Akontozahlung

Insgesamt betrugen die Überzahlungen im Haushaltsjahr 2004 nach den Prüfungsfeststellungen des Rechnungshofs 6,3 Mio.. Dem Land Berlin ist ein Zinsschaden von 220 000 entstanden.

Für das Haushaltsjahr 2005 ist die AOK Berlin aufgrund der Angaben der Senatsverwaltung von ca. 20 000 Anspruchsberechtigten bei Ausgaben von 850 pro Kopf und Jahr ausgegangen. Danach berechnete die AOK Berlin einen Jahresaufwand von 16,4 Mio. und forderte im Januar 2005 vier „Akontozahlungen" à 4,1 Mio.. Im Juli bzw. Oktober 2005 verzichtete die AOK Berlin auf einen Teil der Zahlung für das

III. Quartal und auf die „Akontozahlung" für das IV. Quartal ganz, da wiederum erkennbar wurde, dass die Forderungen zu hoch bemessen waren.

Die Jahresabrechnung 2005 hat die AOK Berlin dem Bezirksamt Pankow erst mit Schreiben vom 30. Oktober 2007 übermittelt. Demnach ist es auch im Haushaltsjahr 2005 zu einer Überzahlung von 4,1 Mio. gekommen. Die Überzahlungen wurden vom Bezirksamt Pankow in Abstimmung mit der AOK Berlin mit nicht geleisteten Akontoforderungen von Mai 2007 an für das Haushaltsjahr 2007 verrechnet. Dem Land Berlin ist erneut ein Zinsschaden von 260 000 entstanden.

Für das Haushaltsjahr 2006 hat die AOK Berlin im Januar 2006 vier „Akontozahlungen" à 2,6 Mio. gefordert, im November 2006 allerdings erneut auf die Zahlung für das IV. Quartal 2006 verzichtet. Eine Jahresabrechnung lag bis Ende Februar 2008 noch nicht vor.

Die Senatsverwaltung ist dem Vorwurf einer fehlenden Zinsausgleichsvereinbarung mit dem Hinweis entgegengetreten, dass es in vorangegangenen Vereinbarungen für den Personenkreis der Sozialhilfeempfänger von den 60er-Jahren an bis heute nie einen Termin zur Vorlage der Jahresabrechnung oder eine Zinsregelung im Falle von Überzahlungen gegeben habe und dies nie beanstandet worden sei. Sie berücksichtigt hierbei allerdings nicht, dass dies in der Vergangenheit deswegen nicht zu Beanstandungen führte, weil sich aufgrund stetig anwachsender Berechtigtenzahlen bis zum Jahr 2003 nie Überzahlungen zulasten des Landeshaushalts ergaben. Im Übrigen hat sie anders als bei den hier erörterten Vereinbarungen zeitgleich vom Jahr 2004 an für den unter § 264 Abs. 2 bis 7 SGB V fallenden Personenkreis einen Zinsausgleich bei Überzahlungen vereinbart.

Die Senatsverwaltung hat zum Vorwurf überhöhter Abschlagszahlungen erwidert, durch die Bemessung habe sichergestellt werden müssen, dass die AOK Berlin aus rechtlichen und kaufmännischen Gründen unter keinen Umständen in Liquiditätsschwierigkeiten komme. Zum Vorwurf fehlender Übersicht über die Entwicklung der Empfängerzahlen weist sie darauf hin, dass die Erstellung von Prognosen objektiv schwierig sei und auch von gesetzlichen Änderungen, äußeren Gegebenheiten bis hin zur weltpolitischen Lage und der Weisungslage der Ausländerbehörde abhinge.

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass eine Prognose über die Anzahl der Personen, die vom 1. Januar 2004 an noch unter die beanstandeten Vereinbarungen fallen würden, nicht leicht war, sodass gerade in der Anfangszeit Unter- bzw. Überschreitungen des prognostizierten Jahresaufwandes möglich waren. Gerade deshalb hätte die Senatsverwaltung jedoch im Interesse des Landes Berlin die vertraglichen Neuregelungen vom 1. Januar 2004 an so treffen müssen, dass finanzielle Nachteile für den Landeshaushalt vermieden werden. Die genannten Umstände rechtfertigen jedenfalls nicht Überzahlungen in Millionenhöhe und den Verzicht auf die Vereinbarung eines Zinsausgleichs.

Im Zuge der Verhandlungen über die Vereinbarungen hatte die AOK Berlin zum Ausdruck gebracht, dass vom 1. Januar 2004 an ein Verwaltungskostenersatz von 5 v. H. (wie er beispielsweise in § 264 Abs. 7 SGB V als höchstens angemessen festgelegt ist) nur dann akzeptiert werde, wenn das Auftragsvolumen durch die Übertragung weiterer Bereiche ausgedehnt werde. So war die AOK Berlin daran interessiert, dass ihr neben der Abrechnung der ambulanten Leistungen auch insbesondere die der damals noch direkt von den Krankenhäusern mit den Bezirksämtern abgerechneten Krankenhauskosten übertragen wird; denn der notwendige Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Finanzvolumen ist bei den stationären Krankenhausleistungen geringer als bei den aus zahlreichen Einzelleistungen zusammengesetzten ambulanten medizinischen Leistungen.

