Wachstumsszenarien

Diese Menschen ziehen in die wirtschaftlich stärkeren Regionen, und diese Regionen liegen vor allem in Süddeutschland.

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat in einer vergangene Woche vorgestellten Studie von einem Schrumpfungskeil vom Osten Deutschlands bis ins Ruhrgebiet gesprochen. Ich sage das nicht, um irgendwelche Katastrophenszenarien an die Wand zu malen, sondern weil wir Grünen der Auffassung sind, dass wir als Politikerinnen und Politiker überhaupt erst dann in der Lage sind, Handlungsstrategien aufgrund des demographischen Wandels zu entwerfen, wenn wir die Fakten zur Kenntnis und auch ernst nehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In der Vergangenheit hat die große Koalition auf Wachstumsszenarien gesetzt, und die sind alle nicht eingetreten. Wenn der Senat auch jetzt, Herr Kollege Focke hat darauf hingewiesen, für Bremen eine Wachstumsstrategiealsalternativlosbezeichnet,macht uns das schon skeptisch. Gleichwohl, auch wir Grünen finden es richtig, dass wir versuchen sollten, neue Einwohnerinnen und Einwohner für beide Städte zu gewinnen. Bremens Bevölkerung, auch darauf wurde schon hingewiesen, bleibt bis 2020 einigermaßen stabil, Bremerhaven dagegen muss einen Bevölkerungsrückgang um 12,5 Prozent verkraften. In der Altersgruppe 30 bis unter 50 Jahre beträgt die Abnahme sogar 20 Prozent.

Bremerhaven hat damit ähnliche Probleme wie viele ostdeutsche Kommunen. Wir finden es richtig, dass auch Zahlen, die schmerzlich sind, auf den Tisch kommen, denn nicht durch Schönreden werden Probleme gelöst, sondern wenn aufgrund von Tatsachen Lösungsstrategien entworfen werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Man muss es leider sagen, Bremerhaven ist eben eine schrumpfende Stadt, und das hat Folgen, Folgen für den Städtebau, den Abriss, die Verkehrsinfrastruktur. Aber wir sagen auch, Bremerhaven hat Chancen. Chancen sind die Häfen, Chance ist die Logistik, Chancen sehen wir in der Windenergie und auch in dem vorhandenen Wissenschaftspotential. Ich nenne da zum Beispiel das Alfred-Wegener-Institut, aber auch die Hochschule. Sie tragen dazu bei, qualifizierte Menschen an die Stadt zu binden. Aber ich sage auch deutlich, weil das Wort Wohnumfeld von meinen Vorrednern schon genannt wurde, in Bremerhaven kommt es sehr darauf an, um die Menschen in der Stadt zu halten, gerade was die Entlastung vom Durchgangsverkehr für Lkw angeht, hier deutlich andere Signale zu setzen, als das bisher in Bremerhaven geschieht, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Da sich der demographische Wandel auf nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche erstreckt, erfordert er auch eine andere Politik. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sehr viel mehr in diesen Prozess einbezogen werden. Heute wissen immer noch etwa 50 Prozent der Bevölkerung nicht, was sich überhaupt hinter dem Begriff demographischer Wandel verbirgt.

Wir setzen bei diesem Prozess auf die Einbeziehung der Bevölkerung in unseren Städten. Wir wollen, dass sie aktiv an diesem Prozess beteiligt ist, weil wir der Auffassung sind, dass es die Menschen in den beiden Städten sind, die dazu beitragen können, ein Auseinanderbrechen der Stadtgesellschaft zu verhindern, indem man die Integrationskraft der Städte, aber gerade auch der Stadtteile stärkt und darauf hinwirkt, dass wir nicht in arme und reiche, in Stadtteile mit nur deutscher oder nur ausländischer Bevölkerung zerfallen. Das sind die Aufgaben, die wir in der Zukunft zu bewältigen haben.

