Vorsorge

Auftraggebers (sogenanntes „In-house-Geschäft") anzusehen. Hierfür ist erforderlich, dass

1. die auftragserteilende Gebietskörperschaft (Land Berlin) über die zu beauftragende Stelle (BVG) eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und

2. diese Stelle zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für den Auftraggeber verrichtet, der ihre Anteile inne hat.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat am 30. Oktober 2007 einen Entwurf zur Änderung des Berliner Betriebegesetzes beschlossen, der darauf zielt, das Verhältnis zwischen dem Land Berlin und der BVG so auszugestalten, dass eine vergaberechtskonforme Direktbeauftragung der BVG möglich wird. Das Land Berlin kann daher auch ohne europaweiten Wettbewerb den Vertrag mit der BVG abschließen, sobald das Abgeordnetenhaus die Änderungen des Berliner Betriebegesetzes ­ soweit sie die BVG betreffen ­ in der vom Senat vorgelegten Form verabschiedet hat und die entsprechenden Folgeänderungen in der Satzung der BVG vorgenommen wurden.

Mit diesen Änderungen werden die Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung zu vergaberechtsfreien In-house-Vergaben umgesetzt, die im Folgenden erläutert werden:

Nach den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung setzt eine direkte, vergaberechtsfreie Beauftragung u. a. voraus, dass das zu beauftragende Unternehmen „als eine Struktur der internen Verwaltung" betrachtet werden kann. Entsprechend den Vorgaben des EuGH muss das Land Berlin daher künftig die Möglichkeit haben, über die Gewährträgerversammlung (als einzigem vom Senat beherrschten Entscheidungsgremium der BVG) auf alle wesentlichen Einzelentscheidungen sowie strategischen Ziele der BVG ausschlaggebenden Einfluss zu nehmen. Die geplanten Änderungen des Berliner Betriebegesetzes schaffen hierfür die Grundlage, indem sie insbesondere ein Weisungsrecht der Gewährträgerversammlung gegenüber dem Vorstand als Leitungsorgan der BVG einführen und den Einfluss der Gewährträgerversammlung auf diejenigen Entscheidungen sichern, die für die strategische Ausrichtung der BVG maßgeblich sind.

Weiterhin stellen die vom Senat beschlossenen Änderungen des Berliner Betriebegesetzes sicher, dass die BVG gemäß der EuGH-Rechtsprechung im Wesentlichen für den Auftraggeber, das Land Berlin, tätig wird. Die Teilnahme am marktwirtschaftlichen Wettbewerb soll dieser nur in dem in der Satzung vorgegebenen Rahmen möglich sein. Eine entsprechende Ausgestaltung in der Satzung wird noch erfolgen.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidung des EuGH ist dabei sicherzustellen, dass die BVG ihre Tätigkeit zu mindestens 90 % ausschließlich für das Land Berlin erbringt.

Unter den vorgenannten Prämissen kann der Abschluss des Verkehrsvertrages als ein vergaberechtsfreies In-house-Geschäft eingestuft werden. Eine rechtskonforme direkte Beauftragung der BVG mit den Leistungen zum ÖPNV im Land Berlin wäre daher möglich.

Sofern die vom Senat beschlossenen Änderungen des Berliner Betriebegesetzes im Gesetzgebungsverfahren keine Berücksichtigung finden sollten, ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine rechtmäßige In-house-Vergabe nicht erfüllt werden können. Eine Direktbeauftragung der BVG wäre aus vergaberechtlichen Gründen daher unzulässig. Ein dennoch abgeschlossener Verkehrsvertrag wäre nichtig. Die Nichtigkeit der Verträge, die unter Verstoß gegen das Vergaberecht zustande kommen, wird aus § 13 Satz 6 VgV (Verstoß gegen die Informationspflicht), § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot) sowie aus § 138 BGB (Sittenwidrigkeit des Vertragsschlusses) hergeleitet. Im Falle einer unzulässigen Direktbeauftragung der BVG wären voraussichtlich sämtliche Nichtigkeitstatbestände erfüllt.

Die Nichtigkeit des Vertragsschlusses hätte zur Folge, dass die Beauftragung der BVG durch das Land Berlin vor den Vergabenachprüfungsinstanzen angegriffen werden kann. Eine entsprechende Vergabebeschwerde hätte aufgrund der derzeitigen Rechtslage Aussicht auf Erfolg. In diesem Fall würde das Land Berlin verpflichtet, die Leistungen des ÖPNV erst nach Durchführung eines vergaberechtlich geregelten, wettbewerblichen Verfahrens auf europaweiter Ebene zu vergeben. Zuwiderhandlungen gegen einen solchen Beschluss werden mit erheblichen Zwangsgeldern belegt.

Zu berücksichtigen ist auch, dass sich die Europäische Kommission der Angelegenheit annehmen könnte. Gemäß Art. 211 EG ist es Aufgabe der Kommission, für die Beachtung des Gemeinschaftsrechts Sorge zu tragen. Ist die Kommission der Auffassung, das Verhalten eines Mitgliedstaates oder seiner Untergliederungen sei als gemeinschaftswidrig zu bewerten, leitet sie ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG ein und erhebt gegebenenfalls Klage vor dem EuGH. Stellt der EuGH die Vertragsverletzung fest, ist der betroffene Mitgliedsstaat gemäß Art. 228 Abs. 1 EG verpflichtet, den gerügten Zustand abzustellen. Gemeinschaftsrechtswidrig abgeschlossene Verträge sind daher zu beenden. Dies hat der EuGH nunmehr in einem Urteil gegen die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich festgestellt. Würde der Verkehrsvertrag mit der BVG dennoch weitergeführt, so kann die Kommission die Verhängung eines Zwangsgelds beim EuGH beantragen. Dieses kann bis zu 914.400 pro Tag des Verstoßes betragen. Aufgrund der Neuregelung des Art. 104a Abs. 6 GG wäre das Zwangsgeld vom Land Berlin zu tragen.

