Volkswirtschaft

Ohne die Infrastrukturkosten für das Schienennetz bei der Straßenbahn verringert sich zwar die Kostendifferenz zwischen Straßenbahn und Bus. Aber auch dann sind die Kosten für die Straßenbahn deutlich höher als die Kosten für den Bus (bis zu 36 v. H. im Jahr 2005). Der Fahrkilometer einer Straßenbahn (Nutzwagenkilometer) weist im Jahr 2005 gegenüber dem Bus um 93 v. H. höhere Gesamtkosten auf; ohne die Infrastrukturkosten für den Fahrweg der Straßenbahn beträgt die Differenz in diesem Jahr immer noch 63 v. H. zu 223: siehe 225

224 Die Wirtschaftlichkeit von Netzergänzungen bei der Straßenbahn wird nach Auskunft der Senatsverwaltung anlassbezogen in einem vereinfachten standardisierten Verfahren (angelehnt an das Bewertungsverfahren zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) geprüft, mit dem die gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit in Form einer Nutzen-KostenUntersuchung und die Folgekosten ermittelt werden. Der Nutzen-Kosten-Indikator als Ergebnis der Untersuchung enthält auch nicht monetäre Indikatoren, wie vermiedene Betriebskosten des motorisierten Individualverkehrs, eingesparte Reisezeit, reduzierte Schadstoffemissionen oder vermiedene Verkehrsunfälle. Ist der Indikator größer als 1, ist dieses Inves126

titionsvorhaben gesamtwirtschaftlich sinnvoll, da der Nutzen die Kosten übersteigt. In der Folgekostenrechnung wird das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Investition in Form des Kapitalwerts aus den Erlösen wie Fahrgeld- und Werbeeinnahmen sowie Investitionen und Kosten für Betrieb und Unterhaltung ermittelt.

Für die Entscheidung der Senatsverwaltung über den Neubau von Straßenbahnstrecken ist allein die gesamtwirtschaftliche Beurteilung des Vorhabens, insbesondere dessen zu erwartende verkehrliche Wirkung, maßgeblich. Die Folgekostenrechnung soll angabegemäß lediglich dazu dienen, Investitionszeitpunkte offenzulegen; betriebswirtschaftliche Auswirkungen finden keine Berücksichtigung. Der Rechnungshof hat dies beanstandet. zu 224: Inzwischen wird von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für Verkehrswegeinvestitionen immer das Standardisierte Bewertungsverfahren oder das zwischenzeitlich bundesweit eingeführte Vereinfachte Projektdossierverfahren angewendet. Dabei werden Kosten i. d. R. „monetär", d. h. in Euro, dargestellt und die genannten Indikatoren im Standardisierten Bewertungsverfahren grundsätzlich monetarisiert.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung entscheidet aufgrund des Nutzen-KostenIndikators (NKI) darüber, ob eine Investition überhaupt zur Umsetzung in Frage kommt. Bei einem NKI größer als 1 ist ein volkswirtschaftlicher Nutzen im Sinne der Ausführung zu 222 gegeben. In einem zweiten Schritt wird nach Vorlage des Ergebnisses der Folgekostenrechnung selbstverständlich noch einmal abgewogen, ob eventuell erforderliche Ausgleichszahlungen an Infrastrukturbetreiber oder Betreiber durch das volkswirtschaftlich positive Ergebnis gerechtfertigt sind. Bei Investitionen im Auftrag der Verkehrspolitik - wie der Straßenbahnneubaustrecke Invalidenstraße steht dies nicht in Frage. Das Standardisierte Verfahren gewährleistet, dass die betriebswirtschaftlichen Wirkungen nicht unberücksichtigt bleiben.

Die Senatsverwaltung hat eingewandt, dass die Wirtschaftlichkeit ein mit den weiteren gesetzlichen Anforderungen gleichberechtigtes, nicht aber vorrangiges Abwägungskriterium darstelle. Der Rechnungshof berücksichtige zudem nicht, dass auch ausweislich von wissenschaftlichen Untersuchungen eine Straßenbahn mehr Fahrgäste anziehe als ein Bus.

Der Kostenvergleich sei zugunsten des Busses verzerrt, weil hier auch kostengünstige Subunternehmen eingesetzt und kostengünstige Leistungen (z. B. Rufbusdienste) enthalten seien. Im Übrigen seien für die Straßenbahn nicht Nutzwagenkilometer, sondern Nutzzugkilometer als Bezugsgröße angebracht, bei deren Zugrundelegung höhere Erlöse anfielen als pro Bus und Kilometer.