Für uns ist eines der allerwichtigsten Ziele, dass es keinen einzigen Stadtteil, weder in Bremen noch in Bremerhaven, geben darf, in dem Kinder und Jugendliche keine Chance haben. Wir dürfen in Zukunft kein Kind links liegen lassen. Der Anteil der Jugendlichen ­ und ich glaube, das müssen wir uns immer wieder sehr deutlich machen ­, die in unserem Bundesland nur unzureichende Kompetenz erlangen, ist erschreckend hoch. Im Hinblick auf die demographische Entwicklung ist der Zugang zu gleichberechtigten Bildungschancen, vor allem auch für Migrantenkinder, von zentraler Bedeutung für uns Grüne.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss ganz oben auf der Tagesordnung stehen, und da sind auch alle Unternehmen in Bremen und Bremerhaven gefordert. Gestern haben Sie die Erhöhung der Kindergartengebühren beschlossen. Damit werden Sie, meine Damen und Herren, die Lust am Kinderbekommen nicht gerade steigern. Auch davon sind wir überzeugt.

Bildung, Ausbildung und Weiterbildung stehen für uns an erster Stelle, wenn man die Folgen des demographischen Wandels einigermaßen im Griff behalten will. Für uns gehört dazu auch, auf bestehende Stärken in beiden Städten zu setzen, und in Bremen sind das für uns unsere Hochschulen. Die Bremer Universität ist ein Aushängeschild, und wir sagen, sie muss es auch bleiben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich glaube, wir dürfen die Augen vor einem nicht verschließen: Es wird natürlich auch einen Wettkampf um die schlauesten Köpfe in unserem Land geben.

Die Menschen, die hoch qualifiziert sind, gehen dahin, wo die Arbeitsbedingungen gut sind. Wir sind, was Bremen angeht, augenblicklich top, gerade auch was unsere Universität angeht, und es lohnt sich, hier auch an der Spitze zu bleiben.

Wir brauchen aber auch eine Stadtpolitik, die beides leistet, jugendgemäß und altersgerecht, sie muss beides können. Die gesundheitliche Vorsorge und Versorgung muss stärker auf die ältere Bevölkerung ausgerichtet werden. Natürlich muss das Angebot an Wohnraum qualitativ dem neuen Altersdurchschnitt angepasst werden. Barrierefrei ist das Stichwort der Zukunft. Wir müssen in Zukunft auf barrierefreies Wohnen setzen, und zwar nicht nur für die Alten, das gilt für uns alle: Barrierefreie Wohnformen muss es mehr denn je in unserer Stadt geben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Aber auch neue Wohnformen sind gefragt, zum Beispiel Senioren-WGs. Sie sind auf dem Vormarsch.

Ältere Menschen, die jetzt noch im Umland wohnen, zieht es zurück in die Stadt. Das ist gut, und das ist eine Chance für Bremen, neue Einwohnerinnen und Einwohner zu gewinnen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich sage aber auch hier ganz deutlich: Dabei spielen auch weiche Standortfaktoren, und dies gilt für Jung und Alt gleichermaßen, eine große Rolle. Dazu gehören eine saubere Umwelt, ausreichende Dienstleistungs- und Freizeitangebote und ein vielfältiges Kulturangebot. Dies sind Faktoren, die auch über eine Wohnortwahl entscheiden. Dies bedeutet aus meiner Sicht, dass wir Bremen trotz der dramatischen Haushaltslage als attraktiven Wohn- und Arbeitsort erhalten und umbauen müssen. Lebenswerte Stadtquartiere für junge und alte Menschen, für Reiche und Arme und für Familien und Familiengründer sind das Rückgrat einer vitalen Stadt, auch einer Stadt, die sich im demographischen Wandel befindet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir sind der Auffassung, dass aus der umfangreichen Antwort des Senats eines deutlich wird: Die Probleme und Herausforderungen, die es aufgrund des demographischen Wandels zu bewältigen gilt, werden richtig beschrieben, aber der Senat hat noch keine wirkliche Strategie, welche konkreten Maßnahmen er ergreifen will, vor allem aber, welche Prioritäten er setzen will. Der Senat sagt, dass Bremen eigene Handlungsansätze entwickeln muss, und ein übergreifendes Managementkonzept sei anzustreben. Das hört sich alles noch sehr vage an, aber welche Strukturen geeignet wären, erfahren wir nicht. Ich glaube, dass es in Zukunft darauf ankommt, mehr denn je Ressortegoismen und Ressortabgrenzungen zu überwinden. Um all die Herausforderungen zu bewältigen, ist ressortübergreifende Zusammenarbeit notwendiger denn je.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir plädieren nachdrücklich dafür, die Menschen vor Ort sehr viel mehr in diesen Prozess einzubeziehen, neue Formen der Bürgerbeteiligung und des Bürgerengagements müssen ausprobiert werden. In den Stadtteilen hat der demographische Wandel schon begonnen. Strategien müssen einerseits das Ganze der Stadt im Blick haben, aber auch sehr differenziert und kleinteilig aus den Stadtteilen heraus entwickelt werden. Tenever und Huchting benötigen andere Strategien als Vegesack oder das Viertel. Beiräte haben gute Kenntnisse über die Bevölkerung in ihren Stadtteilen, aber auch Beiräte müssen zukünftig lernen, über ihr Beiratsgebiet hinauszuschauen und in vielen Fragen mit anderen Beiräten zu kooperieren.

