Strafvollzug

Die Regelungen der beteiligten Ressorts zum Verfahren bei der Beweismittelsicherung bei Drogendelikten ist meines Erachtens ausreichend, weil alle Belange und Erfordernisse vom Erlass erfasst werden. Da meines Erachtens keine Gründe erkennbar sind, von der derzeitigen Regelung abzuweichen, sollte das gegliederte Verfahren fortgeführt werden, auch wenn, wie die Kostendarstellung in der Mitteilung des Senats zeigt, die Kosten doch erheblich sind und die beteiligten Ressorts diese Kosten tragen müssen. Dabei würde ich vorschlagen wollen, dass einmal geprüft wird, ob man nicht bei den Verdächtigen diese Kosten wieder eintreiben kann, um so zu einer Kostenneutralität für die öffentliche Hand zu kommen.

Meine Damen und Herren, erfreulich ist, dass die beteiligten Ressorts bisher schon eng zusammenarbeiten und dies auch in Zukunft sicherlich tun werden. Daraus resultiert auch, dass die Rechtsrahmen für die handelnden Beschäftigten des Vollzugs- und Verfolgungsdienstes so präzise gefasst sind, dass die

Zu Punkt 13, Praxis bei Brechmitteleinsatz in anderen Bundesländern, erscheint mir die Antwort des Senats zurückhaltend. Der Bericht für die Innendeputation von Anfang 2005 war da etwas ausführlicher. Danach findet der Brechmitteleinsatz in Berlin, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Nordrhein Westfalen und Niedersachsen, zumindest in Teilen, statt.Mecklenburg-Vorpommern,Rheinland-Pfalzund Thüringen haben keine relevanten Fälle, würden aber, wenn sie sie hätten, auch diese Praxis anwenden.

Brandenburg, Bayern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben diesen Brechmitteleinsatz nicht vorgesehen.

Meine Damen und Herren, ohne erneut auf den Anlass zur Aussetzung der bisherigen Beweismittelpraxis durch Exkorporation auch gegen den Willen der Verdächtigen einzugehen ­ das Ermittlungsverfahren ist ja auch noch nicht abschließend beurteilt, ich habe allerdings gehört, es soll zu gleicher Zeit, in etwa jetzt öffentlich gemacht werden ­ bin ich doch bei den Ausführungen zu Frage 14 irritiert, wenn es da heißt: Der Senat hat die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln bis zu dem tragischen Todesfall im Januar 2005 für vereinbar mit der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gehalten. Danach nicht mehr!

Das,wiegesagt,hatmichschonetwasirritiert.Wenn ich einmal mit juristischer Brille sage, das ist so in Ordnung, dann müsste das auch danach gelten, unabhängig von der Frage, wie man diesen Vorfall nun bewertet und welche Auswirkungen daraus entstehen. Entweder hält der Senat den zwangsweisen Brechmitteleinsatz für vereinbar mit der europäischen Konvention oder nicht. Das ist hier einfach die Frage, die sich für mich gestellt hat. Der Todesfall vom Dezember 2004/Januar 2005 konnte die juristische Betrachtung also nicht ändern, lediglich die Aussetzung der Maßnahme ist plausibel.

Das Oberlandesgericht Bremen jedenfalls hat den Brechmitteleinsatz zweimal für rechtens erklärt. zur Aufklärung des Verdachts einer BTMStraftat für zulässig und verhältnismäßig erklärt. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht 1999 ausgeführt, mit Genehmigung zitiere ich: Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 15.9.1999 eine Beschwerde zur Verabreichung von Brechmittel nicht angenommen. In diesem Beschluss hat das Gericht ausgeführt, dass die auf die Strafprozessordnung gestützte Maßnahme auch im Hinblick auf die durch Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützte Menschenwürde und den in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes enthaltenen Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht entgegensteht.

Meine Damen und Herren, abschließend stelle ich deshalb fest: Die Aussetzung der Beweissicherung durch Brechmittel gegen den Willen von Tatverdächtigen im Jahr 2005 war angemessen aufgrund des Vorfalls vom Dezember 2004 beziehungsweise Januar 2005. Die bisherige und heutige Praxis ist rechtskonform und verfassungsrechtlich unbedenklich. Das neue Verfahren ist aufwendig, aber verhältnismäßig.

Rechtsfreier Raum darf dabei nicht entstehen. Die derzeitige Regelung sollte, zumindest vorerst, beibehalten werden.

