Rehabilitation

Im Oktober 2007 übermittelte die Senatsverwaltung dem Rechnungshof das vorläufige Ergebnis der Abrechnung der Zielvereinbarung für das Haushaltsjahr 2006. Danach haben sieben Bezirke eine Verbesserung der Gesamtdurchschnittssätze um mindestens 1 v. H. erzielt.

Auch nach Feststellung der Senatsverwaltung lassen die erhobenen Daten aber keinen Vergleich mit den tatsächlich geleisteten Ausgaben zu. Darüber hinaus sind die Daten für sich genommen nach Mitteilung der Senatsverwaltung für ein Benchmarking zwischen den Bezirken nur bedingt geeignet, da sie u. a. von regional unterschiedlichen Entgelthöhen, der Anzahl der Leistungsberechtigten sowie der Anzahl von Einrichtungen im Bezirk beeinflusst werden.

Wörtlich führte die Senatsverwaltung in ihrem Schreiben vom 18. Oktober 2007 aus: „Selbst der über das Fallmanagement gewollte prozentuale Steuerungserfolg im Verhältnis der Auswertungsergebnisse 2006 zu 2005 wird von vielen Faktoren mitbestimmt, sodass die Aussage erfolgreich oder nicht erfolgreich gesteuert zu kurz greift."

Mit der Änderung der Auswertungsgrundlage hat die Senatsverwaltung die Zielvereinbarungen als Instrument zur Ausgabenreduzierung unbrauchbar gemacht.

Der Rechnungshof hat beanstandet, dass die geschlossenen Zielvereinbarungen nicht geeignet waren, Aussagen über haushaltswirksame Einsparungen im Bereich der Eingliederungshilfe zu ermöglichen. Aufwand, einschließlich externer Unterstützung, und Ergebnis stehen in keinem angemessenen Verhältnis. zu 86: Primärintention der abgeschlossenen Zielvereinbarung ist es, in Berlin eine einheitliche und qualitativ hochwertige Eingliederungsleistung zu realisieren. Hierzu ist die Absicherung der Umsetzung des Konzeptes „Fallmanagement" in den bezirklichen Geschäftsbereichen Soziales erforderlich, da die Personal- und Organisationshoheit der Bezirke eine rechtlich bindende Regelung über Verwaltungsvorschriften nicht zulässt. Durch Einbindung der Leitungs- und Sachbearbeitungsebene aller zwölf Sozialämter während der Laufzeit des Projektes „Modellsozialamt" ist es nicht nur gelungen, konzeptionelle Festlegungen gemeinsam zu treffen, sondern auch über die Zielvereinbarung eine Selbstverpflichtung zur Umsetzung der Projektergebnisse zu ratifizieren. Der damit verbundene Aspekt der parallelen Entlastung des Landeshaushalts ist dabei zwar von Bedeutung, steht aber nicht im Vordergrund.

Die in der Zielvereinbarung genannte Abrechnungsmethode bezüglich des Erreichens der prozentualen Einsparvorgaben war in ihrer ursprünglichen Konzeption auf die Ermittlung von Durchschnittssätzen aus den gezahlten Transferausgaben der Eingliederungshilfe fokussiert. Im Zuge der Schaffung eines diesbezüglichen Datenauswertungsverfahrens verständigten sich die Zielvereinbarungspartner aber einvernehmlich darauf, die Durchschnittswerte im sog. Brutto-Verfahren (= reiner Eingliederungshilfebedarf, z. B. Heimkosten) zu erheben, da anzurechnendes Einkommen in Art und Höhe von den Fallmanager/innen nicht beeinflusst werden kann. Dies trifft auch auf den Anteil zum Lebensunterhalt bei der Hilfegewährung in Einrichtungen zu.

Das aufgezeigte „Verwerfen" unbrauchbarer Zahlen aus dem Datenbestand 2005 des IT-Fachverfahrens PROSOZ/S resultierte aus mehrfach aufgetretenen Auswertungsschwierigkeiten, die in direktem Zusammenhang mit der Softwarefunktionalität stehen. Die gewählte Abrechnungsmethode ist Ergebnis einer gemeinsamen Entscheidung der Senatsverwaltungen für Soziales und Finanzen sowie der Bezirksämter. Für die Abrechnung der Zielvereinbarung ist pro bezirklichem Geschäftsbereich Soziales nur ein Brutto-Gesamtdurchschnitt maßgeblich, der sich in seiner Höhe am jeweiligen Vorjahreswert orientiert. Insgesamt werden jedoch rund 20 Teildurchschnittssätze datentechnisch erhoben, die in ihrer Differenzierung eine weitgehende Transparenz zur Entwicklung der Brutto-Bedarfe und der Zahl der Leistungsberechtigten ermöglichen. Dadurch wird es erstmals möglich, Veränderungen im Leistungsgeschehen der Eingliederungshilfe abzubilden, wobei die dahinter stehenden Ursachen in den Bezirken anhand konkreter Leistungsfälle untersucht werden können.