Ich glaube, es wird darum gehen, quer durch unsere Städte neue Netzwerke zu spannen und Patenschaften und Kooperationen auf den unterschiedlichsten Ebenen zu bilden. Bei enger werdenden finanziellen Spielräumen müssen die Stärkeren mehr schultern als die Schwachen, und Investitionen müssen auch auf ihre Demographietauglichkeit hin überprüft werden.

Eines ist klar: Wachstumsszenarien, die, wie in der Vergangenheit geschehen, vor allem auf Ausbau von Straßen, Gewerbeflächen und Wohnungsbauflächen setzen, setzen auf das falsche Pferd und werden den Anforderungen durch den demographischen Wandel nicht gerecht. ­ Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Vizepräsidentin Dr. Mathes: Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Abg. Tittmann (DVU): Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Folgen des so genannten demographischen Wandels in Bremen und Bremerhaven müssen geradezu als katastrophal bezeichnet werden. Das, was sich infolge Ihrer verfehlten Politik in Bremen und Bremerhaven hinsichtlich der Kinder-, Jugend-, Familien-, Finanz-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-,Sozial-,Senioren-,Gesundheits-undnicht zuletzt der Ausländerpolitik, der inneren Sicherheit und so weiter abzeichnet, ist mehr als alarmierend und muss jeden Normalbürger in Angst und Schrecken versetzen.

Meine Damen und Herren, dass die Altparteien nicht nur im Land Bremen, sondern bundesweit eine Politik des demographischen Selbstmords betreiben, hat die demokratische Deutsche Volksunion immer wieder aufgezeigt. So muss zum Beispiel festgestellt werden: Während bei unserem EU-Nachbarn Frankreich seit über zehn Jahren eine effektive und erfolgreiche Bevölkerungspolitik betrieben wird, haben unsere politisch Verantwortlichen bereits das bloße Wort zum Tabuthema erklärt. Entsprechend schlimm ist es nun um die Zukunft unseres Gemeinwesens bestellt.

Die dramatischen Auswirkungen bezogen auf Bremen und Bremerhaven sind zudem viel weitreichender, als die Mitteilung des Senats erkennen lässt. Ich möchte hier einige entscheidende Bereiche aufgreifen, zum Beispiel Kinder-, Jugend- und Familienpolitik.

Tatsache ist doch: Unser Bundesland setzt ein Schlusslicht hinsichtlich der Geburtenrate deutscher Kinder.

Deutschland hat bereits weltweit mit der niedrigsten Geburtenrate zu kämpfen. Statistisch gesehen bringt jede Frau nur noch 1,36 Kinder zur Welt, in Bremen liegt die Quote meines Wissens nach sogar noch darunter. Bei uns geht der Anteil der Deutschen seit Jahrzehnten dramatisch zurück, während aber gleichzeitig die Geburtenfreudigkeit unter Ausländern besonders zunimmt.

Meine Damen und Herren, entsprechend vollzieht sich ein so genannter Umvolkungsprozess im auch mit schlimmen Folgen für die sozialen Sicherungssysteme. Aus der Tatsache, dass der Anteil der fünfzehnjährigen Schüler mit einem so genannten Migrantenhintergrund in Bremen inzwischen beinahe 40 Prozent ausmacht, kann keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass dies für die Zukunft, etwa die der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes, und für die Stabilisierung des Sozialwesens von Vorteil wäre, denn nur knapp 45 Prozent der ausländischen Schülerinnen und Schüler in Bremen erreichen den Hauptschulabschluss. Der Großteil wird folglich kaum eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung finden. Das dürfte sogar Ihnen klar sein.