(Beifall bei der CDU) Vizepräsident Ravens: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich auf der Besuchertribüne jetzt recht herzlich eine Besuchergruppe des Kleinsiedlervereins Rahdeland. Herzlich willkommen in unserem Hause!

(Beifall) Nächster Redner ist der Abgeordnete Grotheer.

Abg. Grotheer (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst ein Satz zu Herrn Herderhorst: Sie haben Recht, Herr Herderhorst, dass hier die CDU vorn steht in der Kopfzeile dieses Antrags, das ändert aber nichts daran, dass es sich um eine gemeinsame Anfrage handelt. Wir haben Ihren Vorschlag um einige Fragen ergänzt, die wir gern gestellt haben wollten, und wir haben uns dann auf einen gemeinsamen Text verständigt, wie es ja auch im Koalitionsvertrag vorgesehen ist und wie wir es sonst auch machen.

Für mich ist die heutige Debatte auch noch einmal Anlass zur Rückbesinnung auf den Vorfall, der damals zur Behandlung dieses Themas im Parlament führte, nämlich auf den tragischen Tod eines angeblichen Drogendealers im Gewahrsam der Polizei. Am 27. Dezember 2004 wurde dem Betroffenen im Polizeige wahrsam durch einen Arzt des ärztlichen Beweissicherungsdienstes Brechmittel zwangsweise verabreicht.

Es gab Komplikationen, ein Notarzt wurde hinzugezogen, der Betroffene wurde ins Krankenhaus gebracht und ist dann am 7. Januar 2005 verstorben.

Das Ganze liegt also schon über ein Jahr zurück. Der Vorfall hat damals zu einer bundesweiten Debatte geführt, ob der zwangsweise Einsatz von Brechmitteln mit unserer Strafprozessordnung in Übereinstimmung zu bringen ist. In Bremen wurde die Forderung nach einer Entschuldigung durch den Innensenator laut, der ja damals gegenüber der Presse eine nicht ganz korrekte Darstellung der Geschehnisse gegeben hatte, (Abg. Frau Linnert [Bündnis 90/Die Grünen]: Das kann man wohl sagen!) ich will das einmal ganz zurückhaltend ausdrücken.

Wir hatten hier im Landtag in der Bürgerschaft über einen Misstrauensantrag gegen den Innensenator abzustimmen, soviel zur Vorgeschichte! Es ist also ein Vorfall, der uns, weil er so gravierend war, doch sehr stark beschäftigt hat.

Ich will auch daran erinnern ­ Herr Herderhorst hat einen Teil der Geschichte angesprochen ­, dass die Exkorporation von verschlucktem Rauschgift in einer Verfügung des Leitenden Oberstaatsanwalts geregelt ist, die am 3. Mai 1995 aktualisiert worden war. Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren aus dieser allgemeinen Verfügung, damit auch deutlich wird, dass die Probleme, die wir jetzt diskutieren, nicht neu und unbekannt gewesen sind, da heißt es: Die Exkorporation ist mit Hilfe von Brech- oder Abführmitteln oder durch natürliches Ausscheiden möglich. Da die Verweildauer der verschluckten Gegenstände nur etwa zwei Stunden beträgt, ist dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte auf kürzestem Wege dem Ärztlichen Dienst zugeführt wird. Die Anordnung der Beibringung des Brechmittels trifft bei Gefahr im sein ­ der Polizeibeamte an Ort und Stelle.

Weiter heißt es: Weigert sich der Beschuldigte, das Brechmittel freiwillig zu trinken, wird ihm der Saft mit Hilfe einer Sonde eingeflößt, es sei denn, es bestehen im Einzelfall aus ärztlicher Sicht Bedenken gegen das Legen der Sonde. Die Anordnung trifft bei Gefahr im Verzug ebenfalls der Polizeibeamte. Falls es zeitlich möglich ist, holt er die Einwilligung des Staatsanwalts ein.

Dann gibt es weiter dazu eine interne Dienstanweisung des Ärztlichen Beweissicherungsdienstes, die ausdrücklich vorsieht ­ vorsah, möchte ich sagen ­, dass eine Magensonde nur dann gelegt werden darf, wenn der Beschuldigte nicht durch heftige Gegenwehr ein sachgerechtes ärztliches Vorgehen unmöglich macht. Ich will damit ausdrücken, das ergibt sich ja aus diesen Anweisungen, sowohl an die Staatsanwälte als auch an die Polizei, dass die Risiken einer zwangsweisen Verabreichung des Brechmittels damals durchaus bekannt waren.

