Öffentliche Interessen gegen Energiekonzerne durchsetzen ­ CCS-Gesetz im Bundesrat nicht durchwinken

Der Senat wird aufgefordert, sich auf Bundesebene beim anstehenden Gesetzgebungsverfahren zum „Gesetzentwurf zur Regelung von Abscheidung, Transport und dauerhafter Speicherung von Kohlendioxid" (CCS-Gesetz) für einen klaren Ordnungsrahmen einzusetzen.

Dieser muss dafür sorgen, dass die gesellschaftlichen Interessen gegenüber den Interessen von Unternehmen beim Aufbau einer CCS-Infrastruktur gesichert werden, und folgende Punkte enthalten:

1. Die Kosten für die Nachsorge und das Risiko der Endlagerung übernimmt die Energiewirtschaft vollständig, die Verantwortung für die Endlager wird nicht nach 30 Jahren durch den Staat übernommen.

2. Forschungsmittel des Bundes dürfen nur für Risikoforschung sowie unabhängige Begleitforschung zur Sicherheit und Umweltverträglichkeit gewährt werden.

3. Bei allen mit CCS im Zusammenhang stehenden Verfahren wird eine verbindliche Öffentlichkeitsbeteiligung und maximale Transparenz gewährleistet.

4. Eine CO2-Einlagerung im Meer wird ausgeschlossen.

5. Neben der Endlagerung sind klare Regelungen für den Transport des CO2 notwendig.

6. Eine Beeinträchtigung alternativer Nutzungen wie Tiefengeothermie durch CO2-Einlagerung muss ausgeschlossen werden.

7. Bei Einlagerung muss eine CO2-Reinheit von mindestens 98 Prozent verbindlich sein.

8. Eine "Geruchskennzeichnung" zur Erkennung und Risikominimierung bei Handling und Transport des ansonsten farb- und geruchslosen Gases muss vorgeschrieben werden.

9. Der Neubau von Kohlekraftwerken ohne CO2-Abscheidung muss ausgeschlossen werden.

Dem Abgeordnetenhaus ist zum 30. Juni 2009 und in der Woche nach der Beschlussfassung im Bundesrat zu berichten.

Begründung:

Die Berlinerinnen und Berliner konnten den Neubau eines Kohlekraftwerks in Rummelsburg verhindern, aber es ist noch nicht sicher, ob außerhalb Berlins neue Kohlekraftwerke auch für unsere Stromversorgung gebaut werden. Mit einem „Gesetz zur Regelung von Abscheidung, Transport und dauerhafter Speicherung von Kohlendioxid" (CCS-Gesetz) könnten Klimaschutzinteressen gegen diese Politik der Energiekonzerne durchgesetzt werden. Doch der Entwurf der Bundesregierung für das CCS-Gesetz setzt den Vorrang für die Kohle gegenüber erneuerbaren Energien fort und verlagert die finanziellen Risiken dieser Politik auf die Bundesländer.

I. Gesetzentwurf der Bundesregierung mit fundamentalen Schwächen

Am 1. April 2009 hat die Bundesregierung ihren Entwurf für ein CCS-Gesetz beschlossen. Mit dem Gesetz soll die EU-Richtlinie zur Förderung der CCSTechnik umgesetzt werden, die im Dezember als Bestandteil des EUKlimapakets beschlossen wurde.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur CCS-Technik liefert aber den oben im Beschlusstext beschriebenen klaren Ordnungsrahmen nicht.

Im Gegenteil ­ der Gesetzentwurf hat fundamentale Schwächen:

- Die Haftungsfrage ist völlig unzureichend geregelt: Die Energiekonzerne sollen lediglich eine Rücklage bilden, die aber in ihrer Obhut und unter ihrer Kontrolle verbleibt. 30 Jahre nach Schließung des CO2-Lagers sollen dann die Bundesländer haften. Angesichts der vielen offenen Fragen der CCS-Technik ist dies fahrlässig. Dies birgt die Gefahr, dass Gewinne privatisiert, die Risiken aber der Allgemeinheit aufgebürdet werden.

- Der Gesetzentwurf ist ein Torso. Alle wesentlichen sicherheitstechnischen und verfahrensmäßigen Belange sind nicht Bestandteil des Gesetzentwurfes, sondern sollen durch Verordnungen der Bundesregierung ohne parlamentarische Beteiligung geregelt werden.

- Den traditionellen Energiekonzernen wird mit dem Gesetzentwurf ­ sollte er geltendes Recht werden ­ die Möglichkeit geboten, ihre Claims abzustecken und damit fortschrittliche Nutzungen der entsprechenden geologischen Formationen, etwa die Geothermie oder die Einrichtung von Druckluftspeichern, zumindest zu behindern.

