Tarifverträge

Dies ist zutreffend und aus Sicht des Vorstands der Charite, der sich die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung insoweit anschließt, ist der äußerst schwierige Umstrukturierungsprozess bei der Bewertung des geprüften Sachverhalts zu berücksichtigen.

Zum 01.06.2003 wurden durch das Vorschaltgesetz (HS-Med-G) vom 27.05.2003 (GVBl. S. 185) die medizinischen Fakultäten und Universitätsklinika der Humboldt-Universität zu Berlin und der Freien Universität Berlin fusioniert und als rechtlich selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts „Charite ­ Universitätsmedizin Berlin" errichtet. Die Charite sollte durch den Aufbau von Unternehmensstrukturen ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, um als Innovationsmotor in der Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg zu wirken und auch den Anforderungen der Gesundheitsreform Rechnung tragen zu können. Das Vorschaltgesetz enthielt zwar noch nicht alle endgültigen Organisationsstrukturen, aber die Zentrenbildung war bereits politische Absicht und mit dem Berliner Universitätsmedizingesetz vom 05.12.2005 (GVBl. S. 739) wurden diese Strukturen mit Wirkung zum 16.12.2005 rechtlich verbindlich geregelt.

Die Charite wurde in der Folgezeit in 17 Zentren, davon 11 klinische Zentren und 6 andere Zentren, in denen keine Krankenversorgung erbracht wird, gegliedert. Für alle 17 Zentren ist nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 3 Berliner Universitätsmedizingesetz in der Zentrumsleitung die Position eines kaufmännischen Mitgliedes vorgeschrieben. In den 11 klinischen Zentren ist nach § 19 Abs. 2 Nr. 3 Berliner Universitätsmedizingesetz in der jeweiligen Zentrumsleitung ein Mitglied als Pflegedirektion vorgeschrieben.

Die 15 im Bereich der Zentralen Verwaltung abgeschlossenen Verträge sind als Anzahl von ATVerträgen im Hinblick auf die Gesamtzahl der Beschäftigten in der Charite und im Hinblick auf die erfolgte Umstrukturierung der Geschäftsbereiche vertretbar und auch mit anderen Wirtschaftsunternehmen vergleichbar. Bezüglich der Höhe hat der Vorstand auf eine ihm vorliegende Kienbaumstudie für Führungskräfte im Krankenhaus als Vergleichsmaßstab verwiesen.

Die 13 im Bereich des ärztlichen Dienstes abgeschlossenen AT-Verträge tragen nach Angaben des Vorstands den Funktionen als Leiter besonderer Bereiche oder der Stellvertreterfunktion für die jeweilige Klinikleitung Rechnung.

T 330:

Der Aufsichtsrat der Charite hat am 30. September 2005 einen Vergütungsrahmen für die kaufmännische Leitung und die Pflegedienstleitung beschlossen: Ansicht 45: Vergütungsrahmen Kaufmännische Leitung PflegedienstleitungVergütungsrahmen für

- interne Besetzung 39 000 bis 60 000 39 000 bis 60 000 externe Besetzung 80 000 bis 100 000 70 000 bis 100 000

Weitere Vorgaben zur dienstlichen und fachlichen Notwendigkeit des Abschlusses von AT-Verträgen bestanden nicht. Die Vorlage für den Aufsichtsrat enthält allerdings die Ankündigung, nach Festlegung der weiteren tariflichen Grundlagen ein Rahmenkonzept u. a. für die Zielgruppe der Geschäftsbereichsleiter/innen der Zentralen Bereiche zu erarbeiten und zur Entscheidung vorzulegen. Dieses Konzept - einschließlich der ebenfalls noch fehlenden Festlegungen für den ärztlichen Dienst - lag bis zum Abschluss der Prüfung nicht vor.

Der Abschluss der AT-Verträge fiel in eine Zeit erheblicher Umstrukturierungen und Reorganisationsmaßnahmen der Charite; Überlegungen zur künftigen Aufbauorganisation und Aufgabenverteilung waren noch nicht abgeschlossen.

Dennoch wurden AT-Verträge für die Leitung von Aufgabenbereichen geschlossen, die kurze Zeit später neu strukturiert wurden und weitere AT-Verträge nach sich zogen. Verträge, die bereits vorher bestanden, wurden trotz anderer Aufgabenstellungen unverändert beibehalten. Die Charite hat durch diese Entscheidungen auf einer nicht ausreichend abgesicherten Grundlage unnötige oder überhöhte Personalausgaben ausgelöst.

Bei internen Besetzungen ist nicht geprüft worden, ob eine kommissarische Einsetzung unter Beibehaltung der bisherigen Vergütung und einer persönlichen Zulage für einen überschaubaren Zeitraum effizienter gewesen wäre.

Von der Möglichkeit, den bereits beschäftigten Tarifangestellten Führungsaufgaben zunächst nur befristet unter Abschluss einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag zu übertragen, wurde ebenfalls kein Gebrauch gemacht.

