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Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2009

Auf Bitte des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses hatte der Rechnungshof das Verwaltungshandeln im Zusammenhang mit dem Projekt Borsighafen geprüft und ihm insbesondere berichtet, dass wesentliche Voraussetzungen für die Förderung mit GA-Mitteln nicht vorgelegen haben (Bericht vom 09.11.07, rote Nr. 0297 C). Im Rahmen der parlamentarischen Erörterung dieses Berichts hat die Senatswirtschaftsverwaltung dargestellt, dass sie die Förderfähigkeit des Projekts nachträglich im Verhandlungswege sichergestellt habe und die daraus folgenden förderrechtlichen Konsequenzen ziehen werde.

Der Rechnungshof hat daraufhin das Handeln der Senatswirtschaftsverwaltung im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Förderfähigkeit der Baumaßnahme und der Umsetzung der GA-Förderbestimmungen geprüft. Das Ergebnis veranlasst ihn, erneut zu berichten.

Der Rechnungshof hatte in seinem Bericht an den Hauptausschuss deutlich gemacht, dass eine Förderung des Projekts Borsighafen als Verkehrsverbindung nicht in Betracht kam, weil Verkehrsverbindungen, die sich - wie hier - im Eigentum von Unternehmen befinden, nicht förderfähig sind (Anhang 3 Nr. 2 der Ergänzenden verbindlichen Förderbedingungen für wirtschaftsnahe Infrastrukturmaßnahmen nach Ziffer 3.2 (Teil II B) des 36. Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur für den Zeitraum 2007 bis 2010" - nachfolgend: Anhang 3 Nr. 2 zum 36. GA-RP). Ferner hatte er im Hinblick auf eine Förderung des Projekts unter dem Gesichtspunkt der Erschließung und Wiederherrichtung von privatem Industrie- und Gewerbegelände auf das förderrechtliche Erfordernis einer Abschöpfungsvereinbarung hingewiesen.

Sofern der Träger der Maßnahme - wie hier - ausnahmsweise nicht der Eigentümer des zu erschließenden Geländes ist, muss nämlich „per Abschöpfungsvertrag zwischen dem Träger und dem Eigentümer des Grundstücks gewährleistet sein, dass eine etwaige Wertsteigerung des erschlossenen bzw. wiederhergerichteten Grundstücks bei der Ermittlung der förderfähigen Kosten in Abzug gebracht wird und alle aus den Arbeiten entstehenden Vorteile vollständig an den Träger weitergereicht werden" (Anhang 3 Nr. 1 zum 36. GA-RP). Der Rechnungshof hatte hierzu in seinem Bericht beanstandet, dass eine solche Regelung weder als verbindliche Auflage in den an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gerichteten vorläufigen Förderbescheid vom Juni 2007 noch in den zwischen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (als Maßnahmeträgerin) und der Grundstückseigentümerin auf dieser Grundlage geschlossenen Kooperationsvertrag aufgenommen worden war.

Im Rahmen der Beratung des Berichts des Rechnungshofs an den Hauptausschuss hat die Senatswirtschaftsverwaltung im Januar 2008 zunächst behauptet, dass die von ihr im vorläufigen Bewilligungsbescheid benannte Fördergrundlage (Erschließung von Gewerbegelände nach Anhang 3 Nr. 1 zum 36. GA-RP) fehlerhaft gewesen sei. Diesen Fehler habe sie durch eine Änderung des Bescheides, in dem als Gegenstand nunmehr die Förderung von „Verkehrsanlagen" (Anhang 3 Nr. 2 zum 36. GA-RP) Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2009 genannt sei, bereits behoben. Einer Wertabschöpfungsklausel bedürfe es nicht, denn bei der Förderung von Verkehrsanlagen sei keine Wertabschöpfung vorgesehen, weil bei der Errichtung von Verkehrsverbindungen keine direkten bzw. lediglich nicht zurechenbare Gewinne entstehen könnten. Zur Frage einer möglichen förderbedingten Steigerung des Verkehrswerts des gesamten Grundstücks durch den Bau des Borsighafens hat die Senatsverwaltung ausgeführt, dass Wertsteigerungen des Geländes aufgrund der Förderung des Borsighafens nicht zu erwarten seien. Der Rechnungshof hat diese Ausführungen zum Anlass genommen, die Senatsverwaltung Anfang Februar 2008 nochmals darauf hinzuweisen, dass die Förderung von Verkehrsverbindungen, die sich im Eigentum von Unternehmen befinden, förderrechtlich ausnahmslos nicht zulässig ist.

Parallel hierzu hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie der Senatswirtschaftsverwaltung Ende Januar 2008 mitgeteilt, dass das Vorhaben im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe (nur) unter der Voraussetzung förderfähig wäre, dass der Kooperationsvertrag zwischen der Grundstückseigentümerin des Borsiggeländes und dem Land Berlin als Träger der Infrastrukturmaßnahme zwingend um einen Passus zur Abschöpfung von aus der geförderten Maßnahme resultierenden Gewinnen bei der Grundstückseigentümerin ergänzt wird (Wertabschöpfungsklausel). Es müsse gewährleistet sein, dass förderbedingte finanzielle Vorteile der privaten Eigentümerin aus möglichen höheren Mieteinnahmen oder höheren Erlösen aus dem Verkauf des Grundstücks an den Träger der Maßnahme weitergeleitet werden. Nur so werde sichergestellt, dass es sich tatsächlich um eine Maßnahme im Rahmen der GA-Infrastrukturförderung und nicht um eine unzulässige Beihilfe handele.

