Leasing

Bezüglich eines Kostenvergleichs Bus/Straßenbahn ist Voraussetzung für eine Beurteilung der Kostenaussagen, dass Art und Grundlage der Zuordnung von Kosten auf die jeweiligen Verkehrsträger nachvollzogen werden können. Es ist nicht ersichtlich, welche Kostenarten (verkehrs-/unternehmensbezogene Kosten) Bestandteil der Berechnung waren. Auch ist nicht erkennbar, wie z. B. die zentrale Verwaltung, Ruhegelder oder die Bezahlung fahrdienstuntauglicher Mitarbeiter abgebildet und zugeordnet wurden. Die Gewinn- und Verlustrechung der BVG weist die Kosten (und Erträge) nicht nach Verkehrsträgern differenziert aus. Die BVG selbst hat gegenüber der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dargelegt, dass sie Kosten und Erträge nicht den Verkehrsträgern, und schon gar nicht den einzelnen Linien zuordnen kann.

Einer Bewertung der tatsächlichen Kostenverhältnisse müsste jedoch im Einzelnen eine Linien-Leistungs- und Erfolgsrechnung zugrunde liegen. Dies gilt umso mehr, als die BVG die Betriebskosten im Grenzbereich von Bus- und Straßenbahn als nahezu identisch einschätzt.

Beim Verkehrsmittel Bus ist relevant, ob die Kosten für Subunternehmerleistungen (derzeit 11 v. H. der Betriebsleistung) in die Kosten des Betriebszweiges Bus mit eingerechnet wurden, oder ob diese der Position Einkauf zugeordnet wurden. Bei Leistungen von Subunternehmern, die derzeit allein beim Verkehrsmittel Bus erbracht werden, werden deutlich geringere Löhne, insbesondere im Vergleich zu BVGAltbeschäftigten gezahlt. Dadurch wird der Kostenvergleich Bus - Straßenbahn verzerrt. Der Umfang der Beauftragung von Subunternehmern ist eine wirtschaftliche und politische Entscheidung, die nicht ursächlich mit dem Verkehrsmittel verknüpft ist.

Der Unternehmensbereich Straßenbahn verfügt über eine große Zahl von Fahrzeugen, die für die Erbringung des heutigen Fahrplans nicht erforderlich sind. Es handelt sich überwiegend um modernisierte Tatra-Bahnen, die in bestehenden Cross-borderleasing-Verträgen gebunden sind und betriebsfähig vorzuhalten sind. Hierfür ist jedoch nicht das Verkehrsmittel Straßenbahn ursächlich, sondern die unternehmerische Entscheidung zum Abschluss der Verträge. Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung können somit nur die zur Erbringung des heutigen Fahrplans notwendigen Fahrzeuge herangezogen werden. Bei einer langfristigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sind auf die heutigen Kosten der Leasingverträge die damals erwirtschafteten Erträge anzurechnen. Insofern ist für die Beurteilung der vorliegenden Kostenbewertung relevant, wie die Kosten für die Einhaltung der Leasingverträge in die Berechnungen eingegangen sind.

Es werden im Ergebnis also unterschiedliche Leistungen mit unterschiedlichen Kostenstrukturen verglichen. Beim Busverkehr sind kostengünstige Verkehre wie überörtliche Verbindungsstrecken (z. B. Kladow, Müggelheim, Lindenberg), Rufbus- und Taxidienste in den Durchschnittskosten enthalten, was diese verzerrt. Beim Straßenbahnverkehr sind überwiegend 30 - 40m-Züge, auf Metrolinien bis 60m im Einsatz.

Die Berechnung bezieht sich auf Nutzwagen-km. Bei der Straßenbahn ist aber eine Berechnung nach NutzZug-km die angemessene Größe, da die Kosten zwischen einer in Einfach- oder Doppeltraktion gefahrenen Straßenbahn (1 bzw. 2 Wagen bei Bezug auf Nutzwagen-km) nur unwesentlich voneinander abweichen. Die Nutzwagen-km-Betrachtung führt dazu, dass bei Ersatzbeschaffung (ein längeres Neufahr129 zeugs ersetzt zwei kürzere, gekuppelt als Zug verkehrende Altfahrzeuge) rechnerisch höhere Kosten je Nutzwagen-km entstehen. Grund ist, dass jedes Neufahrzeug mit einem Fahrer besetzt ist, während bei den gekuppelten Altfahrzeugen jedes Zweite nur mitläuft. Dies bedeutet aber nicht unbedingt höhere Kosten der BVG je NutzZugkm.

