Akteneinsicht

Die Akteneinsicht verfehlt ihre Informationsfunktion, wenn die Patientendaten auf eine Art und Weise festgehalten werden, die der Patient nicht versteht. Dem Arzt obliegt es daher im Rahmen von Treu und Glauben, Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit für die Patienten herzustellen. Die inhaltliche Vermittlung kann auch in einem Gespräch mit dem Arzt erfolgen.

Das Einsichtsrecht kann auch in der Form wahrgenommen werden, dass ein Arzt oder eine Person des Vertrauens des Patienten mit der Einsicht beauftragt wird. So kann der Patient die Herausgabe von Krankenunterlagen an den nachbehandelnden Arzt verlangen.

Das Recht auf Einsicht in die Patientendokumentation besteht, ohne dass dafür ein besonderes Interesse erklärt oder nachgewiesen werden müsste. Informationelles und medizinisches Selbstbestimmungsrecht begründen für sich schon den Anspruch, umfassend über Untersuchung und Behandlung informiert zu werden.

Das Einsichtsrecht erstreckt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem ärztlichen Berufsrecht allerdings nur auf naturwissenschaftlich objektivierbare physische Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen, nicht hingegen auf den Teil der Dokumentation, der rein subjektive Eindrücke und Wahrnehmungen des Arztes enthält. Dies bedeutet, dass im Einzelfall die Einsicht in vorläufige Verdachtsdiagnosen verweigert werden kann, wenn die schützenswerten Interessen des Arztes das Informationsinteresse des Patienten überwiegen. Das Datenschutzrecht kennt eine solche Einschränkung im Übrigen nicht. Da die datenschutzrechtlichen Ansprüche unabhängig vom Standes- und Vertragsrecht gelten, kann bei deren Geltendmachung eine Offenlegung nicht verhindert werden, es sei denn, die subjektiven Aufzeichnungen werden zugleich durch ausdrücklich geregelte Ausnahmeregelungen abgedeckt.

Besonderheiten gelten in Bezug auf psychiatrische Behandlungen. Dort kommt der Entscheidung des Arztes, ob eine Aushändigung der Unterlagen an den Patienten medizinisch zu verantworten ist, besonderes Gewicht zu. Allerdings darf auch nach einer psychiatrischen Behandlung die Herausgabe der Patientenunterlagen nicht pauschal unter Hinweis auf ärztliche Bedenken verweigert werden. Die entgegenstehenden therapeutischen Gründe sind vielmehr nach Art und Richtung näher zu kennzeichnen. Der Arzt hat sich bei seiner Entscheidung einerseits an dem aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Anspruch des Patienten auf Wissen um die Diagnose und die Behandlung, andererseits aber auch an medizinisch begründeten Patientenschutzinteressen zu orientieren. Solche Schutzinteressen sind insbesondere gegeben, wenn infolge der Einsicht in die gesamte Behandlungsakte eine schwere Selbstgefährdung des Patienten droht.

Darüber hinaus kann er auch Interessen Dritter, die in die Behandlung einbezogen worden sind, sowie eigene Interessen an der Erhaltung der therapeutischen Handlungsfähigkeit mit berücksichtigen. Bei noch nicht abgeschlossener Behandlung kann eine Verweigerung daher eher begründet werden als in den Fällen, in denen die Behandlung bereits seit Jahren beendet ist oder abgebrochen wurde.

Stirbt der Patient, so geht das Einsichtsrecht hinsichtlich der Krankenunterlagen, soweit vermögensrechtliche Komponenten betroffen sind, auf die Erben über.

Die Einsichtnahme darf aber nicht dem ausdrücklich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen widersprechen. Darüber hinaus steht auch den nächsten Angehörigen ein Einsichtsrecht zu, das sich bereits aus den nachwirkenden Persönlichkeitsbelangen des Verstorbenen herleitet. Es ist gegen die Interessen des Arztes an der über den Tod hinaus fortwirkenden Verschwiegenheitspflicht abzuwägen.

Das Recht auf Akteneinsicht zählt zu den zentralen Datenschutzrechten der Patienten. Es ist Grundlage für die Kenntnis des eigenen Gesundheitszustandes und für die Bewertung der Behandlung und damit Voraussetzung für die Wahrnehmung der medizinischen Selbstbestimmung und des medizinischen Rechtsschutzes.

