Planfeststellungsverfahren für den Weiterbau der A100 einstellen

Der Senat wird aufgefordert, das Planfeststellungsverfahren für den 16. Bauabschnitt der Autobahn A100 aufgrund massiver Verfahrensmängel und falscher Planungsannahmen einzustellen. Darüber hinaus soll der Senat gemeinsam mit dem Bund über eine alternative Verwendung der Mittel verhandeln, die für die Autobahn vorgesehenen sind.

Begründung:

Die Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens weisen gravierende Mängel und Fehler auf. Durch eine Neuauslegung der überarbeiteten Planunterlagen könnten zwar Verfahrensmängel eventuell geheilt werden, die fehlerhaften Verkehrsprognosen und die inakzeptablen Konzepte der Verkehrsführung am Ende des Autobahnabschnitts sowie die negativen verkehrlichen Auswirkungen auf benachbarte Autobahnabschnitte würden jedoch nicht beseitigt werden. Ebenso blieben die gravierenden Beeinträchtigungen von Anwohner/innen, Umwelt und Stadtstruktur bestehen.

Die ausgelegten Unterlagen des Senats enthalten insbesondere folgende Fehler und Mängel:

1) In der „objektkonkreten Verkehrsprognose 2025", die Grundlage für die Berechnung der schalltechnischen und lufthygienischen Untersuchungen ist, fehlen Angaben zu allen wesentlichen Ausgangsdaten. Dazu zählen die Bevölkerungs- und Arbeitsplatzentwicklung und deren örtliche Verteilung, die nah- und fernräumliche Siedlungsentwicklung, die verwendete Fernverkehrsmatrix u.v.a.. Damit erfüllt diese Verkehrsprognose nicht die Anforderungen an die Planfeststellungsunterlagen. Sie ist folglich für das Verfahren ungeeignet und nicht überprüfbar.

2) Ein zentraler Mangel der A100-Planfeststellung ist die Verkehrswirkung. Der Senat wirbt mit der vermeintlichen Entlastung der Nebenstraßen und der Innenstadt, die sämtlich Nachteile aufwiegen würde.

Jedoch gibt der Senat in seiner eigenen Broschüre „A100 ­ ein Projekt für ganz Berlin" zu, dass die gewünschten verkehrlichen Auswirkungen vor der Fertigstellung des 17. Bauabschnitts, der Verlängerung vom

Treptower Park zur Frankfurter Allee, nicht eintreten werden. Dies ist rechtlich nicht tragfähig. Es muss garantiert sein, dass jeder Bauabschnitt der Autobahn verkehrlich voll funktionsfähig ist. Die Fertigstellung des 17. Bauabschnitts ist jedoch aufgrund der hohen bau- und sicherheitstechnischen Anforderungen, der großen Anzahl betroffener AnwohnerInnen und EigentümerInnen, des Widerstands der betroffenen Bezirke sowie der ungeklärten Finanzierung höchst unwahrscheinlich. In seiner Werbebroschüre für die A100 behauptet der Senat, dass der Autoverkehr auch in der historischen Mitte Berlins durch den Weiterbau der A100 abnimmt. Dieser Behauptung widersprechen die jüngsten Planungen für das Verkehrskonzept für Museumsinsel, Humboldtforum und Schlossplatz. Hier rechnet der Senat mit einer Zunahme des Kfz-Verkehrs. Damit führt der Senat sein Versprechen zur Verkehrsentlastung in der Innenstadt durch den Autobahnneubau ad absurdum.

3) Bei der Variantenuntersuchung ist vorgeschrieben, dass alle Trassenvarianten untersucht und gegeneinander abgewogen werden. Bereits im Linienbestimmungsverfahren 1995 wurde die Entscheidung getroffen, den Bereich der Wohngebäude in der Beermannstraße in jedem Fall für die A100 in Anspruch zu nehmen. Dies ist eine nicht zulässige Vorfestlegung und ein erheblicher Abwägungsfehler, der zum vorzeitigen Ausscheiden anderer Varianten geführt hat.

4) Solange der 17. Bauabschnitt nicht fertiggestellt ist, wird der Ausbau der A100 zur Überlastung der Elsenbrücke führen. In der Planfeststellung rechnet der Senat mit zusätzlich entstehenden Verkehrsmengen von 20 Prozent. In seiner Werbebroschüre wird dies auf 10 Prozent Verkehrszunahme verniedlicht und Entlastung durch den 17. Bauabschnitt versprochen. Verkehrsabschnitte um die Elsenbrücke sind schon heute als hoch belastete Engpässe der unzureichenden Qualitätsstufe F eingestuft. Eine zusätzliche Belastung wird zu Dauerstau und ständigen Grenzwertüberschreitungen bei Lärm und Feinstaub führen. Solange der Senat kein Koordinierungskonzept für die benachbarten Knotenpunkte Elsenstraße/ Puschkinallee und Elsenbrücke/ Markgrafendamm/ Stralauer Allee vorlegt, muss hier von einem nicht leistungsfähigen Gesamtknoten ausgegangen werden.