Besonders schwer wiegt aber, dass 12 der 15 Verträge der Zentralen Verwaltung, darunter sieben bereits im Jahr 2004, geschlossen wurden, obwohl zu diesem Zeitpunkt Vorgaben durch einen Vergütungsrahmen des Aufsichtsrats sowie eine dies begründende Aufgabenstruktur nicht vorlagen.

Die Verträge wurden zum überwiegenden Teil auf fünf Jahre befristet. Allerdings waren drei Viertel der AT-Dienstkräfte bereits an der Charite tätig. In diesen Fällen ruht nach den Vertragsvereinbarungen der Arbeitsvertrag oder das Dienstverhältnis. Soweit bestehende Verträge verwendet wurden, sind individuelle Sachverhalte nicht konkret angepasst worden. Insgesamt ist festzustellen, dass die offenbar unter Zeitdruck vorgenommenen Vertragsabschlüsse vielfach inhaltlich und formal fehlerhaft waren. Der Rechnungshof hat dies beanstandet und die Charite aufgefordert, die arbeitsvertraglichen Mängel konsequent zu beseitigen.

Zutreffend ist, dass der Aufsichtsrat der Charite am 30.09.2005 einem vom Vorstand vorgelegten Vergütungsrahmen für die kaufmännischen und pflegerischen Leitungen der künftigen ChariteCentren zugestimmt hat.

Die Beanstandung des Rechnungshofs, dass 12 der 15 Verträge der Zentralen Verwaltung, darunter 7 bereits im Jahr 2004, geschlossen wurden, obwohl Vorgaben des Aufsichtsrats durch einen Vergütungsrahmen sowie eine Aufgabenstruktur noch nicht vorlagen, ist nicht berechtigt.

Die Zustimmungspflichtigkeit des Aufsichtsrats für „die Rahmenkonzeption für den Abschluss von außertariflichen Arbeitsverträgen" bestand nach § 11 Abs. 4 Nr. 10 Berliner Universitätsmedizingesetz erst mit Inkrafttreten dieses Gesetzes, also ab 16.12.2005. Bis dahin war im Vorschaltgesetz keine entsprechende Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats normiert.

Der Vorstand der Charite hatte lediglich im Vorgriff auf die gesetzgeberisch geplante und von ihm zügig umzusetzende Einrichtung der ChariteCentren und die Besetzung der Leitungsposition den Aufsichtsrat mit dem Vergütungsrahmen befasst. Zum damaligen Zeitpunkt war der Vorstand wohl davon ausgegangen, dass der vorgeschlagene Vergütungsrahmen marktgerecht und damit ausreichend sei. Nach Darlegung des Vorstands wurden in der Folgezeit abweichende Gehaltsvereinbarungen notwendig.

Bezüglich der bemängelten fehlenden oder geänderten Aufgabenbeschreibungen verweist der Vorstand der Charite darauf, dass in allen Fällen ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen den übertragenen Aufgaben und der Vergütung bestehe. Der Abschluss der AT-Verträge sei nach den Kriterien: Verantwortung der Aufgabe, besonderer Schwierigkeitsgrad der Aufgabe, Führungsverantwortung oder bedeutsames Expertenwissen, herausragende Qualifikation und Erfahrungen für die Aufgabe, Konkurrenzfähigkeit und Marktorientierung entscheidend gewesen.

Berechtigte Anmerkungen des Rechnungshofs sind nach Angaben des Vorstands bereits behoben worden.

T 331:

In den AT-Verträgen ist jeweils eine jährliche Festvergütung vereinbart, die in zwölf gleichen Monatsbeträgen gezahlt wird und mit der - bis auf wenige Ausnahmen im ärztlichen Bereich - sämtliche Ansprüche auf Nebenleistungen und Vergütung für dienstlich erforderlich werdende Mehrarbeit abgegolten sein sollen.

Darüber hinaus erhalten die AT-Angestellten - von sieben Beschäftigten abgesehen - eine vertraglich vereinbarte variable Vergütung. Dieser variable Anteil ist im Wesentlichen folgendermaßen festgelegt:

· Prozentual zu den jeweiligen Festgehältern mit 10, 12,5, 15 oder 30 v. H. - das entspricht 8 500 bis 27 000 oder

· überwiegend als konkret benannter Betrag - mit einer Spanne zwischen 3 500 und 25 000, in einem Fall 50 000.

Die variablen Anteile sind somit in unterschiedlichsten Größenordnungen vereinbart und bewegen sich - gemessen an den Festvergütungen - häufig im Bereich von 20 v. H. Nach welchen Maßstäben sie im Einzelfall festgelegt wurden, war nicht aktenkundig und daher für den Rechnungshof nicht feststellbar. In einigen Fällen wurde vertraglich vereinbart, einen Teil der variablen Vergütung regelmäßig vorab mit dem laufenden Monatsgehalt auszuzahlen, obwohl erst am Jahresende die Zielerreichung geprüft werden kann. Die variablen Vergütungen für die Jahre 2004

(anteilig) und 2005 sind in voller Höhe ausgezahlt worden.

T 332:

Die Gewährung einer variablen erfolgsabhängigen Jahressonderzahlung knüpft an die Erreichung persönlicher und betriebsbezogener Ziele an. Der Bonuszahlung müssen daher konkrete Leistungsziele zugrunde liegen. Der Grad der Zielerreichung ist in jedem Einzelfall nachvollziehbar festzuhalten.