Ich will aber auch nicht verschweigen, dass unser Hanseatisches Oberlandesgericht in einer Entscheidung, die Herr Herderhorst eben angesprochen hat, das Verabreichen eines Brechmittels nach der Strafprozessordnung für eine zulässige Maßnahme gehalten hat. Nun kann man ja Gerichtsentscheidungen richtig finden oder auch nicht, man darf sich auch als Politiker damit auseinander setzen, ohne dass man versucht, in die Unabhängigkeit der Gerichte einzugreifen. Ich persönlich habe immer die Auffassung vertreten, dass die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln in diesen Fällen nicht zu vertreten ist, weil die Risiken einer Gesundheitsgefährdung einfach zu groß sind. Daher war es für mich persönlich, ich muss aber auch sagen, für die SPD-Fraktion in ihrer Gesamtheit, nach diesem tragischen Todesfall sofort von vornherein völlig klar, so, wie es bis dahin gemacht worden ist, geht es nicht weiter. Dieses Risiko wollen wir nicht mehr eingehen, das ist nicht vertretbar.

Wir sind uns aber, auch das will ich hier nicht verschweigen, mit der CDU nicht sofort ganz einig geworden über diese Frage, denn die CDU wollte zunächst noch einmal abwarten, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden sollten. Wir haben gesagt: Drogenhandel ist ein kriminelles Unrecht, wir wollen auch gar keinen Zweifel aufkommen lassen, dass wir das so sehen. Drogenhandel muss konsequent verfolgt werden, aber bitte mit rechtsstaatlichen Mitteln. Untersuchungsmethoden, die gesundheitliche Risiken mit sich bringen, die sich hier ja leider offenbart haben, wollen wir nicht, die halten wir für nicht vertretbar. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass es andere effektive und rechtsstaatliche Methoden gibt, wie sie auch in anderen Bundesländern, wie zum Beispiel in Bayern ­ das Stichwort ist gefallen ­ und und angewendet werden. Wir haben uns dann aber immerhin mit der CDU darauf einigen können, dass die Verfügung des Leitenden Oberstaatsanwalts vom Jahr 1995 zunächst ausgesetzt wird. Es sollte dann nach einem halben Jahr, nach Erprobung eines neuen Instruments berichtet werden. Dieses halbe Jahr ist jetzt lange herum. Es ist also höchste Zeit, dass wir über diese Frage diskutieren.

Aufgrund des Beschlusses der Bürgerschaft ist dann diese so genannte Drogentoilette eingerichtet worden. Im Vorfeld gab es da noch einige Probleme, weil es nicht so schnell ging, wie man es sich hätte vor stellen können, aber es ist in gut funktionierender Zusammenarbeit zwischen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und dem Vollzug erreicht worden, dass eine Bearbeitung dieser Verdachtsfälle verabredet werden konnte, die effektiv ist und auch kostengünstig organisiert werden kann. Das heißt nun: Wenn ein Tatverdächtiger das Brechmittel nicht freiwillig nimmt, dann muss beim zuständigen Gericht ein Haftbefehl, wie es die Strafprozessordnung vorsieht, beantragt werden oder eine Anordnung nach Paragraph 81 a der Strafprozessordnung. Das bedeutet aber auch, dass eben nicht der Polizeibeamte vor Ort entscheiden kann, sondern dass der Sachverhalt, der diesem

Antrag zugrunde liegt, ordentlich dokumentiert werden muss. Er muss dem Gericht dann nachvollziehbar dargelegt werden, dann wird entschieden. Wir haben gesagt, dies wäre ein effektives und geeignetes Mittel, um diese Fälle zu bearbeiten, und wir fühlen uns in dieser Auffassung durch die Antwort des Senats in vollem Umfang bestätigt.

Es hat immerhin 45 Verdachtsfälle gegeben, davon waren 27 positiv, das heißt, in 27 dieser Fälle wurden Drogen verschluckt. 18 Fälle waren negativ, das heißt, es war ein Nachweis nicht zu führen. In sieben Fällen sind gerichtliche Anordnungen erfolgt.

Wenn Herr Herderhorst hier beanstandet, dass beim Jugendgericht in drei Fällen Anträge abgelehnt worden sind, dann würde ich sagen, Herr Herderhorst:

Ich maße mir nicht an, ohne Kenntnis des Sachverhalts im Einzelnen zu entscheiden, ob die Anordnungen, die Entscheidungen, die ein Jugendrichter getroffen hat, richtig waren oder nicht.