III.2 Beihilferechtliche Beurteilung

Die Finanzierung des ÖPNV aus öffentlichen Mitteln muss den Anforderungen des europäischen Beihilferechts entsprechen. Dabei kann der Verkehrsvertrag mit der BVG aufgrund der besonderen nationalen Anwendungsregelungen zur VO (EWG) Nr. 1191/69 entweder auf die von der EuGH-Rechtsprechung entwickelten „vier Kriterien" gestützt oder aber nach Maßgabe der VO (EWG) Nr. 1191/69 abgeschlossen werden.

Die VO (EWG) Nr. 1191/69 regelt in Art. 14 welche Voraussetzungen ein beihilferechtskonformer Vertrag zur Erbringung gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen erfüllen muss. Der Vertrag muss insbesondere die Leistungspflichten eindeutig definieren und objektive Parameter für die Ausgleichsberechnung festlegen. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal prüft die Kommission zudem, ob bei den Zahlungen der öffentlichen Hand eine Überkompensation im Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten der Leistungserbringung durch das beauftragte Unternehmen wirksam ausgeschlossen wird.

Wenn die Finanzierung von ÖPNV-Leistungen nicht dem Regime der VO (EWG) Nr. 1191/69 unterstellt wird, gelten die generell im Bereich der Daseinsvorsorge maßgeblichen Anforderungen der „vier Kriterien" des EuGH. Diese Vorgaben wurden seit dem Altmark-Trans Urteil des EuGH in mehreren Urteilen unterschiedlicher Gerichte bestätigt und präzisiert. Speziell mit Blick auf die Finanzierung des ÖPNV wurden die Anforderungen zudem durch die jüngste Entscheidungspraxis der Kommission im Verkehrsbereich weiter entwickelt und insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung kommunaler Nahverkehrsleistungen in Deutschland zunehmend verschärft.

Vor diesem Hintergrund sind die Vertragspartner in Abwägung der beihilferechtlichen Risiken gemeinsam zu der Ansicht gelangt, dass ein Verkehrsvertrag gem. Art. 14

VO (EWG) Nr. 1191/69 wesentlich geringere beihilferechtliche Risiken aufweist, als ein Vorgehen, das sich auf die von der Rechtsprechung entwickelten „vier Kriterien" stützt. Der intendierte Vertrag erfüllt unzweifelhaft die Anforderungen nach Art. 14

VO (EWG) Nr. 1191/69. Darüber hinaus kann eine Überkompensation der Kosten des Verkehrsunternehmens, wie sie die Kommission in ihrer Entscheidungspraxis als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung prüft, bei der BVG sicher ausgeschlossen werden. Demgegenüber würde der Verkehrsvertrag die Anforderungen aller „vier Kriterien", so wie sie aktuell von der Kommission ausgelegt und angewandt werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfüllen.

Gegen die Anwendung der „vier Kriterien" spricht zudem, dass mehrere Verwaltungsgerichte der ersten Instanz in jüngster Zeit entschieden haben, dass Unternehmen, die auch anderen Tätigkeiten als ÖPNV nachgehen (z.B. Gelegenheitsverkehr, Touristik etc.) sich nicht auf die „vier Kriterien" berufen können. Im Ergebnis ist daher der beabsichtigte Vertragsschluss auf Basis von Art. 14 VO (EWG) Nr. 1191/91 die grundsätzlich risikoärmere Variante.

Verträge gem. Art. 14 VO (EWG) Nr. 1191/91 bedürfen nach bisheriger Rechtsprechung des EuGH sowie der durchgängigen Rechtspraxis aller Bundesländer nicht der vorherigen Notifizierung bei der Kommission. Der Verkehrsvertrag mit der BVG erfüllt somit die heute geltenden Vorgaben des Beihilferechts. Es handelt sich jedoch um eine Rechtsmaterie, deren Vorgaben sich in der Entscheidungspraxis der Gerichte und der Kommission laufend fortentwickeln, so dass künftige Risiken angesichts der langen Laufzeit des Vertrages nicht abschließend ausgeschlossen werden können. Die Vertragspartner werden daher die weitere Entwicklung des Beihilferechts aufmerksam verfolgen und auf rechtskräftig festgestellte Verschärfungen der Auslegung des geltenden Beihilferechts sowie Änderungen des beihilferechtlichen Rechtsrahmens durch entsprechende Anpassungen der vertraglichen Regelungen reagieren.

III.3 Genehmigungsrechtliche Beurteilung

Die BVG wird auf Basis eines Verkehrsvertrages nach Maßgabe von Art. 14 VO (EWG) Nr. 1191/69 finanziert werden. Die Genehmigungsvoraussetzungen für die Wiedererteilung aktuell und zukünftig auslaufender Genehmigungen richtet sich daher nach den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes zu gemeinwirtschaftlichen Genehmigungen gemäß § 13a Personenbeförderungsgesetz (PBefG) in Verbindung mit der vom Bundesverkehrsministerium erlassenen Verordnung zu den geringsten Kosten (GKV).