Die Entgegnung der Senatsverwaltung geht zum Teil an der Argumentation des Rechnungshofs vorbei. Der Rechnungshof hatte lediglich darauf hingewiesen, dass auch bei der Wahl der Verkehrsmittel die Wirtschaftlichkeit nicht außer Acht gelassen werden darf. Im Übrigen überzeugen die Einwendungen nicht. So enthält die einzige von der Senatsverwaltung zitierte wissenschaftliche Untersuchung das Fazit, dass die - auch von der Senatsverwaltung vertretene - These, wonach die Fahrgastzahlen im Schienenbetrieb signifikant höher sind als im Busbetrieb, nicht bestätigt werden kann. Die Senatsverwaltung verkennt zudem, dass für einen Kostenvergleich die Ist-Kosten maßgeblich sind und der Anteil der von ihr angeführten unterschiedlichen Beförderungsleistungen nur gering ausfällt. Im Übrigen wäre bei der Bezugsgröße Nutzzugkilometer die Kostendifferenz zum Bus noch größer, denn bei einer Straßenbahn in Doppeltraktion handelt es sich um zwei Nutzwagen, aber nur einen Nutzzug. Unabhängig hiervon sind Personenkilometer das sachgerechteste Kriterium, das sich auch auf die tatsächlich beförderten und zahlenden Fahrgäste bezieht. zu 223 und 225: Der methodische Ansatz, wonach Aussagen zum Vergleich der Wirtschaftlichkeit von Straßenbahn und Bus getroffen werden, ruft grundsätzliche Bedenken hervor. Er ist aus folgenden Gründen zu einseitig orientiert, was sich auch auf die gezogenen Schlussfolgerungen auswirkt:

Die Berechnung basiert ausschließlich auf den Kosten und berücksichtigt nicht die erzielten Erlöse. Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit müssen die Kosten den Erlösen gegenübergestellt werden. Höhere Kosten verursachen keine Unwirtschaftlichkeit, sofern ihnen höhere Erlöse gegenüberstehen. Die Straßenbahn hat höhere Fahrgastzahlen je Fahrzeugkilometer als der Bus und insofern auch höhere Erlöse.

Sie ist je Zugkilometer mit ca. 25 Fahrgästen, der Bus mit nur ca. 2 höhere Erlöse je NutzZug-km hat als beim Bus je Nutzwagen-km.

Die Untersuchung findet ohne Betrachtung des Verkehrsmittelwahlverhaltens statt.

Dies darf bei einer Bewertung jedoch nicht vernachlässigt werden. Unterschiedliche Verkehrsmittel haben eine unterschiedliche Attraktivität für die Kunden und erreichen damit auch unterschiedliche Fahrgastzahlen. Mit dem Schienenverkehr verbinden Kunden Qualitäten wie z. B. Zuverlässigkeit oder Komfort, dies sind maßgebliche Kriterien, sich im Einzelfall für oder gegen den ÖPNV zu entscheiden. Die Fahrgelderlöse als Haupteinnahmequelle der BVG hängen davon maßgeblich ab.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen generell, dass die Straßenbahn aus Sicht der Kunden attraktiver ist als der Bus und dies führt auch zu deutlich höheren Fahrgastzahlen („Schienenbonus"). Bei Umstellungen von Bus auf Straßenbahn wurden zwischen 1989 und 2000 unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen Steigerungen zwischen 39 v. H. und 175 v. H., im Mittel 83 v. H. erzielt (Kasch/Vogts, in: Der Nahverkehr 03/2002). Bei Umstellung von Straßenbahn auf Bus ist regelmäßig ein deutlicher Fahrgastverlust festzustellen.

Es ist nicht erkennbar, ob die Vergleichsuntersuchung zwischen zwei Verkehrsmitteln oder zwei BVG-Unternehmensbereichen stattgefunden hat. Sollte letzteres der Fall sein, wäre vor einer abschließenden Bewertung zunächst zu prüfen, ob neben den rein verkehrsmittelbezogenen Kosten nicht auch die einzelnen Unternehmensbereiche der BVG mit ihrem Handeln und ihren Kostenstrukturen ursächlich für unterschiedliche unternehmensspezifische Kostenzuordnungen sind. Aus Sicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung darf ein Kostenvergleich allein die verkehrsmittelbezogenen Kosten- und Ertragsdaten berücksichtigen.