Grundschule

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats persönlich angesprochen: „Du erhältst von Deiner Erzieherin jetzt ein eigenes Tagebuch. Dabei wird der Begriff des Tagebuchs, dem das Kind bei dieser Gelegenheit wohl zum ersten Mal begegnet, geradezu pervertiert. Denn es dient nicht der Aufnahme höchstpersönlicher, intimer Aufzeichnungen, die ein Mensch ihm anvertraut, sondern es soll neben eigenen Beobachtungen, Schreibversuchen und Bildern des Kindes auch Ergebnisse von Interviews enthalten, die Erzieherinnen mit dem Kind führen und sie dort festhalten.

Das „Sprachlerntagebuch" soll also gerade nicht (mit Ausnahme des ersten Teils) vertraulich behandelt, sondern von den Erzieherinnen, Eltern und später sogar den Schullehrern gelesen und genutzt werden. Wie soll ein junger Mensch den strikt vertraulichen Charakter eines Tagebuches verstehen lernen, wenn er als erstes in der Kindertagesstätte diesem „Sprachlerntagebuch" begegnet? wird und mit dem es täglich umgeht. Die Bezeichnung „Tagebuch" wird nicht immer im Zusammenhang mit einer verschlossenen „geheimen" Aufzeichnung verwendet, sondern in Pädagogik, Literatur, Seefahrt etc. schon seit alters her als Mittel zur Kommunikation und als ein Instrument des Transfers verwendet. Unter den Bezeichnungen „blogg" und „weblog" werden im Internet öffentliche online Tagebücher geführt. Auch die Polizei verwendet den Begriff Tagebuch seit Jahrzehnten, um ihre Tätigkeitsberichte zu sammeln. Jeder, der an einem Verkehrsunfall beteiligt ist, erhält von der Polizei deshalb eine Tagebuch-Nummer, mit deren Hilfe später bei Bedarf das Aktenzeichen der Polizei oder Staatsanwaltschaft ermittelt werden kann. Die Behauptung der angeblichen Pervertierung des Begriffs des „Tagebuchs", unter dem offenbar ausschließlich ein privates intimes Tagebuch verstanden wird, ist deshalb nicht nachvollziehbar.

Das Sprachlerntagebuch ist in vier Teile gegliedert.

Der erste Teil beinhaltet Fragen zum „Kennenlernen" des Kindes und seiner Familie. In einem Gespräch zwischen Leiter/in oder Erzieher/in und den Eltern sollen neben wichtigen Informationen wie Notfallnummern, Allergien usw. überwiegend personenbezogene Fragen zum Kind und seiner Familie beantwortet werden. Die Antworten werden mit den Eltern gemeinsam dokumentiert. In den weiteren Teilen des Buches wird die Entwicklung des Kindes von dem/der jeweiligen Erzieher/in beschrieben. Diese Eintragungen werden hauptsächlich aufgrund von Gesprächen, den sog. "Interviews", mit den Kindern vorgenommen.

Es handelt sich beim Sprachlerntagebuch (der Sprachdokumentation nach § 13 KitaFöG) um ein pädagogisches Instrument, das den Erzieherinnen und Erziehern, dem Kind selbst und seinen Eltern Erkenntnisse über den Entwicklungsstand und die Entwicklungsschritte beim Spracherwerb bringen und in der Kindertagesstätte die Entwicklung gezielter individueller Förderansätze unterstützen soll. Mit der Aufnahme in eine Kindertagesstätte übertragen die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten für die Dauer der Anwesenheit die Aufgaben der Betreuung, Erziehung und Bildung ihrer Kinder auf das Personal der Einrichtung. Diese Aufgaben erfordern Kenntnisse über das Kind, seine Entwicklung und sein familiäres Umfeld, um sie erfüllen zu können.

Diese Angaben, die im ersten Teil verzeichnet werden, können ihrer Art nach nur bei den Eltern erhoben werden.

