Versicherung

Das Freihaltegeld ist wie die Maßnahmen- und Grundpauschalen ein Vergütungsbestandteil der zwischen Leistungserbringer und Träger der Sozialhilfe auf der Grundlage der §§ 75 ff. SGB XII zu vereinbaren ist. Dies setzt voraus, dass mit der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege einvernehmliche Festlegungen zu den über das Freihaltegeld zu finanzierenden Abwesenheitszeiten getroffen werden können. Einseitige Festlegungen zu Lasten der Leistungserbringer sind nicht zulässig und rechtlich auch nicht durchsetzbar. Die Gerichte folgen im Übrigen in diesen Fragen regelhaft den Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 80 SGB XII, die aufgrund ihrer paritätischen Besetzung (Sozialhilfeträger, Einrichtungsträger, unparteiischer Vorsitz) keine Festlegungen treffen, die perspektivisch zu Einnahmeverlusten im vorgenannten Sinne führen.

Die „Kommission 75" hat ­ unter Einbeziehung und Prüfung der Regelungen in anderen Bundesländern - bei der im November 2007 vereinbarten Novellierung der Freihalteregelungen im Übrigen bereits restriktive Maßnahmen gegenüber dem bis dahin geltenden Verfahren beschlossen. So wurden etwa die maximal zulässigen Freihaltetage im Bereich Wohnen von 122 auf 91 Tage reduziert und bei den Maßnahmen für Menschen mit seelischer Behinderung die bis dato geltende Regelung einer stets neu beginnenden Zählung von Freihaltetagen die nunmehr geltende Höchstzahl pro Jahr festgelegt. Der Senat geht dabei davon aus, dass die Ausschöpfung der maximal finanzierten Freihaltetage sowohl in der Vergangenheit als auch heute der seltene Ausnahmefall war und ist.

Im Rahmen der Einführung des neuen Fachsystems OPEN PROSOZ werden die technischen Voraussetzungen geschaffen, um die Inanspruchnahme der neuen Freihalteregelungen statistisch erfassen und deren finanzielle Auswirkungen bewerten zu können, um dann ggf. über erforderlich werdende Anpassungen an den Freihalteregelungen zu verhandeln.

Die vorgeschlagene weitere Reduzierung der Regelungen zur vorübergehenden Abwesenheit ist grundsätzlich verhandelbar, sofern eine entsprechende Kompensation nicht gewährter Freihalteentgelte über die kalkulatorische Auslastung erfolgt. Dies führt im Ergebnis jedoch zu höheren (laufenden) Vergütungspauschalen. Während die Freihaltebeträge Regelungen für potentielle - nicht regelmäßig auftretende - Fälle darstellen, sind die Maßnahme- und Grundpauschalen sowie Investitionsbeträge laufend und für alle Fälle zu zahlen. Der Senat wird die Kritik aber zum Anlass nehmen, verschiedene Aspekte der Freihalteregelung mit den bezirklichen Geschäftsbereichen Soziales erneut zu diskutieren.

Zusammenfassend beanstandet der Rechnungshof, dass die für Soziales zuständige Senatsverwaltung

· beim haushaltsmäßigen Nachweis der Ausgaben für behinderte Menschen nicht für die Haushaltstransparenz gesorgt hat, die für eine Ausgabensteuerung notwendig ist,

· Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung für den Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2006 in Höhe von ca. 1,5 Mio. wieder zurückgenommen hat,

· ein praxisungeeignetes Fallmanagement-Konzept eingeführt hat, das darüber hinaus mit gesetzlichen Aufgabenzuweisungen an das Gesundheitsamt kollidiert,

· für Steuerungszwecke getroffene Zielvereinbarungen durch Änderung der Auswertungsgrundlage als Instrument zur Ausgabenreduzierung der Eingliederungshilfe unbrauchbar gemacht hat,

· für den Personenkreis der seelisch behinderten Menschen keine wirksame Ausgabenbegrenzung vereinbart hat und

· im Vergleich mit anderen Sozialhilfeträgern unangemessen großzügige Vereinbarungen mit Einrichtungsträgern über Freihaltegelder geschlossen hat.