Erst daraufhin ist die Senatsverwaltung von ihrer nicht durch die GA-Bestimmungen gedeckten Rechtsauffassung abgerückt und hat dem Hauptausschuss im April 2008 berichtet, dass eine Wertabschöpfungsklausel habe nachverhandelt werden können. Die Grundstückseigentümerin, die zu diesem Zeitpunkt das betreffende Gewerbegrundstück (mit Ausnahme eines kleinen Flurstücks in einem angrenzenden Wohngebiet) bereits veräußert hatte, habe sich schriftlich verpflichtet, eine etwaige Wertsteigerung aus ihr zugehenden Erlösen aus dem Grundstücksbereich des neu entstehenden Borsighafens wegen der Förderung des Ausbaus an den Maßnahmeträger weiterzuleiten. Die Wertabschöpfung werde beim jetzigen Verkauf zur Anwendung kommen. Die Eigentümerin werde nach vollzogenem Verkauf Unterlagen vorlegen, anhand derer das Vorliegen einer Wertsteigerung bzw. die Möglichkeit einer Wertabschöpfung geprüft werde.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die Senatsverwaltung der damaligen Grundstückseigentümerin Ende Februar 2008 folgenden Zusatz zum Kooperationsvertrag vom Juni 2007 (T 179) vorgeschlagen hatte: „Im Zusammenhang mit der Förderung zum Ausbau des Borsighafens verpflichtet sich die Eigentümerin innerhalb der Bindungsfrist von 15 Jahren, Vorteile aus möglichen höheren Mieteinnahmen sowie aus etwaigen Erlösen aus dem Grundstücksbereich an den Träger der Maßnahme weiterRechnungshof von Berlin Jahresbericht 2009 zuleiten." Anfang April 2008 hat die Senatsverwaltung mit Vertretern der Grundstückseigentümerin hierzu ein Gespräch geführt. Diese hätten sich einer Abschöpfungsregelung gegenüber aufgeschlossen gezeigt und ferner mitgeteilt, dass Verhandlungen über den Verkauf des Borsiggeländes geführt würden. Schließlich hat die Grundstückseigentümerin mit Schreiben vom April 2008 erklärt, dass sie bereit sei, sich zu verpflichten, entstehende Vorteile aus ihr zugehenden Erlösen aus dem Grundstücksbereich des neu entstehenden Borsighafens wegen der Förderung des Ausbaus des Borsighafens an den Träger der Maßnahme weiterzuleiten. Ein Mehrerlös aus dem Verkauf sei aber im Verhältnis der Gesamtfläche des Borsiggeländes zur Fläche des Hafens aufzuteilen. Damit seien von dem Gesamterlös aus dem Verkauf des Borsiggeländes nur 2 v. H. auf den Borsighafen anzurechnen. Von diesem Anteil müssten dann die gemäß Kooperationsvertrag geleisteten Zahlungen (Eigenanteil) abgesetzt werden.

Unter Berufung auf die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vertretene Rechtsauffassung (T 181) hat die Senatsverwaltung Mitte April 2008 die vorgeschlagene Berechnung für eine Erlössteigerung als nach den GA-Bestimmungen rechtlich nicht umsetzbar zurückgewiesen.

Daraufhin hat die Grundstückseigentümerin Ende April 2008 klargestellt, dass die Anwendung ihres Berechnungsansatzes zur Erlösermittlung eine wesentliche Voraussetzung für ihre Bereitschaft sei, an einer weder vertraglich noch gesetzlich geschuldeten Erlösaufteilung mitzuwirken. Weitere Verhandlungen zum nachträglichen Abschluss einer Wertabschöpfungsklausel waren nicht aktenkundig.

Die zwingend erforderliche Regelung zur Wertabschöpfung (vgl. T 179 und 181) ist entgegen der Darstellung der Senatsverwaltung vom April 2008 gegenüber dem Hauptausschuss (T 181) bisher nicht vereinbart worden.

Das Angebot der Senatsverwaltung zur Ergänzung des Kooperationsvertrages hat die Eigentümerin nämlich nicht vorbehaltlos angenommen. Sie hat lediglich die Bereitschaft erklärt, eine Verpflichtung zur Erlösabführung eingehen zu wollen. Diese bloße Bereitschaftsbekundung hat sie zudem noch unter die Bedingung gestellt, dass die von ihr bestimmte Methode zur Erlösberechnung Anwendung findet. Diese Bedingung hat die Senatsverwaltung nicht erfüllt und nach den maßgeblichen europarechtlichen Beihilfevorschriften auch nicht erfüllen können.

Der Rechnungshof hat beanstandet, dass die Senatsverwaltung nicht für eine den förderrechtlichen Bestimmungen entsprechende Abschöpfungsvereinbarung zur Ergänzung des Kooperationsvertrages gesorgt hat. Damit ist weiterhin eine wesentliche Fördervoraussetzung für das Projekt Borsighafen nicht erfüllt.

Die Grundstückseigentümerin hat das Borsiggelände im August 2006 für einen zweistelligen Millionenbetrag erworben und im Februar 2008 (mit Ausnahme eines kleinen Flurstücks) veräußert. Der bei dem Verkauf erzielte Erlös übersteigt den seinerzeit gezahlten Kaufpreis um mehrere Millionen Euro.