Die Folgen sind schon vorprogrammiert. Bereits jetzt liegt der Anteil der ALG-II-Bezieher zwischen 15 und 25 Jahren weit über dem Bundesdurchschnitt. Beinahe 29 Prozent aller unter Fünfzehnjährigen beziehen zudem Sozialhilfe. Vor diesem erschreckenden Hintergrund dürfte die Bedeutung bezüglich der Entwicklung des Angebots an Arbeitskräften in der Mitteilung des Senats alles andere als realistisch sein.

Zudem wird politisches Versagen unter dem Stichwort Kriminalität in der Mitteilung des Senats so umschrieben und beschönigt: Einzelne Deliktgruppen, Straßenkriminalität, Ladendiebstahl, Raub, Körperverletzung ­ und so weiter ­ sind in bestimmten Altersgruppen stärker vertreten. Diese Auffälligkeiten verstärken sich, wenn die jungen Tatverdächtigen einen Migrationshintergrund vorweisen. Der Anteil dieser Jugendlichen stieg in den letzten zwölf Jahren, man höre und staune, um sage und schreibe über 50 Prozent an.

Meine Damen und Herren, Bremen hat nach Angaben aus der Pisa-Studie den höchsten Migrantenanteil in dieser Altersgruppe unter den deutschen Großstädten. Das sagt doch schon alles aus. Diese Tatsache konnten Sie zum Beispiel gestern im ZDFMagazin Frontal 21 oder in anderen unzähligen Politmagazinen sowie wöchentlich in der Nationalzeitung hautnah mitverfolgen. Kein politischer Schwätzer, Heuchler oder Dummenfänger kann sich also heute damit herausreden, es handele sich um ein vorher nicht bekanntes und erkanntes Problem. Ich habe Sie in etlichen Redebeiträgen und DVU-Anträgen vor dieser Entwicklung nachweislich deutlich gewarnt.

Jegliche Warnungen wurden von Ihnen in den Wind geschlagen, Daten und Fakten wurden von Ihnen unverantwortlich verharmlost und somit natürlich auch keine Konsequenzen gezogen, ganz im Gegenteil:

Ich wurde von Ihnen auch noch fälschlicherweise als Ausländerfeind und Rassist verunglimpft und beschimpft.

Heute, meine Damen und Herren, sprechen die Tatsachen Bände. Aus der polizeilichen Kriminalitätsstatistik geht hervor, dass sich unter den zirka 7000

Jugendlichen, gegen die unter anderem wegen Diebstahl, Raub, Körperverletzung und so weiter ermittelt wird, zirka 4000 Jugendliche befinden, die einen so genannten Migrationshintergrund haben. Aus Polizeikreisen ist zu erfahren, dass junge kriminelle Ausländer mehr und mehr Gewalt an der Schule verbreiten und ausüben. So stellt auch der Jugendbeauftragte der Bremer Polizei, Herr Frank Kunze, fest, ich darf zitieren: Bei unseren Intensivtätern haben demographischer Wandel führt er aus, dass diese ausländischen Jugendlichen kaum mit polizeilichen Präventionsprogrammen zu erreichen seien.

Meine Damen und Herren, in der Mitteilung des Senats werden auch in dieser Hinsicht Ihr Versagen und Ihre Hilflosigkeit sehr deutlich. So begnügt man sich mit Begriffen wie zum Beispiel Wertewandel, Kulturkonflikte und so weiter. Wirksame Handlungskonzepte, wie ich sie hier namens der Deutschen Volksunion immer wieder vorgetragen habe, werden von Ihnen natürlich unverantwortlich ausgeklammert.

Dabei konnte schon 1998 und 1999 in einer kriminologischen Untersuchung namens Ausgrenzung, Gewalt und Kriminalität deutlich festgestellt werden, dass die Delinquenz junger Ausländer nach Verabreichung der üblichen Integrationsmedizin nicht sinkt, sondern ansteigt.

Meine Damen und Herren, hierzu schreibt der führende, etablierte Integrationsprofessor Wilhelm Heitmeyer, Uni Bielefeld, ich darf zitieren: Minderheiten ziehen sich in Deutschland auf ihre eigene und religiöse Identität zurück. Die Häufigkeit von Kontakten zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen nehme dramatisch ab. Meine Damen und Herren, das heißt ­ und nun sollten Sie gut zuhören ­, am Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts wer