5) Für die Sonnenallee westlich der Bahn wird eine Zunahme der Verkehrsbelastung um 50 Prozent von 28.700 auf 43.600 Kfz/24h vorausgesagt. Der Senat legt jedoch keinerlei Nachweise vor, wie die Straße dieses zusätzliche Verkehrsvolumen aufnehmen soll. Es ist zudem unklar, wie das Estrel-Hotel und die angrenzenden Gewerbebereiche den zusätzlichen Verkehr und die Lärmbelastungen verkraften sollen.

6) Die Notwendigkeit der Verlängerung der A100 wird u.a. damit begründet, dass weitere Verkehrsmengen auf der A113 gebündelt werden sollen. Der A113-Tunnel muss jedoch aufgrund verkehrlicher Überlastung schon heute regelmäßig gesperrt werden. Mit der Verlängerung würde daher dort eine Staufalle produziert und ein Risiko für die BBIAnbindung entstehen.

7) Bei der Bewertung der Verkehrsbelastung hat der Senat Belastungen durch den Schwerlastverkehr ab 2,8 Tonnen angegeben, ohne dass klar wird, wie die lärmtechnisch relevante Größe der LKW ab 2,8t abgeleitet wurde. Der Lkw-Verkehr von 2,8 Tonnen bis 6 Tonnen fehlt in der Bundesprognose für 2025, so dass bei Verwendung der Verflechtungsmatrix 2025 für die A100 alle LKW zwischen 2,8t und 6t hätten ergänzt werden müssen. Ob dies geschehen ist, ist den Planunterlagen nicht zu entnehmen. Für lärmtechnische Berechnungen entsprechend der bundesgesetzlichen Vorschriften (16. BImSchV) sind Angaben über alle Lastverkehre ab 2,8 Tonnen zwingende Voraussetzung. Da die

LKW-Mengen falsch bestimmt wurden, sind die aus den vorhandenen Daten der Verkehrsuntersuchung abgeleiteten Lärmprognosen massiv anzuzweifeln. Immerhin gibt der Senat zu, dass es beim Hotel Estrel trotz aktiver Lärmschutzmaßnahmen (sechs Meter hohe Schallschutzwände) Überschreitungen der maßgeblichen Immissionsgrenzwerte geben wird. Zu Überschreitungen wird es jedoch auch in der Aronsstraße, in der Kiefholzstraße und in der Beermannstraße kommen. In der Beermannstraße sind diese Überschreitungen mit 8 dB (A) exorbitant.

Das ist nicht hinnehmbar.

8) Zudem werden durch den Bau des 16. Bauabschnitts der A100 Überschreitungen der Feinstaubgrenzwerte in der Sonnenallee, der Elsenstraße, dem Markgrafendamm und der Stralauer Allee prognostiziert.

Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) werden voraussichtlich in der Elsenstraße überschritten werden. Der Senat kann nicht sicherstellen, dass die Grenzwerte künftig eingehalten werden. Das kann nicht akzeptiert werden.

9) Auch das Baumgutachten ist fehlerhaft. Es fehlen Bäume im Gutachten, falsche Baumarten wurden aufgeführt und die angegebenen Baumumfänge stimmten bei über 60 Bäumen nicht. Bei allen bis auf einen wurden die Umfänge geringer angegeben als sie sind ­ es bestehen Differenzen bis zu 190 cm. Der Umfang ist aber das Kriterium für die Ausgleichspflanzung. Je dicker der Baum, desto mehr Bäume müssen nachgepflanzt werden.

Fazit:

Die Planungsunterlagen für den Weiterbau der A100 sind in mehrfacher Hinsicht falsch und lückenhaft. Sie werden rechtlichen Anfechtungen nicht standhalten. Der Weiterbau der A100 steht aber auch im Widerspruch zu einer modernen Verkehrspolitik und widerspricht sowohl den umwelt- und verkehrspolitischen als auch städtebaulichen Zielsetzungen des Senats. Die Studie des Potsdamer Institutes für Klimafolgenforschung zeigt ein dramatisches Szenario des Klimawandels in Berlin und sagt einen Temperaturanstieg von 2,5 Grad bis 2050 voraus. Zwischen 1990 und 2005 sind die Emissionen im europäischen Verkehr um 30 Prozent gestiegen und machen heute dreißig Prozent der klimaschädlichen Emissionen aus. Der Ausbau der A 100 in Berlin ist auch vor diesem Hintergrund verantwortungslos.

Statt den Autoverkehr zu erleichtern, muss das Ziel in Berlin sein, den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu fördern. Der Sozialstrukturatlas 2008 zeigt deutlich, dass entlang der Autobahn die soziale Problemdichte besonders stark ist. Durch eine Weiterführung der A100 würden somit auch soziale Probleme verschärft. Zeitgemäß ist nicht die Erweiterung des Autobahnnetzes. Sinnvoll und notwendig ist der Ausbau des ÖPNV.

Es ist höchste Zeit, dass der Berliner Senat mit dem Bund über eine alternative Verwendung der Mittel für Bundesstraßen und Autobahnen verhandelt. Es darf nicht sein, das ein Autobahnprojekt nur deshalb gebaut wird, weil die Mittel vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Der Königsteiner Schlüssel zur Aufteilung der Bundesmittel auf die Länder entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen an eine nachhaltige Verkehrspolitik. Ziel muss es sein, diese Mittel künftig nachhaltig in den ÖPNV investieren zu können.