Rehabilitation

In der Sozialhilfe hat der Bundesgesetzgeber die Definition von Hilfebedarfsgruppen und deren Weiterentwicklung den Parteien des Rahmenvertrages nach §§ 75 ff. SGB XII übertragen. Dieser Prozess ist im Land Berlin weit fortgeschritten, jedoch noch nicht abgeschlossen. Durch die Übertragung der Vertragskompetenz auf die für Soziales zuständige Senatsverwaltung verfolgt der Senat die Absicht, bei vergleichbaren Situationen einheitliche Bedarfsdeckungen festzulegen und somit über - die Bezirke und die Leistungserbringer - bindende Regelungen zu einer Berlin übergreifenden Gleichbehandlung zu kommen. Dies entspricht auch dem bundesgesetzlich geregelten Bedarfsdeckungsgrundsatz, wonach zwar der individuelle Bedarf zu decken ist, das Maß des Notwendigen aber nicht überschritten werden darf.

Für die Ermittlung der vorgenannten Bedarfstatbestände werden im Land Berlin zwei Verfahren angewendet (BBRP und HMB-W-Verfahren - Erläuterung siehe nachfolgend), die fachlich fundiert und strukturiert eine leistungsgerechte Preisbildung unterstützen, aber in ihrer Anwendung auch Anforderungen an die Fachdienste der bezirklichen Gesundheitsämter sowie das bezirkliche Fallmanagement stellen.

Im Bereich der Leistungsgewährung an Menschen mit geistig/körperlicher Behinderung wurde das bis dahin angewendete System der prospektiven Kostensätze im Jahr 2000 auf ein System mit nach Hilfebedarfsgruppen kalkulierten Maßnahmepauschalen umgestellt (vgl. 83). Als Begutachtungsinstrument wurde das bundesweit anerkannte HMB-W-Verfahren (entwickelt von Frau Prof. Metzler, Universität Tübingen) eingeführt, welches in Berlin Anwendung findet. Das Verfahren wird in den Bundesländern modifiziert genutzt, enthält aber einheitliche Festlegungen zur Einschätzung der Bedarfssituation, der jeweiligen Maßnahmen und Prioritätensetzung.

Zu dem Verfahren gibt es kritische Überlegungen, die die Bedarfsgerechtigkeit, die Zieldefinition und die Nachhaltigkeit der Maßnahmen betreffen. Um diesen Kritikpunkten zu begegnen, wurde eine Begutachtung in Auftrag gegeben, um im Bereich der stationären Behindertenhilfe ein adäquates Begutachtungsverfahren (weiter) entwickeln zu können und daraus auch für den Heimbereich neue bedarfsgerechte Leistungstypen abzubilden. Die Ergebnisse werden noch in diesem Sommer vorliegen, die darauf aufsetzenden Verhandlungen zur Umsetzung noch in 2008 beginnen.

Im Bereich der Leistungsgewährung an Menschen mit seelischer Behinderung wurden im Jahr 2000 ebenfalls Hilfebedarfsgruppen definiert und - als Instrument zur Ermittlung des Hilfebedarfs und der Zuordnung zu einer Hilfebedarfsgruppe - der Berliner Behandlungs- und Rehabilitationsplan (BBRP) eingeführt. Anhand des BBRP werden - ausgehend von der aktuellen Problemlage des Leistungsberechtigten - die konkreten Ziele der Eingliederungshilfe definiert und detailliert Vorgehen/Maßnahmen geplant. Abhängig vom zeitlichen Umfang der geplanten Betreuungsleistungen je Woche wird eine Hilfebedarfsgruppe zugeordnet. Seit Einführung des nach Hilfebedarfsgruppen differenzierten Vergütungssystems zum 1.06.2004 ist der individuell erstellte BBRP regelhaft Grundlage für die Entscheidung des Sozialhilfeträgers. Insofern sollte nach Auffassung des Senats vorausgesetzt werden können, dass in den bezirklichen Geschäftsbereichen Soziales diesbezüglich hinreichend praktische Erfahrung besteht. Zudem erfolgt die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 und 54 SGB XII für Menschen mit seelischer Behinderung unter Einbeziehung der Steuerungsgremien Psychiatrie (SGP). Die vorbereitete Behandlungs- und Rehabilitationsplanung wird zur Fallbesprechung in Verantwor45 tung des Fallmanagements stets dem SGP mit dem Ziel der Erarbeitung und Abgabe fachlicher Empfehlungen zum ermittelten Hilfebedarf, zur Hilfebedarfseingruppierung und zum Leistungstyp im Hinblick auf die Umsetzungsmöglichkeiten auch unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie der Steuerung der Belegung, der Vermittlung in Angebote/Einrichtungen und der Kontrolle der Ressourcennutzung/des Budgets vorgestellt.