Der Rechnungshof erwartet, dass die für Soziales zuständige Senatsverwaltung ihre bisher erfolglosen Bemühungen um eine Ausgabensteuerung bei der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen kritisch analysiert und insbesondere bei den Vereinbarungen mit den Einrichtungsträgern für eine Absenkung der Ausgaben sorgt. zu 89: Der Senat zieht aus dem Bericht folgende Schlussfolgerungen:

· Die Haushaltstransparenz im Bereich der Eingliederungshilfe an behinderte Menschen und im Bereich der Hilfe zur Pflege nach SGB XII weist Defizite auf.

Die diesbezügliche Kritik wird aufgegriffen und einer Lösung zugeführt.

· Die Weitergabe von allgemeinen Preissteigerungen der Jahre 2005/2006 war aufgrund bundesgesetzlicher Anforderungen (vgl. 83) erforderlich. Der Auflagenbeschluss Nr. 83 vom 28.06.2002 zum Haushaltsgesetz 2002/2003 des Abgeordnetenhauses zur Ausgabenbegrenzung wurde umgesetzt, die erzielten Ergebnisse dem Parlament vorgelegt.

· Das Fallmanagement ist als Steuerungskonzept im Bereich der Eingliederungshilfe alternativlos. Es trägt in seiner inhaltlichen und qualitativen Ausrichtung wesentlich zum Verwaltungsreformprozess des Landes Berlin bei und wurde aus diesem Grunde auch in die Neuordnungsagenda 2010 aufgenommen. Mit den eingeleiteten Maßnahmen wurden und werden konkrete Schritte unternommen, um die Eingliederungshilfe sowohl aus Sicht der betroffenen Bürgerinnen und Bürger als auch aus fiskalischer Sicht weiter zu optimieren. Neben einigen anderen Ländern und Kommunen hat Berlin hier eine Vorreiterrolle übernommen, die bundesweit Aufmerksamkeit gefunden hat und perspektivisch zu einer flächendeckenden Umsetzung führen wird. Die Praxistauglichkeit des Verfahrens wird von den Sozialhilfeträgern der Bundesländern nicht angezweifelt.

· Sozial- und Gesundheitsämter agieren im Fallmanagement miteinander, es gibt keine Aufgabenkonkurrenz oder -kollision. Die vorhandenen bzw. zu schaffenden Kooperationsstrukturen und Zuständigkeiten sind gesetzeskonform.

· Die in der Zielvereinbarung enthaltene Abrechnungsmethode zeigt über die Ermittlung von personenbezogenen Brutto-Durchschnittssätzen Entwicklungen der Transferausgaben auf und konzentriert sich dabei auf die konkret durch die Fallmanager/innen steuerbaren Bedarfe der Eingliederungshilfe. Seit Einführung des Verfahrens liegen Daten in kleinteiligen Strukturen von Hilfeunterarten der Eingliederungshilfe in bezirklicher Gliederung vor, die Unterschiede ausweisen und perspektivisch auch für ein Benchmarking geeignet sind. Diese Daten sind Grundlage für künftige inhaltliche und qualitative Diskussionen unter Steuerungsaspekten und damit unterstützendes Instrument für Ausgabenreduzierungen.

· Die für den Personenkreis der Menschen mit seelischer Behinderung vereinbarten Ausgabenbegrenzungen fokussieren sich auf die Mengenkomponente, also die Versorgung von mehr Menschen mit Behinderung unter den Bedingungen eines gleich bleibenden Budgets. Sie beeinflussen insoweit den Landeshaushalt, dass sich abzeichnende Mehrausgaben durch eine Deckelung der zur Verfügung stehenden Transferausgaben kompensiert werden. Insofern findet eine tatsächliche Ausgabenbegrenzung statt. Im Hinblick auf die hinter dieser Methode stehenden Datengrundlagen sieht der Senat Verbesserungsmöglichkeiten, die im Zuge der Einführung der Fachsoftware OPEN PROSOZ einer Lösung zugeführt werden.

· Die mit den Einrichtungsträgern vereinbarten Freihaltegelder erfordern ein einvernehmliches Vorgehen, dass von fiskalischen, qualitativen und sozialpolitischen Aspekten beeinflusst wird. Diesen Aspekten wurde mit der letzten Novellierung der Regelung im November 2007 bereits Rechnung getragen. Der Senat sieht hier aber Möglichkeiten, perspektivisch weitere sinnvolle Veränderungen mit den Bezirken zu diskutieren und diese bei den nächsten diesbezüglichen Verhandlungen zu berücksichtigen.

