zustellung der „Nachrichten der HNG" hinaus, die allerdings von vielen Justizvollzugsanstalten unterbunden wird. Der Häftling wird in die dort publizierte „Gefange357

§ 2 Satzung der HNG vom 13.3.1999.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN ­ RECHTSEXTREMISMUS 185 nenliste" aufgenommen, manche erhalten Briefe der Vorsitzenden der HNG. Antworten auf diese Briefe werden teilweise in den „Nachrichten der HNG" veröffentlicht. In Einzelfällen erhalten Häftlinge geringe Geldspenden.

Die HNG versucht, den Eindruck zu erwecken, alle von ihr betreuten Straftäter seien „politische Gefangene". Dabei nimmt sie keinen Anstoß daran, dass einige der Häftlinge für Kapitalverbrechen wie Mord oder Totschlag verurteilt worden sind. Aufgrund des eng umrissenen Vereinszwecks spielen ideologische oder strategische Meinungsverschiedenheiten der HNG-Mitglieder keine große Rolle. Die HNG ist bemüht, sich aus politischen Auseinandersetzungen innerhalb des Rechtsextremismus herauszuhalten, einen „neutralen" Status zu wahren und die Vernetzung innerhalb des Rechtsextremismus zu fördern.

Kameradschaften Kameradschaften sind Personenzusammenschlüsse, die einen abgegrenzten Aktivistenstamm mit beabsichtigter geringer Fluktuation haben, eine lediglich lokale oder maximal regionale Ausdehnung, eine mindestens rudimentäre Struktur und die Bereitschaft zu gemeinsamer politischer Arbeit auf der Basis einer rechtsextremistischen, insbesondere neonazistischen Grundorientierung.

Kameradschaften sind in der Regel hierarchisch gegliedert und bestehen aus einem autoritär agierenden Kameradschaftsführer, einem Stellvertreter und meist jugendlichen Kameradschaftsmitgliedern, die sich regelmäßig zu Kameradschaftsabenden treffen. Die für die Einordnung als Kameradschaft maßgebliche gemeinsame politische Arbeit geschieht z. B. durch geschlossene Teilnahme an Demonstrationen, Erstellung und Verbreitung von Flugblättern, Internetauftritte oder politische Schulungen. Kameradschaften entstanden als Reaktion auf die zahlreichen Organisationsverbote in den 90er Jahren. An die Stelle der zerschlagenen überregionalen Strukturen sollten kleinere, unabhängige Einheiten treten, die aufgrund ihres informellen Charakters weniger Angriffspunkte für staatliches Vorgehen bieten sollten. Nach den Verboten der „Kameradschaft Tor Berlin" (KTB) und „Berliner Alternative Süd-Ost" (BASO) 2005 ist auch diese Organisationsform unattraktiv geworden.

2006 traten Kameradschaften in Berlin kaum öffentlich in Erscheinung.

Neonazi-Cliquen, die sich mitunter selbst als Kameradschaft bezeichnen, bei denen aber der politisch-ideologischen Arbeit nur sekundäre Bedeutung zukommt, werden vom Verfassungsschutz nicht als Kameradschaften definiert. Bei diesen Gruppen stehen konspirative Aktivitäten, gemeinschaftliches Auftreten und gemeinsame Freizeitaktivitäten auf Basis einer neonazistischen Grundorientierung im Vordergrund. Dies gilt z. B.

Auf ihrer Homepage finden sich rechtsextremistische Symbole und Codes, so beispielsweise „88" für „Heil Hitler."

Nach eigener Aussage gründete sich die Gruppe Ende der 90er Jahre und schottete sich ab, um sich der Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden zu entziehen: „Wir die Kameradschaft Spreewacht ein feierfreudiges Völkchen haben uns Ende der 90er Jahre zusammen gerauft. Da gerade in Berlin die sogenannte

Vgl. S. 34 ff.

Vgl. Internetauftritt der KSW, Aufruf am 1.2.2007.