Auskunft über Arztbesuche:

Ein Bürger verlangte von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KVB) eine Aufstellung über seine Arztbesuche in den letzten zehn Jahren. Die KVB war der Auffassung, dass Versicherte ihr gegenüber keinen Auskunftsanspruch hinsichtlich der von ihren behandelnden Vertragsärzten abgerechneten Leistungen hätten. Ein solcher bestünde nur gegenüber der jeweiligen Krankenkasse sowie gegenüber dem Vertragsarzt selbst.

Die KVB hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Auskunft über die in Anspruch genommenen Leistungen und deren Kosten nach § 305 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur gegenüber der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse besteht. Der betroffene Bürger kann aber gleichwohl den allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 83 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegenüber der KVB geltend machen und Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Sozialdaten verlangen.

Der Anspruch nach § 83 SGB X besteht neben dem des § 305 SGB V. Die Vorschriften stehen nicht in einem sich ausschließenden Spezialitätsverhältnis, da sie inhaltlich völlig unterschiedliche Ziele verfolgen.

§ 305 SGB V verfolgt den Zweck, das Kostenbewusstsein der Versicherten zu stärken und die Transparenz des Abrechnungsgeschehens zu erhöhen, da aufgrund des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung der Versicherte nicht automatisch Kenntnis über die abgerechneten Leistungen erhält. In § 83 SGB X wird hingegen ­ analog zu § 19

Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ­ der Auskunftsanspruch des Versicherten gegenüber jeder Kassenärztlichen Vereinigung über alle den Versicherten betreffenden dort gespeicherten Sozialdaten geregelt. Er geht weiter als der Anspruch aus § 305 SGB V und dient dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen. Diese sollen anhand der Daten die Rechtmäßigkeit der Speicherung und die Richtigkeit der Daten beurteilen können.

Der Petent hatte die Art der Daten, über die Auskunft erteilt werden sollte, näher bezeichnet und damit die Antragsvoraussetzungen nach § 83 Abs. 1 Satz 2 SGB X hinreichend erfüllt. Das Auskunftsrecht erstreckt sich auf alle tatsächlich bei der KVB gespeicherten Sozialdaten gem. § 67 Abs. 1 SGB X. Es begründet selbst keine Speicherpflichten. Die Verarbeitungsbefugnisse für Versichertendaten ergeben sich allein aus § 285 Abs. 2 SGB V. Eine Löschung der bei der KVB vorhandenen Behandlungsdaten hat in der Regel spätestens nach 4 Jahren zu erfolgen (vgl. § 304 Abs. 1 SGB V i. V. m. § 84 Abs. 2 SGB X).

Über die Art und Weise der Auskunftserteilung entscheidet die KVB nach pflichtgemäßem Ermessen.

Unter Berücksichtigung der Kriterien der bestmöglichen Zweckerfüllung und der Vermeidung von Behinderungen im übrigen Verwaltungsablauf kann sie etwa zwischen der Erlaubnis von Einsichtsmöglichkeiten, dem Anfertigen von Kopien oder der mündlichen Auskunftserteilung wählen. Legitimes Kriterium können auch die für die Auskunftserteilungsart anfallenden Aufwendungen sein. Eine besondere Aufbereitung der Daten braucht nicht zu erfolgen. Verkürzt oder verschlüsselt gespeicherte Daten sind dem Betroffenen allerdings verständlich zu erläutern.

Soweit die KVB geltend macht, dass das Zusammenführen versichertenbezogener Daten über das in § 305 SGB V geregelte Verfahren hinaus regelmäßig mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden sei, und hierbei auf die eingeschränkte Auskunftspflicht nach § 83 Abs. 2 SGB X verweist, ist zu bemerken, dass die Ausnahmeregelung des Absatzes 2 nur dann eingreift, wenn es sich um Sozialdaten handelt, die allein deshalb gespeichert sind, weil sie aufgrund gesetzlicher, satzungsmäßiger oder vertraglicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen. Die Norm bezieht sich mithin auf sog. archivierte Sozialdaten, deren Kenntnis der speichernden Stelle für die rechtmäßige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Dass es sich bei den von dem Petenten begehrten Informationen gerade um solche Daten handelt, war nicht erkennbar.