Auktionshäuser

Ausgehend von den Einschätzungen des Gutachtens ging die Senatsverwaltung mit einem Angebot in Höhe von 6 Millionen Euro in die Verhandlungen. Aus einem Vermerk des Leitungsreferenten Kultur vom 5. April 2006 in Vorbereitung eines am nächsten Tag stattfindenden Gesprächs mit den Anwälten der Erbin im Zusammenhang mit einem als Reaktion auf das Gespräch verfassten Schreiben der Anwälte vom 27. April 2006 ergibt sich, dass dieses Angebot auf dem untersten vom Gutachter geschätzten Marktwert in Höhe von 7 Millionen Euro abzüglich des geleisteten Kaufpreises in Höhe von 945.000 Euro beruhte.

Vonseiten der Erbin wurden diesem Angebot Schätzungen der Auktionshäuser Sothebys und Christies entgegengehalten, die einen sicheren Verkaufspreis in Höhe von 15 bis 25 Millionen Euro in Aussicht stellen.

Entsprechende Schreiben sowie ein Gutachten eines der Auktionshäuser mit einer Verkaufsgarantie innerhalb einer Preisspanne von 14 bis 18 Millionen Euro wurde von den Anwälten vorgelegt.

Nachdem die Anwälte anfänglich auf der Grundlage einer Summe in Höhe von 20 Millionen Euro verhandelt hatten, wurde dem Land Berlin nunmehr vonseiten der Erbin am 27. April 2006 ein Kaufangebot in Höhe von 15 Millionen Euro gemacht; ein gewisser Spielraum wurde noch hinsichtlich einer Reduktion dieses Kaufpreises in Höhe des ursprünglich gezahlten Kaufpreises eröffnet.

In einem Schreiben vom 22. Mai 2006 wird das Kaufangebot von 15 Millionen Euro aufrechterhalten, die Möglichkeit einer Reduktion jedoch nunmehr ausgeschlossen, weil „leider... die Verhandlungen nach der grundsätzlichen Restitutionsentscheidung zeitlich und inhaltlich nicht so verlaufen [sind], wie es sich unsere Mandantin und wir es uns vorgestellt hatten."

Am 31. Mai 2006 ­ also knapp fünf Monate nach Vorlage des sog. Scotti-Gutachtens ­ teilte Frau Staatssekretärin Kisseler den Anwälten der Erbin telefonisch mit, dass das Land Berlin das Gemälde nicht rückerwerben werde und somit die Vereinbarung über die Herausgabe des Kunstwerkes zu schließen sei.

Am 1. Juni 2006 wurden die weiteren Schritte eingeleitet: In einem Schreiben dieses Datums bat Frau Staatssekretärin Kisseler den beauftragten Rechtsanwalt Dr. von Trott zu Solz, „nachdem unsere Bemühungen, das Werk für das Brücke-Museum zu sichern, aufgrund der Kaufpreisforderung der Gegenseite nicht erfolgreich waren, ...", die Abwicklung der Rückgabe des Gemäldes gegen Erstattung des durch das Land Berlin geleisteten Kaufpreises in Höhe von 1,9 Millionen DM durch die Anspruchstellerin vorzubereiten.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Wowereit, und der Senator für Finanzen, Herr Dr. Sarrazin, wurden vom Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Herrn Dr. Flierl, durch Schreiben ebenfalls vom 1. Juni 2006 über diese Entscheidung informiert.

Die Bemühungen von Frau Kisseler gingen in Richtung Landesmittel, Mittel der Kulturstiftung der Länder und der Deutschen Klassenlotterie Berlin sowie einer möglichen Zwischenfinanzierung durch Banken und wurden bereits nach weniger als einem halben Jahr eingestellt, was für eine Summe dieser Größenordnung in keinem Fall als ausreichend angesehen werden kann.

Die Senatsverwaltung für Finanzen war von Frau Kisseler durch ein Schreiben vom 19. Oktober 2005 über die beabsichtigte Rückgabe des Gemäldes informiert worden verbunden mit der Bitte um Zustimmung hierzu. In ihrem Antwortschreiben vom 9. November 2005 teilte die Staatssekretärin für Finanzen von sich aus mit, dass Mittel aus dem Landeshaushalt für einen Erwerb des Gemäldes nicht zur Verfügung stünden.

Nachdem er erst am 18. Januar 2006 von dem Sachstand und der beabsichtigten Rückgabe informiert worden war70 wandte sich der Senator für Kulturelle Angelegenheiten durch Schreiben vom 30. Januar 2006 noch einmal persönlich an den Senator für Finanzen, Herrn Dr. Sarrazin, und bat ihn unter Hinweis auf die im Kulturhaushalt nicht zur Verfügung stehenden Mittel noch einmal dringend um Prüfung, ob die erforderlichen Mittel nicht doch über den Landeshaushalt bereitgestellt werden könnten.