Der Senat weist darauf hin, dass das unter Federführung der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung in Zusammenarbeit mit den Bezirksämtern entwickelte Konzept des Fallmanagements aus einer fachpolitischen Handlungsnotwendigkeit mit dem Ziel einer verbesserten Dienstleistungsqualität der Berliner Verwaltung für die Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt eingeführt wurde, allein schon wegen der gesetzlichen Vorgaben im Sozialgesetzbuch für die Träger der Sozialhilfe alternativlos ist und deshalb nicht zur Disposition steht.

Das Konzept des Fallmanagements in der Eingliederungshilfe ist ein Erfolg versprechender Ansatz für eine verbesserte Leistungssteuerung, der bundesweit unter den örtlichen und überörtlichen Trägern der Sozialhilfe unstrittig ist und in unterschiedlichen Ausprägungen oder Bezeichnungen in der Verwaltungspraxis Eingang gefunden hat bzw. vor der Einführung steht. Insbesondere die großen überörtlichen Träger der Sozialhilfe in Deutschland haben auf diesem Gebiet bedeutende Vorarbeiten geleistet, an denen der Senat sich bei der Entwicklung seiner Konzepte orientiert hat.

Das Konzept des Fallmanagements in der Eingliederungshilfe ordnet sich zudem in die sich seit einigen Jahren herausbildende und international verbreitete Professionalisierungsstrategie der Leistungsträger anderer Sozialleistungsgebiete ein, welche die Ansprüche an Leistungsqualität, Ziel- und Wirkungscontrolling und Kostentransparenz und -kontrolle vereinen sollen. So sind Fallmanagement, Case- oder CareManagementkonzepte etwa in der Arbeitsverwaltung, bei den Krankenversicherungen oder in der Pflege längst unstrittig und teilweise flächendeckend eingeführt bzw. konkret geplant. Für den Senat erschließt sich nicht, warum dieses Konzept in einem sehr individuellen und komplexen Bereich sozialer Leistungen in der Praxis nicht umsetzbar sein soll.

Der Senat weist darauf hin, dass zum Zeitpunkt der „Aktenprüfung" die Umsetzung des Konzepts in den Bezirksämtern gerade erst begonnen hatte und es deshalb plausibel ist, dass in den Sozialhilfeakten eine durchgängige Dokumentation noch gar nicht vorhanden ist. Die geprüften Bezirksämter haben den Rechnungshof in ihren Stellungnahmen zu den Prüfungsmitteilungen auf diesen Umstand nachvollziehbar hingewiesen.

Es ist außerdem fraglich, ob die Methode einer „Aktenprüfung" dem insbesondere auf Kommunikation, Netzwerkarbeit und Prozesssteuerung ausgerichteten Konzept des Fallmanagements überhaupt gerecht werden kann. Einer der zentralen Handlungsansätze ist es ja gerade, die bisherige reaktive Aktenbearbeitung in den Sozialämtern und passive „Kostenübernahme" um ein aktives Steuerungs- und Kommunikationskonzept zu ergänzen.

Dem Senat sind die in einzelnen Bezirksämtern bestehenden Umsetzungsschwierigkeiten bekannt. Diese können aber nur sukzessive behoben werden. Für eine flächendeckende Evaluation der Wirkungen oder Erfolge des FallmanagementKonzepts ist es aus Sicht des Senats zu früh, da umfangreiche Veränderungspro46 zesse in komplexen Verwaltungssystemen, welche Rollen, Funktionen und Prozesse der Zusammenarbeit verändern und erhöhte Personal- und Sachressourcen erfordern, Zeit benötigen.

