Kinderfreundlichkeitsprüfungen

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe sowie erste Versuche der Entwicklung von Kinderfreundlichkeitsprüfungen in den Bezirken. Der Bericht verweist jedoch auch auf Umsetzungsprobleme aufgrund des Umfangs der Leitlinien und auf die zu geringe Wirkung in die Fachressorts hinein. Kritische Hinweise beziehen sich unter anderem darauf, die bereits vorhandenen gesetzlichen Grundlagen, Verfahren und Regelwerke konsequenter anzuwenden, die Verbindlichkeit der Leitlinien durch Beschlussfassungen zu erhöhen und die Operationalisierung von Maßnahmen zu forcieren.

In den Folgejahren hat das Themenfeld „Interessenvertretung" und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen weitere Bedeutung auch im Rahmen von Stadtentwicklungsprozessen erlangt. Junge Menschen sollen frühzeitig an Verantwortung für sich selbst, für andere und für die Gesellschaft herangeführt werden und in einem lebendigen Sozialraum aktiv an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes mitwirken können. Ziele, Handlungsfelder und Maßnahmen der „Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt" sind in die Erstellung der gesamtstädtischen Lokalen Agenda 21 eingeflossen. Als Punkte einer umfassenden Bürgerbeteiligung sind in der Agenda unter anderem die Stärkung des Partizipationspotentials der Kinder und Jugendlichen, die Entwicklung von Strukturen und Qualitätsstandards der Kinder- und Jugendbeteiligung und die Schaffung politischer Bedingungen zur bürgerschaftlichen Mitberatung und Mitentscheidung vorgesehen.

Im Folgenden wird über die Erfahrungen der Umsetzung der Leitlinien in Verbindung mit dem gegenwärtigen Stand der Entwicklung von Kinderfreundlichkeitsprüfungen auf Landes- und Bezirksebene berichtet. Hieraus werden Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Kinderfreundlichkeitsprüfungen in Berlin abgeleitet.

1. Umsetzung der Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt in Bezug auf Kinderfreundlichkeit

Mit den „Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt" haben sich alle Senats- und Bezirksverwaltungen sowie nachgeordnete Einrichtungen selbstverpflichtet, „(...) die Leitlinien und Ziele im Sinne konkreter Handlungsmaximen zu berücksichtigen und - soweit betroffen - in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich örtlichen Bedingungen und Erfordernissen entsprechend zu ergänzen und durch geeignete Entscheidungen darauf hinzuwirken, diese umzusetzen. Die Bezirke werden aufgefordert, diese und gegebenenfalls eigene Leitlinien durch Beschluss der zuständigen Gremien zu bestätigen. Den Jugendämtern kommt bei der stetigen Umsetzung dieser Beschlüsse eine besondere Bedeutung zu. Sie müssen die politische Unterstützung in den Bezirken erhalten, diese Querschnittsaufgabe auch wahrnehmen zu können. Einerseits sind die erforderlichen personellen Voraussetzungen zu schaffen, andererseits ist es aber auch erforderlich, sowohl die Jugendämter an den bezirklichen Planungen insgesamt rechtzeitig zu beteiligen als auch die Ergebnisse der Jugendhilfeplanung in diese mit einzubeziehen."

Die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat angesichts der vor zehn Jahren beschlossenen Leitlinien den Stand der Umsetzung in Bezug auf Kinderfreundlichkeit in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz sowie in den 12 Berliner Bezirksämtern, Geschäftsbereich Jugend, zu folgenden 5 Themenschwerpunkten abgefragt:

· Maßnahmen auf der Grundlage der Leitlinien zur Verbesserung der Kinder- und Jugendfreundlichkeit;

· Aktivitäten in Bezug auf Kinderfreundlichkeitsprüfungen und Kinderbeteiligungsverfahren;

· Ansprechpartner/innen in Fachressorts des Senats und in den Bezirken für die Fragen der Beteiligung von Kindern;

· Ressortübergreifende Zusammenarbeit auf Senatsebene sowie Kooperationsformen/Vereinbarungen hinsichtlich der Anliegen einer verstärkten Beteiligung junger Menschen an Entscheidungsprozessen;

· Bezirkliche Beschlussfassungen (BA, BVV, JHA), die Auswirkungen auf die Umsetzung von Verfahren zur Kinderfreundlichkeit haben.

2. Ergebnisse der Abfrage an die Senatsverwaltungen:

Die befragten Fachverwaltungen haben im Einzelnen über Aktivitäten berichtet, die bei der Umsetzung der kinderfreundlichen Maßnahmen ein breit gefächertes Herangehen verdeutlichen.