Der Senat wird alles daran setzen, die ersten ermutigenden Ergebnisse des Fallmanagements weiter auszubauen. Dabei wird er den erreichten Zielerreichungsgrad weiterhin kritisch analysieren und gemeinsam mit allen Beteiligten, insbesondere den Bezirksämtern, an der weiteren Verbesserung eines qualitätsgesicherten Geschäftsprozesses arbeiten. Ziel ist es, zu einer passgenauen Feststellung des konkreten Hilfebedarfs für alle Menschen mit Behinderung unter Einbeziehung der Kriterien von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durch den Kostenträger zu gelangen.

Absenkungen im Entgeltbereich können weder beliebig angeordnet noch durchgesetzt werden. Sie müssen sich zudem auch am Bundesrecht zu den vertragsrechtlichen Vorgaben auf der einen Seite und dem Bedarfsdeckungsgrundsatz auf der anderen Seite ausrichten. Hier gilt es, eine für alle Vereinbarungspartner akzeptable Abwägung zwischen sozialpolitischen und fiskalischen Interessen zu finden. Der Mensch mit Behinderung darf dabei aber nicht auf einen sozialpolitischen Kostenfaktor reduziert werden.

2. Finanziell nachteilige Vereinbarungen der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung über die gesundheitliche Versorgung von hilfebedürftigen Personen

Die für Soziales zuständige Senatsverwaltung hat mit der AOK Berlin Vereinbarungen über die Durchführung und Abrechnung der gesundheitlichen Versorgung von nicht krankenversicherten hilfebedürftigen Personen getroffen, die insbesondere durch Überzahlungen in den Haushaltsjahren 2004 und 2005 zu einem Zinsschaden von insgesamt 480 000 geführt haben. Durch die unnötige Abrechnung von Krankenhauskosten über die AOK Berlin hat sie zusätzliche Ausgaben zulasten des Landeshaushalts verursacht.

Die Leistungsberechtigten nach

· §§ 1a und 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG),

· § 26 b Bundesversorgungsgesetz sowie

· dem Gesetz über die Anerkennung und Versorgung politisch, rassisch oder religiös Verfolgter des Nationalsozialismus und

· dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bzw. § 2 AsylbLG sowie § 40 des Achten Buches Sozialgesetzbuch, die voraussichtlich für nicht länger als einen Monat im Leistungsbezug stehen bzw. die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 SGB XII beziehen, sind auch nach den bundesgesetzlichen Änderungen durch das GesundheitssystemModernisierungsgesetz aus dem Jahre 2004 und das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz aus dem Jahre 2007 sowohl von der Übernahme der Krankenbehandlung durch eine selbst gewählte Krankenkasse nach § 264 Abs. 2 - 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) als auch von dem Zugang zur regulären Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.

Ziel des Senats ist es daher, für Flüchtlinge, Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene, Verfolgte des Nationalsozialismus sowie kurzfristig hilfebedürftige Jugendliche und Sozialhilfeempfänger die Aufrechterhaltung eines seit langer Zeit existierenden Systems der Gewährung von Hilfen im Krankheitsfalle sicherzustellen.

Durch die Änderungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und durch die „Hartz IV"-Gesetzgebung ist der größte Teil der bisherigen Sozialhilfeempfänger seit dem Jahr 2004 gesetzlich krankenversichert. Das Land Berlin hat seitdem nur noch für einen kleinen Teil ehemals Leistungsberechtigter die Kosten im Krankheitsfall zu übernehmen. Das sind vor allem Asylbewerber, ferner Sozialhilfeempfänger, die nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, sowie Kinder und Jugendliche ohne Krankenversicherungsschutz. Für diesen Personenkreis hat die für Soziales zuständige Senatsverwaltung mehrere Vereinbarungen über die Durchführung und Abrechnung der ambulanten ärztlichen Leistungen mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Berlin getroffen. Die verwaltungsmäßige Abrechnung mit der AOK Berlin wurde darin allein dem Bezirksamt Pankow, Geschäftsbereich Soziales, übertragen, ohne dass der Senat die dazu nach § 3 Abs. 3 AZG erforderliche Rechtsverordnung erlassen hat.