Hierfür sind grundsätzlich Zielvereinbarungen abzuschließen. Die Vorgehensweise zur Erarbeitung und Gestaltung dieser Zielvereinbarungen ist in der Charite sehr unterschiedlich. Bei Vertragsabschluss innerhalb des laufenden Jahres wurde generell unterstellt, dass die Ziele zu 100 v. H. erreicht werden. Bereits abgeschlossene Vereinbarungen sind in einigen Fällen sehr knapp gehalten. Beispielsweise ist die Bezugsgröße im ärztlichen Bereich überwiegend die Anzahl der auszuführenden Operationen pro Jahr. Ein Zusammenhang zwischen Lehre, Forschung und medizinischer Versorgung, der auch aus den AT-Verträgen ersichtlich ist, findet sich in den Zielvereinbarungen nicht wieder.

Im Mai 2006 wurden die Zielvereinbarungen für kaufmännische Leiter, in deren AT-Vertrag eine variable Vergütung vereinbart wurde, für das laufende Jahr erarbeitet. Danach gilt die Zielvereinbarung als erfüllt, wenn das Budget der einzelnen Klinik um nicht mehr als 0,5 v. H. überschritten wird. Bei einer darüber hinausgehenden Budgetüberschreitung bis zu 1,5 v. H. wird die variable Vergütung anteilig gezahlt. Abgesehen davon, dass Zielvereinbarungen vor Beginn des betreffenden Zeitraumes zu erarbeiten sind, ist nicht erkennbar, wie hoch tatsächlich eine anteilige variable Vergütung ausfallen soll.

Der Rechnungshof hat diese Vorgehensweisen beanstandet und die Charite aufgefordert sicherzustellen, dass variable Vergütungsbestandteile künftig - soweit sie überhaupt in Betracht kommen - nur noch auf der Grundlage rechtzeitig und vollständig abgeschlossener Zielvereinbarungen gezahlt werden. Vorauszahlungen auf diese Leistungen sind generell einzustellen, weil sie mit dem Wesen solcher Zahlungen nicht vereinbar sind.

Zu T 331 und 332:

Die variable Gehaltskomponente war in der Aufsichtsratsvorlage zum o. g. Vergütungsrahmen mit bis zu 30 v.H. benannt. Die Auszahlung von Teilen der variablen Vergütung mit dem Monatsgehalt dient nach Auffassung des Vorstands der Charite als motivierendes Element und sei in anderen Branchen teilweise üblich.

Die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung hält (Teil-)Vorauszahlungen für zulässig, wenn absehbar ist, dass das vereinbarte Ziel voraussichtlich erreicht wird und Rückforderungsklauseln existieren. Sie erwartet von der Charite, dass die Ziele und die Kriterien zur Messung der Ziele sowie die Höhe der variablen Gehaltsbestandteile eindeutig mit den betreffenden Dienstkräften festgelegt werden und der Bedeutung der Position angemessen sind.

Der Vorstand der Charite hat mitgeteilt, dass allen Beschäftigten mit AT-Verträgen im Dezember 2006 eine Information zum Abschluss von Zielvereinbarungen zugegangen sei, in der u. a. die Grundsätze von Zielvereinbarungsprozessen beschrieben seien.

T 333:

Bei Einschätzung der jeweils vereinbarten Vergütungen hat der Rechnungshof zwischen interner und externer Besetzung der einzelnen Arbeitsgebiete unter Berücksichtigung der im Land Berlin gezahlten Bezüge und der vorherrschenden üblichen Marktbedingungen unterschieden. Er sieht diese Vergütungen - auch unter Anlegung großzügiger Maßstäbe - größtenteils als deutlich überhöht an. Aufgabenkreisbeschreibungen und auf dieser Grundlage getroffene Bewertungsentscheidungen konnten nicht vorgelegt werden. Lediglich für die Funktionen der kaufmännischen Leitung und der Pflegedienstleitung sind im bereits genannten Aufsichtsratsbeschluss (T 330) Aufgaben in allgemeiner Form beschrieben, die für alle 17 Zentren sowie die 11 Pflegebereiche identisch sind. Aus dieser Sicht sind die unterschiedlichen Höhen der Vergütungsvereinbarungen auch zwischen externer und interner Besetzung nicht zu erklären.

Der Vergütungsrahmen „orientiert sich bei internen Stellenbesetzungen an den heute gültigen Regelungen des BAT bzw. bei späterer Übernahme des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes (TVöD) an den entsprechenden Eingruppierungsregelungen und bei externen Stellenbesetzungen an den Marktbedingungen und für den Fall, dass eine tarifgerechte Eingruppierung nicht möglich ist, an den genannten Gehaltsbandbreiten" (T 330). An welchen Marktbedingungen sich die Einrichtung ggf. ausrichten will, ist nicht näher konkretisiert.

Auch für den Bereich der Zentralen Verwaltung und im Bereich des ärztlichen Dienstes hält der Rechnungshof entsprechende Unterlagen zur Aufgabenbeschreibung für unerlässlich.