Als Beispiel hat der Rechnungshof die geplante Straßenbahnneubaustrecke als Fortführung der Straßenbahnlinie M 10 vom U-Bahnhof Eberswalder Straße zum Hauptbahnhof für seine Prüfung herangezogen. Das Teilstück bis zum Nordbahnhof ist bereits fertiggestellt und in Betrieb genommen. Für der Bau der gesamten Strecke sind 44,6 Mio. veranschlagt. Die von einem Beratungsunternehmen im Auftrag der Senatsverwaltung durchgeführte Wirtschaftlichkeitsberechnung ergibt für dieses Vorhaben einen Nutzen-Kosten-Indikator von 1,39. Das zusätzliche Fahrgastaufkommen aufgrund der neuen Straßenbahn soll 5 000 Fahrgäste pro Tag (Montag bis Freitag) im gesamten Streckennetz betragen. Im Ergebnis der Folgekostenrechnung wird ein Kapitalwert für diese Neubaumaßnahme über einen 20-jährigen Betrachtungszeitraum mit -39,4 Mio. ausgewiesen.

Die geplante Straßenbahnstrecke wird in den Berechnungen mit der damals bestehenden ÖPNV-Verbindung, einer Busverbindung mit Umsteigevorgängen und geringerer Taktdichte, verglichen. Als Varianten sind lediglich Verbesserungen der bestehenden Busverbindung durch eine erhöhte Taktdichte enthalten. Der Vergleich mit einer durchgehenden Busverbindung ist jedoch nicht vorgenommen worden, sodass hierfür weder ein Nutzen-Kosten-Indikator vorliegt noch Folgekosten ermittelt worden sind. Der Kapitalwert für die Busverbindung mit Umsteigevorgängen beträgt -19,4 Mio. und würde bei einer durchgehenden Busverbindung noch günstiger ausfallen. Ein Nutzen-Kosten-Indikator ist auch für die Busverbindung mit Umsteigevorgängen nicht ermittelt worden.

Der Rechnungshof hat beanstandet, dass die Senatsverwaltung ihre Entscheidung getroffen hat, obwohl

· ein Nutzen-Kosten-Indikator nur für die Straßenbahnverbindung vorgelegen hat,

· sie sich mit den sehr unterschiedlichen Kapitalwerten nicht angemessen auseinandergesetzt hat und

· der Vergleich zwischen durchgehender Straßenbahnverbindung und Bus mit Umsteigeverkehr nicht methodengerecht war.

Die Senatsverwaltung hat in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass es sich bei dem prognostizierten Mehrverkehr von 5 000 Fahrten pro Tag im gesamten Streckennetz um ein vergleichsweise sehr gutes Ergebnis handele. In der Berechnung des Kapitalwerts für die Straßenbahnstrecke sei die Bezuschussung der Investitionskosten nicht berücksichtigt. Der Vergleich mit der bestehenden Busverbindung sei korrekt gewesen, auch wenn eine durchgehende Buslinie infrage gekommen wäre. Dies hätte sich zwar auf die Höhe des Nutzen-Kosten-Indikators ausgewirkt, aber die grundsätzliche Entscheidung für die Straßenbahn nicht berührt.

Die Ausführungen der Senatsverwaltung zeigen, dass bei ihrer Entscheidung ausschließlich der Nutzen-Kosten-Indikator für die Straßenbahnverbindung ausschlaggebend war und die Ergebnisse der Folgekostenrechnung unberücksichtigt geblieben sind. Indem die Senatsverwaltung einräumt, dass als Vergleichsmaßstab auch eine durchgehende Buslinie hätte zugrunde gelegt werden können, macht sie deutlich, dass sie sich unabhängig vom Ergebnis eines Vergleichs der Kapitalwerte für die Straßenbahnneubaustrecke entschieden hat. Bei der von ihr aufgeführten Bezuschussung handelt es sich auch um anteilige Mittel aus dem Landeshaushalt. Höhere Kosten führen in der Regel zu einer Erhöhung der Fahrpreise oder zu einer weiteren Neuverschuldung der BVG. zu 226 und 227: Die Aussage, dass die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der Straßenbahnneubaustrecke Bernauer Straße/Invalidenstraße sich nur auf den Vergleich einer durchgehenden Straßenbahnstrecke mit einem Busverkehr mit Umsteigevorgängen beschränkte und daher keinen sachgerechten Vergleich der beiden Verkehrsträger darstellt, trifft nicht zu. Bei der Straßenbahnplanung handelt es sich um die Verlängerung einer bestehenden, übergeordneten Straßenbahnverbindung im Sinne einer Halbringlinie um die Berliner Innenstadt. Eine alternative Buslinie als Fortsetzung der Straßenbahn kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die beabsichtigte großräumige Wirkung nur durch eine umsteigefreie Verkehrsverbindung erreicht werden kann. Auch eine durchgehende Busverbindung zwischen der Straßenbahnendstelle Eberswalder Straße und dem Ziel Hauptbahnhof hätte einen Umsteigevorgang an der Eberswalder Str. mit den entsprechenden Reisezeitverlängerungen erfordert. Diese Einschätzung wurde im nachhinein durch einen Verkehrsmittelvergleich Bus/Straßenbahn bestätigt.