Der Verweis auf die Kompetenzen der Gesundheitsämter geht wie oben ausgeführt von unzutreffenden Annahmen über die Rollenverteilung zwischen dem Sozialamt als verantwortlichem Leistungsträger und dem Gesundheitsamt aus. Die Beratungsund Entscheidungsfunktion des Sozialamtes in rechtserheblichen Fragen der Leistungsverteilung unterscheidet sich von der Rolle des Gesundheitsamtes in medizinisch-therapeutischen Beratungsfragen für den/die ratsuchende/n Bürger/in sowie der Sachverständigenfunktion, im Auftrag des Sozialamtes medizinische Gutachten zu erstellen. Diese wird durch das Fallmanagement-Konzept nicht in Frage gestellt.

Der Senat weist daher die Kritik an der praktischen Umsetzbarkeit des Fallmanagement-Konzepts zurück. Die stichprobenartige Aktenprüfung wurde zu einem sehr frühen Zeitpunkt durchgeführt und es wurde sich bei der Prüfung nicht mit organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen befasst. Zur erfolgreichen und nachhaltigen Einführung des Fallmanagements sind eine Reihe von internen Verwaltungsprozessen umzustrukturieren, insbesondere sind Absprachen und Vereinbarungen zwischen den Sozialämtern und den gleichfalls derzeit in der Umorganisation befindlichen Fachdiensten in den Gesundheitsämtern erforderlich. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist der Aufbau regionaler Kommunikations- und Zusammenarbeitsstrukturen zwischen Leistungserbringern und Fallmanagement. Auch dies geschieht nicht von heute auf morgen, zumal eine veränderte Organisations- und Zusammenarbeitskultur nicht unbedingt aus den Einzelakten zu ermitteln ist. Solche Prozesse sowie deren zeitliche Komponente wurden jedoch nicht geprüft. Dem Senat ist aber bekannt, dass einige Bezirksämter auf diesem Weg inzwischen beachtliche Fortschritte gemacht haben.

Zur weiteren Verstetigung des Umsetzungsprozesses und zur mittel- und langfristigen Absicherung der Reformziele wird der Senat die Bezirksämter auch weiter unterstützen. Die für Soziales zuständige Senatsverwaltung hat daher mit den bezirklichen Geschäftsbereichen Soziales die Weiterentwicklung der Zielvereinbarung „Fallmanagement" beschlossen, die die konkret zu erreichenden strategischen und operativen Ziele der nächsten beiden Jahre benennt und den Grad der Zielerreichung über gemeinsam definierte Indikatoren transparent machen wird. Der Senat geht davon aus, dass die Bezirksämter der novellierten Zielvereinbarung beitreten werden. Darüber hinaus hält er eine sukzessive Weiterentwicklung der qualitativen Faktoren des Fallmanagements in Kooperation mit den Bezirken für erforderlich.

Die Bezirksämter haben mit der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung und der Senatsverwaltung für Finanzen eine Zielvereinbarung geschlossen, wonach u. a. verbesserte organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen, die eine Ausgabensteuerung im Bereich der Eingliederungshilfeleistungen bei gleichzeitiger bedarfsgerechter Leistungsgewährung ermöglichen. Es wurden Einsparungen in der Eingliederungshilfe in Höhe von 1 v. H. im Haushaltsjahr 2006 und 2 v. H. im Haushaltsjahr 2007 vereinbart.

Die prozentualen Einsparungen sollten sich dabei auf die Ausgabendurchschnittssätze aus den gewährten Eingliederungshilfeleistungen je Leistungsberechtigtem und Jahr beziehen. Die durchschnittlichen Ausgaben wurden aus dem IT-Verfahren PROSOZ/S für die Datenjahre 2005 und 2006 ermittelt. In Abweichung von diesen Zielvereinbarungen entschied die für Soziales zuständige Senatsverwaltung dann unter Beteiligung der Bezirksämter, die maßgeblichen Durchschnittssätze ausschließlich nach Bruttowerten zu erheben.

Eine Netto-Auswertung, d. h. die Betrachtung lediglich der reinen Ausgaben der Eingliederungshilfe nach Abzug der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen (vgl. T 81) oder anzurechnenden Einkommens, hat die Senatsverwaltung nach Betrachtung der Netto-Werte des Vergleichsjahres 2005 in PROSOZ/S aufgrund zahlreicher, nicht korrigierbarer Fehler als unbrauchbar verworfen. Außerdem wurde je Bezirk nur ein Gesamtdurchschnitt zum Vergleich herangezogen.