Alles, was im zweiten Teil des Sprachlerntagebuches mit den Kindern, Erzieher(innen) und Eltern beobachtet und dokumentiert wird, ist Grundlage für die weiteren Entwicklungsgespräche mit den Eltern über ihr Kind. Mit den Eltern gemeinsam werden bei Bedarf weitere entwicklungsfördernde Schritte besprochen und umgesetzt. Die Kritik offenbart ein erstaunliches Fehlen jeglicher Vorstellung von der alltäglichen Realität des Zusammenlebens mit kleinen Kindern: Bei der Beurteilung der möglichen Brisanz von Informationen, die die Erzieher(innen) beim Gespräch und Malen im Sprachlerntagebuch erlangen, ist zu bedenken, dass Kinder auch ohne dieses pädagogische Mittel in vielerlei Weise unaufgefordert Einzelheiten aus ihrem Familienleben in Gesprächen, Bildern oder Rollenspielen mitteilen. Dass kleine Kinder Ereignisse anders wahrnehmen als Jugendliche oder Erwachsene und sie auch anders darstellen, ist allen in einer Kindertageseinrichtung Tätigen bewusst.

Die Informationen im Sprachlerntagebuch gehen nicht über den in Kindertagesstätten üblichen Informationsstand hinaus, sondern standardisieren sie, um sie zur

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats Sprach- und Bildungsförderung nutzbar zu machen. Im Ausnahmefall wird in gesonderten Vereinbarungen mit den Eltern bei zu schützenden Informationen über das Kind oder aus dem familiären Bereich für besondere Vertraulichkeit in der Einrichtung bzw. gegenüber Erzieher(innen) gesorgt, weil es sonst im täglichen Umgang der Erzieher(innen) mit dem Kind keine festzulegenden Grenzen gibt. Es ist der Professionalität der Pädagog(inn)en überlassen zu erkennen, wenn eine Situation entsteht, die besonderen Schutz von intimen Informationen erfordert.

Für die Implementierung des Instrumentes ist die Handreichung für Erzieher(innen) entwickelt worden, die Informationen zur Entwicklung, Bewertungen und Anleitungen zur Anwendung und zur Zusammenarbeit mit den Eltern enthält. Darin wird darauf hingewiesen, dass das Sprachlerntagebuch für Kind und Eltern jederzeit zugänglich sein soll, damit es als lebendiges gemeinsames Instrument in die pädagogische Praxis der Kindertagesförderung Eingang findet. Die Formulierung in der Handreichung, wonach der erste Teil wegen der vertraulichen Informationen getrennt aufbewahrt werden „sollte", ist allerdings unglücklich, so dass die Gefahr bestand, dass er als Empfehlung unbeachtet bleibt.

Die Einführung des Berliner Bildungsprogramms und des Sprachlerntagebuches wird durch umfängliche Fortbildungsveranstaltungen unterstützt. Der Implementierungsprozess für die pädagogische Praxis ist noch nicht abgeschlossen. In diesen Veranstaltungen wird auf die ordnungsgemäße Verwahrung der nicht öffentlich zugänglichen Teile der Sprachlerntagebücher ausdrücklich hingewiesen.

Die Bücher sind Eigentum des Kindes und seiner Eltern und am Ende der Kita-Zeit „an das Kind und die Eltern" vollständig zu übergeben. Auf der vorderen Innenseite des Sprachlerntagebuches wird im Grußwort des Senators eindeutig gesagt: „Am Ende der Kita-Zeit Ihres Kindes in der Einrichtung wird es Ihnen ausgehändigt" Das Interesse der Schule wird dabei nicht ignoriert, sondern den Eltern mitgeteilt, dass die Tagebücher für die Lehrer(innen) der Grundschule wertvolle Hinweise geben können. Die Entscheidung, ob das Tagebuch - vollständige oder nach Entfernung einzelner Seiten aus dem Ringbuch ­ in der Grundschule genutzt werden soll, bleibt aber bei den Eltern.