Das für die Zielvereinbarung konzipierte Datenauswertungsverfahren wurde zwischenzeitlich von der Produktmentorengruppe „Soziales" der Bezirksämter von Berlin bezüglich der Datenqualität „freigegeben" und ist seit geraumer Zeit auch Auswertungsinstrument für die Mengenerhebung in der Kosten- und Leistungsrechnung.

Im Ergebnis der Abrechnung der Zielvereinbarung für das Datenjahr 2006 im Vergleich zum Datenjahr 2005 haben acht von zwölf Sozialämtern ihren bezirklichen abrechenbaren Brutto-Gesamtdurchschnittssatz um mindestens 1 v. H. reduzieren können. Berlin weit liegt das erzielte Durchschnittssatzergebnis bei - 1,3 v. H. und damit über den Vorgaben der Zielvereinbarung. Bezogen auf den dahinter stehenden Gesamt-Bruttobedarf der Eingliederungshilfe (= ohne Anrechnung von Einkommen und ohne Herausrechnung des Lebensunterhalts) ergibt sich eine parallele Reduzierung über alle Sozialämter in Höhe von rund 5,2 Mio.. Auch wenn dieser Wert systembedingt nicht mit der tatsächlichen Netto-Ausgabenentwicklung übereinstimmen kann, bildet er sich doch im Haushaltsgeschehen des Landes Berlin ab, da nur anerkannter Hilfebedarf zu einer entsprechenden Zahlbarmachung führt. Insofern wird auch durch die Ausführungen zur Buchungsproblematik im Bereich der Grundsicherung/des Lebensunterhalts (vgl. 81) nicht belegt, dass das bezirkliche Fallmanagement in Bezug auf die Entlastung des Landeshaushalts wirkungslos war. Aus Sicht des Senat ist das Abrechnungsverfahren der Zielvereinbarung durchaus geeignet, Steuerungsentwicklungen mit Auswirkungen auf den Landeshaushalt sichtbar zu machen. Im Übrigen war bei der Erstellung der Zielvereinbarung und bei der Entwicklung des Abrechnungsverfahrens externe Unterstützung nicht involviert.

Der Personenkreis der seelisch behinderten Menschen wurde von der Zielvereinbarung, der Ausgabensteuerung durch die Fallmanager und einer prozentualen Vergütungsabsenkung grundsätzlich ausgenommen. Stattdessen wurde für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2006 vereinbart, die Absenkungen über Trägerbudgets zu realisieren. Jedem Träger wurde für drei Jahre ein festes Budget über die Gesamtheit seiner Einrichtungen zugewiesen. Damit sollten die Träger gemäß Beschluss vom 27. Mai 2003 Mehraufwendungen von 4,2 Mio. wegen einer vom Jahr 2004 an erwarteten Erhöhung der Fallzahlen durch Einsparungen kompensieren. Nach dem gemeinsamen Ergebnisbericht der Einrichtungsträger und der Senatsverwaltung vom 8. Mai 2007 wurde im Budgetzeitraum ein Fallzahlzuwachs von 4,5 v. H. festgestellt, die Budgetvorgaben wurden eingehalten und der Fallzahlzuwachs dadurch ausgeglichen. Dieser Ergebnisbericht ist offensichtlich unzutreffend, denn im Vergleich der Haushaltsjahre 2005 und 2006 ergibt sich ein Ausgabenanstieg für den Personenkreis der seelisch behinderten Menschen von ca. 78 Mio. auf ca. 87 Mio., somit ein Anstieg von ca. 9 Mio.. Eine Kompensation von Fallzahlsteigerungen oder ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung ergibt sich aus den Haushaltsdaten nicht. zu 87: Für den Zeitraum vom 1.01.2004 bis 31.12.2006 wurden für den Bereich der Einrichtungen und Dienste für Menschen mit seelischer Behinderung Budgets mit den Leistungsträgern mit einem Gesamtvolumen von ca. 270 Mio. (entspricht ca. 90 Mio. /Jahr) vereinbart. Zielsetzung war, für den dreijährigen Vereinbarungszeitraum das Ausgabenvolumen bis zur Höhe der bezifferten Budgetsumme zu begrenzen und zugleich der Entwicklung der Fallzahlen Rechnung zu tragen. Ohne Ausweitung des Budgets sollte ein Zuwachs der Fallzahlen von bis zu 5 v. H. kompensiert werden.

Der im Mai 2007 vorgelegte gemeinsame Ergebnisbericht von Einrichtungsträgern und Senatsverwaltung enthält die zentralen Aussagen, dass

· das vereinbarte Budgetvolumen in Summe über alle Träger - bezogen auf den Dreijahreszeitraum - nicht überschritten wurde und

· zugleich innerhalb des Budgetzeitraumes ein Fallzahlzuwachs von insgesamt 4,5 v. H. erzielt wurde.

Die Budgetvorgaben wurden damit erfüllt.