Umsetzung von kinderfreundlichen Maßnahmen auf der Grundlage der Leitlinien

Der Senat von Berlin hat in den vergangenen Jahren im Rahmen seiner Gesundheitspolitik die Entwicklung primärpräventiver gesundheitsfördernder Ansätze für ein gesundes Aufwachsen von Kindern und die sich daraus ergebenden aktuellen Anforderungen in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit gestellt.

Der Senat hat aus der Häufung von psychischen Störungen, von Unfällen, von Krankheiten bzw. deren prädisponierenden Faktoren wie z. B. Übergewicht und von Gewalterfahrungen bei Kindern aus armen Familien vielfache Konsequenzen gezogen. So hat er im Jahr 2004 die Landesgesundheitskonferenz (LGK) ins Leben gerufen, um ressortübergreifend Maßnahmen einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik als lebenslagenorientierte Gesundheitsförderung im Sozialraum einzuleiten und zu etablieren. Mit der LGK soll es grundsätzlich gelingen, die Gesundheitsziele und deren Qualitätssicherung für das Land Berlin explizit auch für die Zielgruppe der Kinder festzuschreiben. Zu den Handlungsfeldern zählen unter anderem die Ernährungs-, Bewegungs- und Sprachförderung von Kindern im Setting der Kindertagesstätte unter besonderer Berücksichtigung von Kindern mit Migrationshintergrund und aus sozial benachteiligten Familien und Stadtgebieten. Hierbei steht der Abbau sozial bedingter Ungleichheit im Fokus des primärpräventiven, gesundheitsfördernden Ansatzes.

Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz weist darauf hin, dass aus den Ergebnissen der Gesundheitsberichterstattung des Landes Berlin, den Daten aus den Einschulungsuntersuchungen seit dem Jahr 2001 sowie aufgrund repräsentativer Daten der KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts wertvolle Erkenntnisse über den Zusammenhang der gesundheitlichen und sozialen Lage der Kinder und Jugendlichen gewonnen werden konnten. Der Berliner Familienbeirat empfiehlt der Gesundheitsverwaltung, die KIGGS-Studie nach Bezirken und Sozialräumen Berlins auszuwerten.

Darüber hinaus sollen in Zukunft im Berliner Gesundheitswesen die Belange von Kindern stärkere Berücksichtigung finden. Im Rahmen der nächsten Novellierung des Landeskrankenhausgesetzes ist beabsichtigt, den § 24 Landeskrankenhausgesetz (Versorgung im Krankenhaus) durch Regelungen zur Aufnahme von Begleitpersonen für Kinder und zur schulischen Betreuung von Kindern mit längerem Krankenhausaufenthalt zu erweitern.

Als weitere programmatische Eckpfeiler im Gesundheitsbereich sind z. B. der Ausbau der Projektdatenbank von Gesundheit Berlin e.V. und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung www.gesundheitliche-chancengleichheit.de, die Umsetzung der Leitlinien für eine Gesunde Stadt4 und die Ansätze des Programms "Gute gesunde Schule und Kita" zu nennen.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung betrachtet das Thema „Aktivierung und Beteiligung" als allgemeine Querschnittsaufgabe in ihren Fachbereichen Verkehr, Wohnungswesen, Stadterneuerung, Soziale Stadt, Stadt- und Freiraumplanung, Landesdenkmalamt und Berliner Forsten. Hierzu wird über umfangreiche Maßnahmen berichtet, die im Sinne der „Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt" in besonderer Weise die Bedürfnisse, Wünsche und Anforderungen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien berücksichtigen.

In der Berliner Verkehrspolitik sind die Aktivitäten in Bezug auf Kinderfreundlichkeit, auf die Verbesserungen der Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr und die kinder- und familienfreundliche Ausgestaltung des Öffentlichen Nahverkehrs hervorzuheben. Mit den Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetzes über öffentliche Geh- und Radwege vom 13. März 2008 (AV Geh- und Radwege) und den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) wurden in Berlin einheitliche Grundsätze der Anlage von öffentlichen Geh- und Radwegen geschaffen, bei denen den Belangen von Kindern und Jugendlichen auch eine besondere Bedeutung zukommen soll.

Zur Verbesserung kinderfreundlicher Wohn- und Lebensbedingungen werden im Rahmen des Programms „Soziale Stadt" die Maßnahmen des Quartiersmanagements ausgebaut und auf der Grundlage der Handlungskonzepte nach den Prioritäten der jeweiligen Quartiersgebiete geplant und umgesetzt. Im Rahmen des Stadtumbaus werden Quartiersverfahren in 29 Stadtteilen Berlins in 9 Bezirken umgesetzt und die Kriterien der „Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt" angewandt. Bei der Gestaltung von Schulhöfen, Spielplätzen oder der Sanierung von Jugendfreizeiteinrichtungen werden Mädchen und Jungen aktiv in die Planung und Mitgestaltung einbezogen.