Da der erste Teil vertrauliche Informationen enthält, empfiehlt die Senatsverwaltung, diesen getrennt vom Sprachlerntagebuch aufzubewahren und ihn bei Übergabe an das Kind und die Eltern wieder beizufügen.

Nach der Ausgabe des Sprachlerntagebuchs hat sich eine große Zahl betroffener Eltern an den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gewandt und zu Recht auf gravierende datenschutzErstaunlicherweise sind bei der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung keine begründeten Beschwerden über Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Sprachlerntagebuch eingegangen. Die

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats rechtliche Mängel hingewiesen. Pointiert ausgedrückt ermöglicht das Sprachlerntagebuch eine weitgehende Ausforschung von Kindern über ihre persönlichen und familiären Verhältnisse. So sollen sie z. B. über die in der Familie gesprochene Sprache Auskunft geben. fünf Eingaben von Eltern hatten nur Fragen nach dem Zweck einzelner Daten zum Inhalt, die in allen Fällen ausgeräumt werden konnten. Um die Fehler, die es nach den Erfahrungen des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in einzelnen Einrichtungen bei der Handhabung der Sprachlerntagebücher dennoch gegeben zu haben scheint, wurde vorsorglich in einem Schreiben an alle Einrichtungsträger klargestellt, dass

1) die persönlichen und zum Teil vertraulichen Informationen des ersten Teils getrennt aufbewahrt und erst zur Übergabe an die Eltern wieder in das Sprachlerntagebuch eingefügt werden sollen,

2) die Verwahrung dieser Informationen in einem nicht frei zugänglichen Raum, so dass er nur Befugten [also den Eltern, der Einrichtungsleitung und dem/der zuständigen Erzieher(in)] auf Anforderung z. B. von der Leiterin ausgehändigt werden kann, unbedingt zu gewährleisten ist,

3) das Sprachlerntagebuch beim Ausscheiden des Kindes aus der Kindertagesstätte an das Kind und dessen Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte heraus zu geben ist. Ausdrücklich wird nochmals erläutert, dass es der Entscheidung der Eltern überlassen ist, ob und in welcher Form sie das Sprachlerntagebuch später der Lehrerin oder dem Lehrer der Schulanfangsphase in der Grundschule übergeben und dies die Kindertagesstätte den Eltern nur empfehlen kann.

Der kommenden Auflage des Sprachlerntagebuchs wird außerdem ein ausführliches Informationsschreiben an alle Eltern beigelegt werden.

Informationen zum ersten Teil des Buches werden über Gespräche mit den Kindern eingeholt. Die Angaben werden dabei unkritisch in das Tagebuch aufgenommen, es wird nicht zwischen den Aussagen jüngerer und älterer Kinder differenziert. Vor allem werden die Eltern nicht über die Freiwilligkeit der Führung des Sprachlerntagebuches für ihr Kind informiert. Große Unsicherheit besteht bei den Eltern hinsichtlich des Umgangs mit den erhobenen Daten. Im Vorwort des Dokuments befinden sich dazu keine Erläuterungen. Die Eltern haben uns geschildert, besonders große Unklarheiten bestünden zu der Frage, wofür die Daten verwendet würden, ob eine Weitergabe und wie die Auswertung der Daten erfolge.

Aus den Eingaben geht hervor, dass auch die Leiter/ innen und Erzieher/innen der Kindereinrichtungen nicht in ausreichendem Maße auf die Führung eines Tagebuches und den Umgang mit den dort erhobenen Daten vorbereitet wurden. So wird uns berichtet, die Tagebücher liegen vollständig, also ohne Ausgliederung des ersten Teils mit den personenbezogenen Eintragungen, in den Räumen der Kindertagesstätten aus.

Die Bücher seien somit offen für jede Person einsehbar.

Schließlich, so berichten Eltern, seien sie aufgefordert worden.