In einem Antwortschreiben vom 15. Februar 2006 wurde diese Anfrage von Senator Dr. Sarrazin unter Hinweis auf die Haushaltsnotlage des Landes Berlin abgelehnt, der Finanzsenator sagte seine ideelle Unterstützung sowie die Befürwortung eines Antrags an die Stiftung Deutsche Klassenlotterie zur (Teil-)Förderung zu.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Wowereit, wurde am 23. März 2006 über den Sachstand informiert und von Frau Staatssekretärin Kisseler um ein Gespräch zu verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten gebeten.

Einem weiteren Schreiben des Senators für Kulturelle Angelegenheiten, Herrn Dr. Flierl, vom 1. Juni 2006 und einem handschriftlichen Vermerk auf dem Schreiben in den Unterlagen der Senatskanzlei lässt sich entnehmen, dass dieses persönliche Gespräch zwischen Herrn Wowereit und Frau Kisseler am 28. März 2006 stattgefunden haben muss und die Möglichkeiten einer Lottofinanzierung betraf.

Nach einem Vermerk des Leitungsreferenten Kultur, Herrn Dr. Schmidt-Werthern, vom 1. Juni 2006 soll der Regierende Bürgermeister bei dieser Gelegenheit erklärt haben, dass die Finanzierung von dritter Seite erfolgen müsse und er keine Möglichkeit der Lottofinanzierung sehe.

Sofern geeignete Sponsoren nicht zu finden seien, plädiere er in Anbetracht der finanziellen Situation des Landes für eine Restitution ohne Rückkauf. Bei seiner Befragung vor dem Sonderausschuss "Restitution" am 6. Juli 2007 erklärte Herr Dr. SchmidtWerthern, dass der Regierende Bürgermeister damals Frau Staatssekretärin Kisseler eine Summe von bis zu 3 Millionen Euro in Aussicht gestellt habe.

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Herr Dr. Lehmann, ging bei seiner Stellungnahme vor dem Sonderausschuss von einem erforderlichen Zeitrahmen von ein einhalb Jahren aus, um ausreichend Geld für ein derartiges Werk einzuwerben ­ s. Wortprotokoll 16/10 vom 30. November 2007. Wahlperiode ­ Abschlussbericht

Über die Suche nach privaten Sponsoren gibt es ein Schreiben von Frau Staatssekretärin Kisseler vom März 200676 und einen Vermerk von Herrn Dr. SchmidtWerthern vom 1. Juni 2006. Diesen lässt sich entnehmen, dass es vertrauliche Gespräche mit einer deutschen Großbank A gegeben hat. Die im Rahmen dieser Gespräche angestellten Überlegungen hinsichtlich eines Eigentumserwerbs durch die Bank A verbunden mit einer Dauerleihgabe des Gemäldes an das Brücke-Museum und einem zeitlich befristeten Rückkaufsrecht durch das Land Berlin ließen sich ausweislich eines Vermerks des Leitungsreferenten Kultur, Herrn Dr. Schmidt-Werthern, vom 1. Juni 2006 letztlich nicht weiterverfolgen, weil die Bank A Abstand von dem Vorhaben genommen habe.

Allerdings hat Herr Dr. Schmidt-Werthern im Rahmen seiner Anhörung vor dem Sonderausschuss angedeutet, dass es deshalb nicht zu dem Abschluss mit der Bank gekommen war, weil vonseiten der Senatsverwaltung eine Mischfinanzierung ins Auge gefasst worden war (Bank/Klassenlotterie), eine Miteigentümergemeinschaft mit anderen für die Bank aber in ihren Bilanzen nicht darstellbar war.

Im Rahmen seiner Befragung vor dem Sonderausschuss „Restitution" berichtete Herr Dr. Schmidt-Werthern darüber hinaus noch von einem Gespräch mit Verantwortlichen einer zweiten Großbank B am 31. März 2006, in dem es auch um die Finanzierung des Kirchner-Gemäldes gegangen sei.

An diesem Gespräch, das nach den Unterlagen der Senatskanzlei am 31. März 2006 stattgefunden hat, nahm auch ein Vertreter der Senatskanzlei teil.

Trotz dezidierter Nachfrage seitens der Vorsitzenden im Rahmen der Befragung konnte Herr Dr. Schmidt-Werthern keine weiteren Gesprächspartner benennen, sodass davon auszugehen ist, dass die Sondierungsgespräche sich auf diese beiden Banken beschränkt haben.

Ein Interessent meldete sich von sich aus am 12. Juli 2006, nachdem er auf Umwegen von der bevorstehenden Rückgabe erfahren hatte, bei Senator Dr. Flierl und bot ihm den Ankauf des Gemäldes zu einem am derzeitigen Kunstmarkt orientierten Preis verbunden mit einer vertraglich festgelegten Leihgabenregelung zugunsten des BrückeMuseums an.

Zu diesem Zeitpunkt war es aber bereits zu spät, obwohl sich Frau H. in einem Telefonat mit Frau Kisseler durchaus offen gegenüber dieser Idee gezeigt haben muss.