Die vorgenannten Budgetvereinbarungen legen ein maximales Ausgabenvolumen für einen Dreijahreszeitraum fest. Zur Überprüfung dieser Vereinbarung sind daher nur die Ausgaben im Gesamtzeitraum von Relevanz - unabhängig davon, ob und in welcher Höhe eine Steigerung/Minderung zwischen einzelnen Budgetjahren zu beobachten ist. Eine jährliche Absenkung der Gesamtausgaben war nicht Gegenstand des Kontraktes.

Die vereinbarte Absenkung wurde durch die budgetneutrale Umsetzung einer Fallzahlsteigerung von 4,5 v. H. zwischen 2004 und 2006 erbracht. Der Fallzahlanstieg der ohne Budgetierung in der Summe zwangsläufig zu Mehrausgaben in gleicher Größenordnung geführt hätte - wurde ohne Ausweitung des Budgets bspw. durch die Absenkung der durchschnittlichen Hilfebedarfsgruppe realisiert.

Der Senat verkennt nicht, dass die effektive Steuerungswirkung aufgrund der von den Zahlungs- und Buchungsverfahren der Sozialhilfe abgekoppelten Nachweislegung über ein eigens entwickeltes IT-gestütztes „Budgetkontrollprogramm" mit der kameralen Rechnungslegung schwer vergleichbar ist. Im Falle einer Folgevereinbarung ab 2010 wird er gewährleisten, dass die für die Budgetkontrolle notwendigen Informationen aus dem derzeit in der Einführung befindlichen IT-Verfahren OPENPROSOZ gewonnen werden können.

Das Land Berlin zahlt auch bei vorübergehender Abwesenheit eines Betreuten der Einrichtung vereinbarungsgemäß die Vergütungen in Form eines Freihaltegeldes weiter. Das Freihaltegeld ist hierbei in der Regel das um den Beköstigungssatz verminderte Entgelt. Seit Jahren wird bei Krankenhausbehandlung, Kur oder einer Rehabilitationsmaßnahme bis zu drei Monaten je Kalenderjahr das Freihaltegeld gezahlt, zusätzlich gelten Urlaubsregelungen von mindestens 30 Tagen.

Der Rechnungshof hat die seit Jahren bestehenden, mehr als großzügigen Freihalteregelungen beanstandet und darauf hingewiesen, dass der Sozialhilfeträger in erheblichem Umfang finanzielle Leistungen erbringt, ohne dass entsprechende Eingliederungsmaßnahmen durch die Einrichtungsträger erbracht werden. Erst im November 2007 hat die zuständige Senatsverwaltung Veränderungen vereinbart. So wird nunmehr den Trägern vollstationärer Einrichtungen bei Krankenhausaufenthalt und Urlaub des Betreuten für insgesamt 91 Tage im Kalenderjahr ein Freihaltegeld bezahlt. Statt Freihaltegeld wird vom Jahr 2008 an zusätzlich aber sogar die volle Vergütung gezahlt, wenn der Träger die Betreuung am anderen Ort (Krankenhaus, Reha-Einrichtung) fortführt. Auch die Neuregelungen sind im Vergleich mit den Regelungen anderer Sozialhilfeträger immer noch als sehr großzügig anzusehen. Im Land Brandenburg werden beispielsweise bei Krankenhausaufenthalt, Kur und Urlaub Freihaltegelder für längstens bis zu 60 Tagen gewährt, in Hamburg bis zu 70 Tagen. Für den Arbeitsbereich der Werkstätten wird in Brandenburg und in Hamburg im Krankheitsfall das vereinbarte Entgelt im Jahr bis zu sechs Wochen weitergezahlt.

Andere Sozialhilfeträger haben nach den Erkenntnissen des Rechnungshofs darüber hinaus auch in der Höhe kostengünstigere Regelungen vereinbart. Dort wird nicht nur um den Beköstigungssatz gemindert. zu 88: Die Leistungserbringer sind im Rahmen der vereinbarten Leistungsangebote verpflichtet, bei vorübergehender Abwesenheit (insbes. bei längeren Krankenhausbehandlungen sowie Kur- oder Rehabilitationsmaßnahmen) und zu erwartender Rückkehr der von ihnen betreuten Personen, das jeweilige Leistungsangebot und den Einrichtungsplatz weiter vorzuhalten. Sie haben in der Regel kaum Einfluss auf die Abwesenheitszeiten von Leistungsberechtigten, der genaue Zeitpunkt für eine Beendigung oder Wiederaufnahme der Leistungen ist nur selten planbar. Personalund Sachkosten sind während der Abwesenheitszeiten auch bei verminderter Auslastung der Einrichtung weiter zu finanzieren, um die Betreuung nach Beendigung der vorübergehenden Abwesenheit jederzeit fortführen zu können. Dies ist vertraglich vereinbart. Es kann nicht verlangt werden, dass die jeweilige Einrichtung aufgrund von Abwesenheitszeiten betreuter Personen perspektivisch mit Verlust arbeitet und somit das vereinbarte Leistungsangebote nicht mehr sicherstellen kann. Insofern sind die beanstandeten Freihalteregelungen aus Sicht des Senats nicht großzügig sondern angemessen und gesetzeskonform.