Die Senatsverwaltung hatte sich - ohne eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (§ 7 Abs. 2 LHO) durchgeführt zu haben - in einer Vereinbarung über die Fortführung der Vertragsbeziehungen vom 21. Dezember 2004 zur Aufgabenerweiterung im Laufe des Jahres 2005 in Bezug auf die Krankenhausfälle verpflichtet. Vereinbarungsgemäß sollten die der AOK Berlin zu erstattenden Verwaltungskosten nicht 5 v. H., sondern rückwirkend 8 v. H. betragen, falls die Aufgabenerweiterung nicht zustande käme. Mit zwei Ergänzungsvereinbarungen vom Mai und September 2005 wurde der AOK Berlin auch die Abrechnung von Krankenhauskosten übertragen. Die Rechnungslegung und die Erstattung der Aufwendungen werden für die Krankenhauskosten außerhalb der „Akontozahlungen" und der Jahresabrechnung monatlich vorgenommen. Im Haushaltsjahr 2006 betrugen die Erstattungen für Krankenhauskosten an die AOK Berlin insgesamt über 6 Mio., sodass über 300 000 an Verwaltungskosten zu zahlen waren.

Zum Vorwurf der fehlenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vor Übertragung der Krankenhauskostenabrechnungen auf die AOK Berlin hat die Senatsverwaltung nicht Stellung genommen. Den weiteren Vorwurf des Rechnungshofs, durch die Übertragung unnötige Mehraufwendungen bei den Verwaltungskosten verursacht zu haben, weist sie zurück. Sie behauptet, seit Einführung der sog. diagnoseorientierten Fallpauschalen (DRG) sei eine adäquate Prüfung der Krankenhausrechnungen auf Richtigkeit durch die Sozialämter oder durch Gutachter des öffentlichen Gesundheitsdienstes nicht mehr leistbar gewesen. Ohne Einbindung der AOK Berlin würden die Krankenhausrechnungen deshalb praktisch ungeprüft bezahlt werden.

Für diese Behauptung fehlt nicht nur eine nähere Begründung, sie wird auch erstmals vorgebracht und war nach den vorgelegten Unterlagen seinerzeit nicht maßgeblich für die Übertragung auch der Krankenhauskostenabrechnungen auf die AOK Berlin. Vielmehr hat die Senatsverwaltung - wie ausgeführt - dem Verhandlungsdruck der AOK Berlin nachgegeben.

In den Haushaltsjahren 2005/2006 betrafen ca. 75 v. H. der Ausgaben den Personenkreis mit Anspruch auf Leistungen nach den §§ 1 a, 3 AsylbLG.

Die Leistungen bei Krankheit richten sich hier nach § 4 (in Sonderfällen auch nach § 6) AsylbLG. Danach wird der Anspruch eingeschränkt, sodass die Leistungen nicht in jedem Fall dem Umfang für Versicherte der AOK Berlin entsprechen. Der Rechnungshof hat der Senatsverwaltung vorgehalten, für den genannten Personenkreis in den Vereinbarungen nicht nur die Durchführung und Abrechnung der Leistungen an die AOK Berlin übertragen zu haben, sondern zugleich die Feststellung des im Einzelfall zulässigen Leistungsumfangs. Damit habe sie rechtswidrig auch die behördliche Entscheidung nach dem AsylbLG an einen Dritten abgegeben.

Die Senatsverwaltung hat zunächst auf angebliche Kostenvorteile bei ihrer Regelung verwiesen und die Meinung vertreten, die Aufgabenübertragung sei durch § 264 Abs. 1 SGB V gerechtfertigt. § 264 Abs. 1 SGB V berechtigt die Krankenkassen zwar zur Übernahme der Krankenbehandlung, sieht aber nicht die Übertragung hoheitlicher Aufgaben nach dem AsylbLG an die Krankenkassen vor. Die Senatsverwaltung behauptet nunmehr, der AOK Berlin ausschließlich die Prüfung der medizinischen Notwendigkeit einer ärztlichen ambulanten oder stationären Behandlung übertragen zu haben, wie sie früher die amtsärztlichen Dienste vorgenommen hätten.

Der Rechnungshof hat allerdings weder feststellen können, dass die AOK Berlin das Ergebnis ihrer medizinischen Prüfungen den Leistungsbehörden jeweils zur asylrechtlichen Entscheidung unterbreitet noch dass diese das Untersuchungsergebnis ihrerseits zur Entscheidung abverlangen. Die Senatsverwaltung ist daher gefordert, für eine Klarstellung der Verantwortlichkeiten zu sorgen.

Der Rechnungshof beanstandet, dass die für Soziales zuständige Senatsverwaltung sich bei der Hilfe im Krankheitsfall keinen ausreichenden Überblick über die voraussichtliche Anzahl der Leistungsberechtigten in den Jahren 2004 bis 2006 verschafft hat und dass sie keine Termine für die Durchführung der Jahresabrechnung und keine Regelungen über einen Zinsausgleich bei Überzahlungen vereinbart hat, wodurch es allein in den Haushaltsjahren 2004 und 2005 zu Überzahlungen von 10,4 Mio. und damit zu einem Zinsschaden von 480 000 gekommen ist. Die Senatsverwaltung hat damit in erheblichem Maße gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 Abs. 1 LHO) verstoßen.