Wie lebt ein Hartz-IV-Empfänger?

Hausbesuche sollen stets angekündigt werden. Nur in besonderen Fällen kann auch ein unangekündigter Hausbesuch erforderlich sein, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei einer Ankündigung Vorkehrungen getroffen werden, die den wahren Sachverhalt verdecken sollen. Nach dieser Grundregel verfahren bislang jedoch nur sehr wenige Jobcenter. Die meisten Sozialleistungsträger nehmen Hausbesuche generell unangekündigt vor. Nur dadurch ist ihrer Ansicht nach gewährleistet, dass die für die Aufklärung eines Sachverhalts notwendige Beurteilung der tatsächlichen Wohnverhältnisse objektiv und unverschleiert erfolge. Diese Ausnahme läuft dem Grundgedanken der grundrechtlich garantierten Unverletzlichkeit der Wohnung zuwider.

Um eine Entscheidung über den Zutritt zur Wohnung frei und unbeeinflusst treffen zu können, müssen Betroffene rechtzeitig und hinreichend aufgeklärt werden. Steht der Prüfdienst bereits vor der Tür, wird den Betroffenen angesichts des Überraschungseffekts eine Abwägung ihrer Möglichkeiten vielfach nicht mehr möglich sein. Insbesondere bei Besuchen in den frühen Morgenstunden besteht die Gefahr, dass Betroffene völlig überrumpelt den Zutritt zu ihrer Wohnung freigeben.

Datenschutzgerecht ist das Verfahren einiger Jobcenter, gegenüber den Leistungsempfängern Hausbesuche anzukündigen. Das konkrete Datum und die Uhrzeit werden dabei nicht genannt. Den Betroffenen ist es so möglich, sich auf den Besuch von Beschäftigten des Jobcenters einzustellen. Ein „Überrumpeln" an der Haustür ist dadurch weitgehend ausgeschlossen.

Wie lebt ein Hartz-IV-Empfänger?

Ein Bürger hat uns mitgeteilt, er habe unangemeldet Besuch vom Prüfdienst seines Jobcenters erhalten. An der Gegensprechanlage stellte der Mitarbeiter zunächst nur sich selbst vor. Als der Bürger die Wohnungstür öffnete, stand er jedoch auch zwei Vertretern eines privaten Fernsehsenders gegenüber.

Erst auf Nachfrage habe der Mitarbeiter des Jobcenters dies bestätigt. Obwohl der Bürger dem Fernsehteam Aufzeichnungen untersagte, habe er feststellen müssen, dass der Mitarbeiter mittels eines Tonaufzeichnungsgerätes, welches versteckt an seiner Lederjacke angebracht gewesen sei, die Aufzeichnung weiter fortsetzte.

Das Jobcenter hat dazu Stellung genommen und die Aufzeichnung durch den Mitarbeiter verneint. In der Wohnung sei es zu keinerlei Ton- oder Bildaufzeichnungen gekommen, das Kamerateam habe die Wohnung des Betroffenen nicht betreten.

Ein Fehlverhalten konnten wir dem Jobcenter in diesem Fall nicht nachweisen. Dennoch haben wir das Jobcenter darauf aufmerksam gemacht, dass hier sehr wohl Sozialdaten des Bürgers an das Fernsehteam weitergegeben wurden. Im Rahmen der Begleitung des Prüfdienstes durch das Fernsehteam werden beispielsweise der Name am Klingelschild und die Adresse des Betroffenen offenbart. Aus der Tatsache des Prüfbesuchs durch den Ermittlungsdienst eines Sozialleistungsträgers erfährt das Fernsehteam auch vom Leistungsverhältnis zum Bewohner.

Nach § 35 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB I) hat jeder Mensch Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet und genutzt werden (Sozialgeheimnis). Diese Verpflichtung soll verhindern, dass Betroffene unfreiwillig zum Gegenstand öffentlicher Berichterstattung werden.

Sozialdaten dürfen deshalb nur mit vorherigem Einverständnis der betroffenen Person oder bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 67 d ff.

Sozialgesetzbuch ­ Zehntes Buch (SGB X) übermittelt werden. Eine gesetzliche Befugnis nach diesen Regelungen für die Offenbarung von Sozialdaten an das Fernsehteam bestand im vorliegenden Fall nicht.

Ohne Einverständnis der betroffenen Person ist schon die Begleitung des Prüfdienstes zur Wohnung aus datenschutzrechtlicher Sicht unzulässig. Die Einholung des Einverständnisses erst an der Wohnungstür ist verspätet und rechtfertigt nicht die beschriebene Bekanntgabe der Daten auf dem Weg dahin.

Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat bereits 2004 in einem Beschluss die Behörden aufgefordert, bei Aufnahmen im häuslichen Bereich in Begleitung von Amtspersonen die Einwilligung der Betroffenen spätestens am Vortag der Film- und Fernsehaufnahmen einzuholen. Dies gilt insbesondere auch für die Herausgabe personenbezogener Daten zur deren Vorbereitung (z. B. Anschrift der betroffenen Person).

Wir haben das Jobcenter aufgefordert, zukünftig von der Begleitung des Prüfdienstes durch Fernsehteams ohne rechtzeitige vorherige Zustimmung der Betroffenen abzusehen. Dieser Aufforderung ist das Jobcenter nachgekommen und hat entsprechende Hinweise in seine Dienstanweisung aufgenommen.

Beschluss v. 13. Mai 2004, vgl. JB 2004, Anhang I., S. 168 f. In anderen Leistungsfällen seien tatsächlich Manipulationen auf Mietverträgen festgestellt worden. Aus diesem Grund seien Mietverträge generell ungeschwärzt vorzulegen.

Gerade vor dem Hintergrund, dass die Jobcenter nach § 22 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) verpflichtet sind, im Fall nicht zweckentsprechender Verwendung der Kosten für die Unterkunft Direktzahlungen der Miete zu leisten, sei auch die Bankverbindung erforderlich. Seien weder der Vermieter noch die Bankverbindung bekannt, so sei es dem Jobcenter unmöglich, seinem gesetzlichen Auftrag nachzukommen. Schließlich, so argumentiert das Jobcenter, seien die Akten revisionsfähig zu führen. Deshalb sei es erforderlich, vorgelegte Mietbelege in Kopie zu den Akten zu nehmen. Nur auf diese Weise sei es im Fall von Streitigkeiten möglich, Entscheidungen hinsichtlich der Übernahme von Mietrückständen zu treffen.

Wir haben das Jobcenter darauf hingewiesen, dass es sich bei der Angabe von Daten zur Vermieterin oder zum Vermieter um freiwillige Angaben handelt.

Unsere Auffassung wird gestützt durch die Ausfüllhinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Antragsvordruck Arbeitslosengeld II. Darin heißt es: „Die Bankverbindung des Vermieters wird im Normalfall nicht benötigt, sie wird nur erforderlich, um im Bedarfsfall Unterkunftskosten direkt an den Vermieter zu überweisen. Bei Bedarf werden die erforderlichen Daten später erhoben. Entsprechendes gilt für Name und Anschrift des Vermieters."

Eine Rechtsgrundlage für die Anforderung einer ungeschwärzten Kopie des Mietvertrages von der Bürgerin besteht nicht. Nach dem Sozialgesetzbuch ist das Erheben von Sozialdaten nur zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle erforderlich ist.