Zu lange Bearbeitungszeiten im Landesamt für Gesundheit und Soziales

Ein schon lange bestehendes Ärgernis sind die langen Bearbeitungszeiten von Anträgen auf Feststellung der Schwerbehinderung sowie der Zuerkennung der Merkzeichen für Nachteilsausgleiche beim Versorgungsamt (Landesamt für Gesundheit und Soziales ­ LaGeSo, Abteilung III). Es vergeht kaum ein Tag, an dem im Büro des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung keine diesbezügliche Beschwerde eingeht ­ meistens telefonisch, aber häufig auch in schriftlicher Form. Immer wiederkehrend sind im Wesentlichen drei Kritikpunkte:

· Monatelange Bearbeitungszeiten bis hin zu einem Jahr und länger;

· schlechte telefonische Erreichbarkeit des KundenCenters ­ auch während der angegebenen Telefonsprechzeiten;

· pauschale, vorgefertigte Baustein-Antwortbriefe auf Beschwerden, mit denen die Beschwerde führenden Bürgerinnen und Bürger wenig anfangen können.

Das Versorgungsamt hat ein außerordentlich großes Arbeitspensum zu erledigen, von dem die Bearbeitung der Anträge zur Feststellung der Schwerbehinderung nur ein Teil ist. Ende 2007 gab es 560.662 anerkannte schwerbehinderte Menschen in Berlin. Allein in diesem Jahr gingen 75.717 Anträge ein ­ 33.768 auf Erstfeststellung und 35.846 auf Neufeststellung der Schwerbehinderung, bei weiteren 6.103 Anträgen ging es um Neufeststellung von Amts wegen. Die Tendenz ist steigend ­ von 2006 zu 2007 stieg die Zahl der Anträge um 3,47 %.

Laut Jahresbericht 2007 des LaGeSo konnten von den 75.717 Anträgen 73.104 erledigt, die seit 2004 aufgebauten Arbeitsrückstände also „auch in 2007 noch nicht vollständig abgearbeitet werden."

Trotz dieses gewaltigen Arbeitsaufkommens, können Bürgerinnen und Bürger nicht verstehen, dass Anträge monatelang liegen bleiben, ohne dass es in der Bearbeitung einen Fortschritt gibt.

Als häufigster Grund für diese Situation wird ­ so kommt es beim Büro des LfB an ­ der Mangel an qualifizierten Gutachterärztinnen und ­ärzten genannt. Da die fest angestellten (internen) Ärztinnen und Ärzte des LaGeSo wegen vielfältiger anderer Aufgaben nur einen kleinen Teil der Anträge bearbeiten können, muss auf externe Gutachterinnen und Gutachter zurückgegriffen werden. Diese aber sind schwer zu finden, da eine Begutachtung im Anerkennungsverfahren für eine Schwerbehinderung im Vergleich zu anderen Begutachtungen nur sehr schlecht bezahlt wird.

Auf der 18. Sitzung des Landesbeirats für Menschen mit Behinderung im November 2007 haben der Präsident des LaGeSo sowie der Leiter des Versorgungsamtes die schwierige Arbeitssituation ­ insbesondere die Probleme im Zusammenhang mit den ärztlichen Begutachtungen ­ ausführlich dargestellt. Zu dieser Zeit wurde für ein externes Gutachten ein Honorar in Höhe von 10 gezahlt.

Der Landesbeirat fasste einstimmig einen Beschluss zur Stärkung der Arbeit des Versorgungsamtes und des ärztlichen Gutachterdienstes des LaGeSo mit dem Ziel, die Bearbeitungszeiten von Anträgen deutlich zu senken. Er forderte:

1. Erhöhung der Personalausstattung im Bereich der Sachbearbeitung Feststellungsverfahren Schwerbehinderung um 15 Stellen.

2. Erhöhung der Vergütung von Honorarkosten für ärztliche Gutachten von derzeit 10 auf 30, um für diese wichtige ärztliche Tätigkeit zumindest im Maßstab einer Vergü21 tungsgruppe BAT IIa/Ib wenigstens die annähernd erforderliche Zahl kompetenter und breitwilliger Gutachter/innen finden zu können.

3. Im Ruhestand befindlichen ärztlichen Gutachtern wird die prinzipielle Möglichkeit eingeräumt, Räumlichkeiten des Landes Berlin und seiner Bezirke zur notwendigen medizinischen Untersuchung im Gutachterverfahren kostenfrei zu nutzen.

Diese Forderungen wurden zu einem kleinen Teil erfüllt, haben jedoch in der Umsetzung noch immer nicht zu einer spürbaren Senkung der Bearbeitungszeiten geführt.

Lösungsvorschlag:

Es sind weitere Maßnahmen im Sinne des Beschlusses des Landesbeirats für Menschen mit Behinderung erforderlich. Vermutlich müssten darüber hinaus in diesem Zusammenhang auch die Arbeitsabläufe, die Tiefe und Intensität der Prüfungen, eventuelle Doppelbegutachtungen, Koordinationsfragen und Entscheidungswege auf den Prüfstand kommen, um zu mehr Kundenfreundlichkeit im Feststellungsverfahren Schwerbehinderung zu gelangen.

Es müssen Maßnahmen zu einer besseren telefonischen Erreichbarkeit getroffen werden.