Es ist ja gar keine Frage, das sagte ich bereits, dass die Justiz öffentlicher Kontrolle unterliegt und sich selbstverständlich auch einer öffentlichen Debatte stellen muss, aber bevor man sich in dieser Weise dazu äußert, finde ich, muss man sich über die Einzelheiten informieren. Ich weiß nicht, vielleicht haben Sie es getan, ich vermute aber eher, dass Sie Ihre Informationen aus dieser Senatsdrucksache haben, aus der ich meine Informationen in diesem Zusammenhang auch habe. Mir reicht das nicht aus, um das gut oder schlecht zu finden.

Das Verfahren funktioniert. Wir möchten uns beim Senat dafür bedanken, dass es diese überaus sachliche Darstellung in der Antwort auf unsere gemeinsame Anfrage gegeben hat. Wir finden ­ das entnehmen wir dieser Antwort ­, dass die beteiligten Stellen gut zusammenarbeiten, und wir möchten uns an dieser Stelle bedanken, sowohl bei den Mitarbeitern der Polizei als auch bei der Staatsanwaltschaft, aber auch vor allen Dingen bei den Kolleginnen und Kollegen im Strafvollzug, die ja große Bedenken hatten, dass ihnen da sozusagen, wie sie es damals formuliert hatten, die Drecksarbeit übertragen würde im Zusammenhang mit diesem Verfahren. Diese Diskussion ist ja damals so geführt worden, aber wir sehen, im alltäglichen Ablauf klappt das alles sehr gut.

Wenn hier nun von Herrn Herderhorst eingewandt wird, dass dieses Verfahren ja nicht so effektiv sei, weil die Zahlen ja zurückgegangen seien, dann kann ich nur sagen: Herr Herderhorst, das finde ich etwas voreilig. Wir haben, wenn Sie sich das genau anschauen, Zahlen hier in der Antwort des Senats, die den Zeitraum vom 16. April bis zum 31. Dezember 2005 betreffen. Das sind nach meiner Rechnung überschlägig etwa neun Monate, also ein Dreivierteljahr. Die Vergleichszahlen, mit denen Sie argumentiert haben, beziehen sich jeweils auf Jahreszeiträume, und wenn Sie sich die Aufstellungen aus früheren Antworten anschauen, dann werden Sie sehen, dass es da große Schwankungen gegeben hat. Es gab ja ein Jahr, in dem gab es 52 Verdachtsfälle, die zur Exkorporation geführt haben, und es gab auch einmal ein Jahr, da waren es 166 Fälle. In dieser Spannbreite bewegen sich die Zahlen. Wenn man jetzt die Zahl für 2005 hochrechnet, dann ist man bei etwa 60 in dem einen Jahr. Ich finde, das ist kein Grund für die Behauptung, das Verfahren sei nicht sinnvoll und man müsste jetzt irgendetwas anderes machen. Vielleicht denken Sie ja daran, Herr Herderhorst, zu dem alten Verfahren zurückzukehren.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Ich sage noch einmal: Für uns kommt eine Rückkehr zu dem alten Verfahren nach allem, was wir wissen, nicht in Betracht, und noch viel weniger, wenn wir sehen, wie die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind.

Das Verfahren gegen den Notarzt, der ja damals öffentlich angegriffen worden ist, ist eingestellt worden. Gegen den Arzt des Ärztlichen Beweissicherungsdienstes, der die Behandlung damals durchgeführt hat, ist Anklage erhoben worden. Ich will nicht sagen, dass seine Schuld feststeht, aber jedenfalls besteht für die Staatsanwaltschaft, nachdem mehrere Gutachten eingeholt worden sind, ein hinreichender Tatverdacht. Deshalb sage ich: Schuldig oder nicht schuldig, darüber werden die Gerichte befinden, das festzustellen ist nicht Sache des Parlaments. Es verbietet sich aber angesichts des Umstands, dass hier ein hinreichender Tatverdacht gesehen wird, von selbst, dass zu dem alten Verfahren zurückgekehrt wird.

Ein letzter Satz sei mir noch gestattet! Herr Herderhorst, Sie haben beanstandet, dass die Antwort des Senats zur Frage Nummer 14 nicht in Ordnung sei. Da kann ich nur sagen, wir sind lernfähig. Meine Fraktion ist lernfähig, und der Justizsenator und die Staatsanwaltschaft sind es auch.