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Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats auftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit unterliegt. Dieser kontrolliert im Land Berlin die Einhaltung des Berliner Datenschutzgesetzes sowie „anderer Vorschriften" über den Datenschutz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 BlnDSG). Die Strafprozessordnung ist eine solche „andere Vorschrift". Das Bundesverfassungsgericht hat den Datenschutzbeauftragten die Aufgabe zugewiesen, für den vorbeugenden Grundrechtsschutz beim Umgang mit personenbezogenen Daten zu sorgen. Dies gilt auch für das Strafverfahren.

Selbst wenn bestimmte Ermittlungsmaßnahmen (z. B. Observation, Telefonüberwachung) von einem Gericht angeordnet werden, das insoweit nicht der Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten unterliegt, stellt dies die Staatsanwaltschaft, die diese Anordnungen beantragt hat, nicht von der Datenschutzkontrolle frei.

Was die Notwendigkeit der Ermittlungsmaßnahmen anbelangt, ändern die Hinweise der Staatsanwaltschaft nichts an dem Umstand, dass spätestens die Observation nicht zu übersehende Hinweise auf die Unschuld der Petenten ergab, die von der Staatsanwaltschaft offenbar nicht berücksichtigt wurden.

Wir haben deshalb die Vorgehensweise als erheblichen Datenschutzverstoß beanstandet.

Verdeckte Ermittlungen greifen stets erheblich in die Grundrechte der Betroffenen ein. Auch wenn der beschriebene Vorgang in seiner krassen Missachtung von Datenschutzrechten sicherlich einen Ausnahmefall darstellt, verdeutlicht er jedoch zugleich die Risiken, die für den normalen, rechtstreuen Bürger mit einer stetigen Ausweitung von gesetzlichen Ermittlungsbefugnissen bei gleichzeitigem Abbau von rechtsstaatlich begründeten Tatbestandsvoraussetzungen einhergehen. Der Gesetzgeber sollte vor der Schaffung von verdeckten Ermittlungsbefugnissen deshalb auch diese Risiken beachten. Die Staatsanwaltschaft hat vor der Veranlassung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen besonders sorgfältig zu prüfen, ob diese Maßnahmen tatsächlich für die Sachverhaltsaufklärung erforderlich sind. Bei der gesetzlich vorgeschriebenen Benachrichtigung Dritter über Telefonüberwachungsmaßnahmen nach Einstellung des Verfahrens muss sie auch darüber informieren, dass der Beschuldigte entlastet ist.

Namensbezogene Ankündigung von Anklagen gegenüber dem Landgericht

Ein Rechtsanwalt wies uns darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft regelmäßig Listen der Strafverfahren an das Präsidium des Landgerichts versendet, in denen in nächster Zeit Anklage erhoben wird und bei denen mit einer Hauptverhandlungsdauer von mindestens drei Tagen zu rechnen ist. Die Listen enthielten bislang neben dem Aktenzeichen auch die Nachnamen der jeweils Beschuldigten sowie den Tatvorwurf.

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats

Der Generalstaatsanwalt hat hierzu dargelegt, dass das Landgericht auf diese Listen angewiesen sei, um die Geschäftsverteilung auf den zu erwartenden Geschäftsanfall einzustellen. Nur mit dieser Vorabinformation könne die gemäß Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) rechtsstaatlich gebotene zügige Bearbeitung umfangreicher Verfahren sichergestellt werden. Aus Sicht des Generalstaatsanwalts steht auch die Vorschrift des § 170 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO), der eine Übermittlung der Anklageschrift an das zuständige Gericht erst bei der Erhebung der öffentlichen Klage vorsieht, einer derartigen Unterrichtung nicht entgegen. Diese sei vielmehr nach § 474 Abs. 1 StPO zulässig.

Die Übersendung von Listen mit den Nachnamen der Beschuldigten an das Landgericht ist mangels Rechtsgrundlage datenschutzrechtlich jedoch nicht zulässig.

Die StPO berechtigt nicht zu der Mitteilung, dass gegen bestimmte Personen wegen bestimmter Delikte demnächst Anklage erhoben werden wird. Eine derartige Datenübermittlung kann nicht auf § 474 Abs. 1 StPO gestützt werden. Nach dieser Vorschrift erhalten Justizbehörden Akteneinsicht für Zwecke der Rechtspflege, d. h. für ein bestimmtes anderes Verfahren oder einen bestimmten anderen Vorgang und damit für einen Zweck, der nicht der Grund der Erhebung der Informationen im Ursprungsverfahren war. Die Vorschrift regelt die Informationsübermittlung für verfahrensexterne Zwecke und erfasst daher die hier infrage stehende Unterrichtung durch die Staatsanwaltschaft gerade nicht.