Die Entscheidung über den Bau einer Straßenbahnneubaustrecke hängt von den zu erwartenden verkehrlichen Wirkungen ab. Sind nach Inbetriebnahme einer geplanten Strecke Abwanderungen von Fahrgästen vom ÖPNV zum MIV zu erwarten und/oder steigt die Pkw-Fahrleistung an, verschlechtern sich die verkehrlichen Bedingungen für den ÖPNV. In einem solchen Fall würde die Umsetzung der Planung der verkehrspolitischen Zielstellung widersprechen, unabhängig davon, wie gut oder schlecht der Nutzen-Kosten-Indikator ausfällt und wie das Ergebnis der Folgekostenrechnung für das Land und den Betreiber aussieht. Für die Straßenbahnneubaustrecke wurde ein Mehrverkehr von 5.000 Personenfahrten/d am Querschnitt ermittelt, ein vergleichsweise sehr gutes Ergebnis bei Berücksichtigung anderer Berliner Neubaustrecken. Das Ergebnis bedeutete, dass grundsätzlich eine Straßenbahn für die Verbindung von der Eberswalder Straße zum Hauptbahnhof in Betracht kommt.

Für die Grundsatzentscheidung, ob eine ÖPNV-Verbindung realisiert wird, ist eine Verbesserung für den ÖPNV unabdingbare Voraussetzung. Durch eine Folgekostenrechnung informiert sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erst danach über zu leistende Ausgleichszahlungen an Betreiber und Infrastrukturbetreiber und macht sich ein Bild über die Gewinn- bzw. Verlustchancen in Folge der betrachteten Verkehrswegeinvestition.

Bei der Straßenbahnneubaustrecke zeigt sich bei der Folgekostenrechnung eine große Kapitalwertdifferenz zwischen der Bewertung der Bus- und der Straßenbahnverbindung. Die Differenz erklärt sich daraus, dass die Bezuschussung des Investitionsanteils von 44,6 Mio. in der Darstellung unberücksichtigt geblieben ist, weil zum Zeitpunkt der Wirtschaftlichkeitsrechnung keine Entscheidungen dazu vorlagen. Die Bezuschussung kann bis zu 100 v. H. der Investitionssumme betragen. Die Berechnungen haben gezeigt, dass der Investitionsanteil von 44,6 Mio. durch die Erlöse und Zuschüsse für den laufenden Betrieb grundsätzlich nicht refinanziert werden kann. Bei einem Kapitalwert von -39,4 Mio. und Investitionskosten in vergleichbarer Größe ist jedoch ein nahezu ausgeglichenes Ergebnis im laufenden Betrieb gewährleistet. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte deshalb keinen Anlass, die Neubaustrecke wegen der Folgekostenrechnung in Frage zu stellen.

Trotzdem war abschließend vor Realisierung der Maßnahme eine Abwägung zwischen den für das Land entstehenden Aufwendungen (vgl. Folgekostenrechnung) und den finanziellen Möglichkeiten des Landes erforderlich. Die Abwägung ging zugunsten der Straßenbahnneubaustrecke aus. Ein negatives Votum wäre mit dem Verzicht der Umsetzung der Neubaumaßnahme verbunden gewesen.

Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsrechnung wurde folgerichtig bei der Ermittlung des Nutzen-Kosten-Indikators im Ohnefall das an den Ist-Zustand angelehnte Buskonzept verwendet. Die Standardisierte Bewertung funktioniert nach dem Prinzip des Mitfall-Ohnefall-Vergleichs. Dabei stellt der Ohnefall die Fortschreibung des IstZustandes dar. Allerdings dürfen für die Fortschreibung keine Verkehrswegeinvestitionen getätigt werden, weil dann ein neuer Planfall vorliegt. Eine neue Linienführung des Busses würde einem neuen Verkehrsweg entsprechen, den man als Alternative zur Planung der Straßenbahn vergleichen, aber nicht als Ohnefall verwenden kann.

Bezüglich der Nutzungsdauer für Busse ist festzustellen, dass beim Start der Wirtschaftlichkeitsrechnung die von der BVG aktuell vorgegebenen Kenndaten übernommen worden sind. Es wird nicht ausgeschlossen, dass die BVG zu einem späteren Zeitpunkt andere Kenndaten übergeben hätte, weil in der Folgezeit der Wirtschaftlichkeitsrechnung eine Art Paradigmenwechsel in Bezug auf die Fahrzeugbestellung im Bussektor stattgefunden hat.