Antwortbriefe auf Beschwerden sollten persönlicher gehalten und auf die konkreten Fragen der Bürgerinnen und Bürger eingehen. Wünschenswert wären Aussagen über den weiteren Verlauf der Bearbeitung und die Nennung eines voraussichtlichen Termins für die Bescheiderteilung.

Stellungnahme des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) ­ Schreiben des Präsidenten des LAGeSo Herrn Allert vom 12.08.08 zu

Zu lange Bearbeitungszeiten im Landesamt für Gesundheit und Soziales

1. Die vom LfB genannte Zahl 560.662 umfasst nicht nur die schwerbehinderten Menschen in Berlin, sondern auch die mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 (behinderte Menschen).

2. Per 30.6. Im zweiten Halbjahr 2008 wurden gegenüber dem Vorjahreszeitraum 15,5 % mehr Anträge bearbeitet. Insgesamt wurden rund 2.350 Anträge mehr erledigt als in diesem Zeitraum eingegangen sind. Das ist u.a. darauf zurück zu führen, dass die Zahl der Nachuntersuchungen von Amts wegen deutlich reduziert wurde. Im Ergebnis konnte die durchschnittliche Bearbeitungszeit seit Beginn des Jahres bei den Erstfeststellungen um 25,2 Tage und bei den Neufeststellungen um 34,6 Tage gesenkt werden.

Von den zum 1.1.2008 vom Hauptausschuss bewilligten zusätzlichen zehn Beschäftigungspositionen wurden mit Hilfe des Zentralen Überhangpools nach und nach sieben Positionen besetzt. Die Mitarbeiterinnen aus dem ZeP befinden sich noch in der Ausbildung. Wie die Zahlen zeigen, wurden dennoch deutliche Verbesserungen zu Gunsten der Antragsstellerlinnen erreicht.

4. Die Arbeitsabläufe im Schwerbehindertenreferat wurden mehrfach optimiert. Unter Berücksichtigung des seit 1997 eingesetzten IT-Fachverfahrens ist die Prozessorganisation nicht mehr signifikant zu verbessern. Die Widerspruchsbearbeitung ist seit einem Jahr am Fachverfahren angeschlossen. Die Erfassung der Bezahlung von jährlich über 100.000 ärztlichen Befundberichten wurde aus den Sachgebieten in eine eigene Organisationseinheit ausgegliedert. Der Publikums- und Teile des Telefonverkehrs sind im KundenCenter gebündelt. Beschwerden werden in einem Zentralen Qualitäts- und Beschwerdemanagement bearbeitet. In den Sachgebieten vorgehaltene Aktenarchive und ein Teil der Aktenablage wurden im Versorgungsarchiv zentralisiert. Die Hierarchie und damit die Entscheidungswege sind auf das unumgängliche Maß abgeflacht. Es gilt das Prinzip der ganzheitlichen Sachbearbeitung. Alle Maßnahmen zielen darauf ab, die Sachbearbeitung auf die eigentliche Kernaufgabe, die schnellstmögliche Bearbeitung von Anträgen, zu konzentrieren.

5. Weitere Rationalisierungsmaßnahmen könnten möglicherweise durch eine Erneuerung des im Schwerbehindertenbereich eingesetzten IT-Fachverfahrens erreicht werden. Das LAGeSo sondiert z. Z. mit externer Hilfe die in anderen Bundesländern eingesetzte Software.

Das Feststellungsverfahren ist gesetzlich normiert. Die dort vorgesehenen Verfahrensschritte, wie die Anforderung von aktuellen medizinischen Befunden in allen Phasen des Verfahrens und die sich anschließende ärztliche Begutachtung sind bei der bestehenden Rechtslage nicht abzukürzen und auch nicht durch "kundenfreundliche Entscheidungen, unbürokratisches Verwaltungshandeln oder Kulanz" reduzierbar.

Seit dem Frühjahr arbeitet das LAGeSo gemeinsam mit dem ITDZ in einer Projektgruppe mit dem Ziel, sich als weitere Modellverwaltung am Berlin-Telefon 115 zu beteiligen. Es wird erwartet, dass sich die telefonische Erreichbarkeit im Schwerbehindertenbereich perspektivisch deutlich verbessern wird.

6. Nach Zustimmung der Senatsverwaltung für Finanzen wurden die Honorare für ärztliche Gutachterleistungen ab dem 1.2.2008 im Wesentlichen wie folgt angepasst:

- Gutachten mit ärztlicher Untersuchung von 39,60.- bis 53,00 auf 60,00. - Gutachtliche Stellungnahmen (ohne Untersuchung) von 10,40.- auf 15,00.

Darüber hinaus sind in geringem mengenmäßigen Umfang weitere Anpassungen übriger Honorarsätze zur Vereinfachung des Abrechnungsverfahrens und zur Vereinheitlichung insbesondere bei Zusatzleistungen (Hausbesuche etc.) berücksichtigt.

Ferner konnten die drei bewilligten Arztstellen im Ärztlichen Dienst innerhalb des ersten Halbjahres 2008 besetzt werden (eine Fachärztin für Psychiatrie, zwei Allgemeinmediziner).

7. Wenngleich bei häufig wiederkehrenden Sachverhalten teilweise auch Textbausteine verwandt, werden die Antwortschreiben des Qualitäts- und Beschwerdemanagements in der Regel individuell und nach einer einzelfallbezogenen Prüfung verfasst.