Unabhängig davon ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn sie zur rechtmäßigen Erfüllung der durch Gesetz der Daten verarbeitenden Stelle zugewiesenen Aufgaben und für den jeweils damit verbundenen Zweck erforderlich ist. Zur Erreichung des Zwecks der Verfahrensbeschleunigung ist eine Weitergabe der Namen der Beschuldigten aber gerade nicht erforderlich, da seit Januar 2006 auch beim Landgericht Berlin eine von Buchstaben unabhängige Geschäftsverteilung im Turnusverfahren gilt.

Ausreichend ist insoweit die Übermittlung des Aktenzeichens des Verfahrens, der zu erwartenden Anzahl der Beschuldigten, des Tatvorwurfs sowie der voraussichtlichen Verhandlungsdauer.

Das Verfahren wurde unseren Vorgaben entsprechend umgestellt. Seit April 2006 wird auf die Übermittlung von Namen der Beschuldigten verzichtet.

Strafanträge wegen dienstlich nicht veranlasster Datenabrufe

Nach dem Berliner Datenschutzgesetz sind wir befugt, wegen gesetzlich bestimmter rechtswidriger Datenverarbeitungsvorgänge gegen den jeweils Verantwortlichen Strafantrag zu stellen. Anders als einige andere

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats Behörden Berlins macht der Polizeipräsident in Berlin von der Gelegenheit Gebrauch, bei datenschutzrechtswidrigem Handeln seiner Beamtinnen und Beamten das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch uns überprüfen zu lassen.

Wie in den vergangenen Jahren legten uns der Polizeipräsident in Berlin und die Staatsanwaltschaft auch in dem Jahr 2006 regelmäßig Ermittlungsakten vor, um uns die Prüfung zu ermöglichen, ob wir einen Strafantrag nach dem Berliner Datenschutzgesetz für geboten halten. In allen 15 Fällen hatten Polizeibeamte ohne dienstliche Veranlassung Daten aus polizeilichen Informationssystemen abgerufen. In etwa der Hälfte der zu entscheidenden Fälle bejahten wir ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, in den übrigen Fällen stellten wir keinen Strafantrag.

Wesentliche Kriterien für die Bejahung eines öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung bildeten in dem Berichtsjahr vor allem etwaige Folgen einer rechtswidrigen Datenabfrage für die Geschädigten oder die Anzahl der Abrufe durch den oder die Beschuldigten.

Selbst bei einem einzigen Datenabruf stellten wir regelmäßig einen Strafantrag, wenn er offenkundig mit der Absicht getätigt wurde, um die geschädigten Personen aufzusuchen und weiter gehend zu schädigen (z.

B. durch Beleidigungen und Körperverletzungen). Ein vergleichbares öffentliches Interesse an der Strafverfolgung sahen wir bei Datenabrufen als gegeben an, die auf eine Weiterleitung von personenbezogenen Daten Unverdächtiger an das kriminelle Milieu abzielten. Strafanträge wurden auch gestellt, wenn Beamte die polizeilichen Informationssysteme ohne dienstliche Veranlassung häufig nutzten.

Insgesamt entspricht es unserer Erfahrung, die auch durch unsere Prüfpraxis bestätigt wird, dass die Berliner Polizei strafbaren Datenschutzverstößen in den eigenen Reihen regelmäßig konsequent nachgeht, wenn sie hiervon erfährt. Es gibt zu denken, dass keine andere große Behörde in Berlin uns in entsprechender Weise gebeten hat, die Stellung von Strafanträgen zu prüfen.

Der professionelle Umgang der Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft mit dienstlich nicht veranlassten Datenabrufen durch Polizeibeamte ist derzeit als vorbildlich zu bewerten.

Weitergabe von vertraulichen Informationen an Dritte durch die Justizvollzugsanstalt Tegel

Es wandte sich ein Haftinsasse an uns, der ein als vertraulich gekennzeichnetes Schreiben an die Abteilung Sicherheit der Justizvollzugsanstalt gerichtet hatte. Der Brief enthielt u. a. Informationen über den anstaltsinternen Drogenhandel. Das Schreiben sei an einen Mitarbeiter des Vollzugsmanagements gelangt, der es, ohne den Namen des Petenten zu schwärzen.