Während die Bundesregierung z. B. bei der nationalen Umsetzung der EUEnergieeffizienz-Richtlinie alle von der EU vorgegebenen Fristen verstreichen lässt und sogar eine Strafzahlung riskiert, überrascht die Eile beim Thema CCS.

Dies lässt auf hohen Druck der Energiekonzerne schließen. Hintergrund sind die auf EU-Ebene in Aussicht gestellten Subventionen für CCS:

Millionen CO2-Zertifikate (bei einem Preis von 30 Euro/Tonne wären das 9 Mrd. Euro) sind in der EU-Emissionshandelsrichtlinie vornehmlich zur Förderung von 12 CCS-Pilotvorhaben reserviert.

- Weitere 1,8 Mrd. Euro Fördergelder sind im EU-Konjunkturprogramm für CCS-Vorhaben vorgesehen.

Neben Jänschwalde (Vattenfall Europe) hat die EU in Deutschland auch das von RWE in Hürth mit einer Bruttoleistung von 450 MWel geplante Kraftwerk als CCS-Pilotprojekt anerkannt.

II. CCS ­ ein Beitrag zum Klimaschutz vielleicht nach dem Jahr 2020

Angesichts der fortschreitenden Klimaerwärmung und der damit verbundenen Gefahren setzen vor allem die Energiekonzerne große Erwartungen in die Entwicklung von Technologien zur CO2-Abscheidung und -Lagerung („carbon

capture and storage" ­ CCS). Dabei wird das frei werdende CO2 aus dem Abgas größtenteils abgetrennt, komprimiert, transportiert und in unterirdische Lagerstätten verpresst. Dieses Verfahren wird insbesondere für große fossile Kraftwerke favorisiert. Nach Einschätzung von Experten entscheidet sich aber erst nach 2020, ob die Technologie im großtechnischen Maßstab in der Praxis eingesetzt werden kann.

Ohnehin kann CCS als klassische "End-of-Pipe-Technologie" nur eine Übergangslösung hin zu einer Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien sein. Keinesfalls darf die unsichere Perspektive der CCS-Technik heute als Rechtfertigung für den Neubau von Kohlekondensationskraftwerken anstelle des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) dienen.

III. Viele offene Fragen und ungelöste Probleme CCS wirft eine Reihe von Fragen und Problemen auf, zu denen es bislang nur unbefriedigende Antworten gibt, wie zum Beispiel die Frage nach geeigneten Lagerstätten in Deutschland, nach der überhaupt nutzbaren Kapazität oder den Möglichkeiten einer sicheren Einlagerung und Überwachung. Die CO2 Speicherung erfordert zudem mit Blick auf den CO2-Transport vom Entstehungsort zum Endlager per Straße oder Pipeline eine erhebliche Logistik.

CO2 ist insbesondere in der hohen Konzentration, in der es bei der Abscheidung und Transport vorliegt, für Menschen und Tiere ein tödliches Gift, was extrem hohe Anforderungen an Zwischenlagerung und Transport stellt.

IV. CCS: Sinkender Wirkungsgrad und steigende Kosten

Die Abscheidung des CO2 kostet zusätzliche Energie, d. h. der Wirkungsgrad neuer Braunkohlekraftwerke wird um mindestens 10 Prozentpunkte von heute 43 Prozent auf nur noch maximal 33 Prozent absinken. Der Kohleverbrauch steigt an, die Wirtschaftlichkeit der Kohlekraftwerke gegenüber Erneuerbaren Energien sinkt. Das Umweltbundesamt erwartet durch CCS eine Erhöhung des Ressourcenverbrauchs bei Steinkohle um den Faktor 1,6 und bei Braunkohle um den Faktor 1,8.

Das Wuppertal-Institut geht davon aus, dass allein die Abscheidung im Kraftwerk Kosten in Höhe von 40 bis 70 Euro pro Tonne CO2 verursacht. Pro Kilowattstunde Kohlestrom müssten wenigstens 1,5 bis 2,5 Cent auf die bisherigen Stromerzeugungskosten aufgeschlagen werden. Dabei sind die Kosten für den Aufbau einer Pipelineinfrastruktur und der Endlagerung noch nicht berücksichtigt.

V. Klimaschutz lässt keine leichtfertige Ablehnung von CCS zu Angesichts der Vorhersagen über die Auswirkungen des Klimawandels wäre es leichtfertig, eine Technologie zur CO2-Reduzierung von vornherein auszuschließen, auch wenn noch viele Fragen offen sind und sie das Problem nicht grundsätzlich behebt. Völlig offen ist auch, ob Staaten wie China und Indien ihren Anteil an den Klimaschutzanstrengungen leisten können und wollen, wenn ihnen diese Technologie nicht zur Verfügung stehen wird. Ebenso offen ist, ob sie überhaupt auf diese Technologie setzen wollen.