Ausbildung

Meine Damen und Herren, weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Mit Beantwortung der siebten Frage ist die Fragestunde beendet.

Jugend-Diversions-Projekt Teen-Court als ergänzender Baustein zur Prävention von Jugend- und Kinderdelinquenz Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU vom 12. September 2006 Dazu Mitteilung des Senats vom 19. Dezember 2006

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Böhrnsen, ihm beigeordnet Staatsrat Mäurer.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, dass davon nicht Gebrauch gemacht wird, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Grotheer.

Abg. Grotheer (SPD): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen hier heute Morgen über das Thema Teen-Courts. Sie wissen, Jugendliche machen viele gute Dinge, aber Sie tun auch manches, was nicht in Ordnung ist. Sie stehlen, sie prügeln sich, sie beleidigen, sie bedrohen und sie nötigen. Das alles beschäftigt eine Vielzahl von Institutionen, von der Polizei über die Staatsanwaltschaft und die Jugendgerichtshilfe bis hin zum Jugendgericht. Wir sprechen heute Morgen darüber, ob solche Fälle, um die es geht, in Bremen künftig vor sogenannten Schülergerichten Teen-Courts, wie das so neudeutsch heißt, verhandelt werden können.

In Bayern gibt es solche Einrichtungen. Dort sollen ­ das sagt die bayerische Landesregierung, sie nennt sich nicht Landes-, sondern Staatsregierung ­ diese Teen-Courts messbare Erfolge haben. Bis zum Jahr 2004 sind dort über 300 Fälle verhandelt worden. Diese Teen-Courts, die Schülergerichte, geben ihre Urteile als Empfehlung an die Staatsanwaltschaft oder an das Jugendgericht, und in 97 Prozent der Fälle wird den Empfehlungen der Teen-Courts durch das Jugendgericht oder durch die Staatsanwaltschaft gefolgt. Es geht dabei nicht um Strafen im rechtlichen Sinne, sondern es geht immer um Erziehungsmaßnahmen, also Schadenswiedergutmachung, gemeinnützige Arbeit, andere ähnliche Dinge.

Es gibt eine Studie der Universität München, ein Zwischenergebnis über die Arbeit dieser Teen-Courts.

Demnach ist ein Projekt in Aschaffenburg zum Beispiel sehr erfolgreich. Dort soll die Rückfallquote bei mussten, um 12 Prozent geringer sein als in anderen Fällen, in denen nur das Jugendgericht tätig geworden ist. Der Grund soll darin liegen, und das ist ja auch plausibel, dass die Jugendlichen, die urteilen, eine größere Nähe zum Täter haben, dass sie die Täter besser beurteilen können und dass sie auch den Sachverhalt aus ihrer Sicht als Gleichaltrige besser beurteilen können, als es die Staatsanwaltschaft und der Jugendrichter können.

Nun könnten wir sagen, ich schaue meine Kollegen von der CDU an, nicht alles, was aus Bayern kommt, ist gut. Das kann man aber hier nicht sagen.

Aber es ist auch nicht alles schlecht, was aus Bayern kommt. Wir wissen aus vielen anderen Bereichen, gerade im Justizbereich, dass die Bayern durchaus eine sehr erfolgreiche, seriöse Arbeit leisten. Man muss also schauen, wie es im Einzelfall wirklich geht und ob es passt. Weil wir in Bremen bei der Bekämpfung von Jugendkriminalität und Gewalt an den Schulen ein Maximum erreichen wollen, meinen wir, dass es sich lohnt, auch in Bremen auf das bayerische Modell zurückzugreifen und zu schauen, ob man dieses Modell für Bremen, für die bremische Situation nutzen kann.

Nun wollen wir aber nicht so tun, als ob wir in Bremen gar nichts haben, sondern ich sage, eigentlich sieht es gut aus in Bremen! Es gibt eine ganze Reihe von Projekten, die sich mit Gewaltbekämpfung an den Schulen, mit Streitschlichtung, beschäftigen. Wir haben zum Beispiel eine Studie aus dem Jahr 2004, 2005 gibt es dann noch ein neue, mit der Überschrift Schulleiterbefragung Gewaltprävention, in der eine Fülle von Projekten untersucht wird, die mehr oder weniger, aber überwiegend sehr erfolgreich an den Schulen durchgeführt werden. Es werden aber auch Defizite genannt, denen man nachgehen muss. In diesen Projekten werden Lehrer, Schüler, Eltern beteiligt, die Streitschlichtung läuft demnach auf ganz unterschiedlichen Wegen. Ich möchte insbesondere auch darauf verweisen, dass wir in Bremen einen sehr gut funktionierenden Täter-Opfer-Ausgleich haben, der sehr gut läuft.

Wenn wir uns anschauen, wie die Taten sich verteilen, wo die Probleme liegen, dann sagen uns die Berichte, dass es an den Gymnasien und an den gymnasialen Oberstufen sehr wenige Probleme mit Gewalt gibt. Auch die übrigen Schulen sind eher unauffällig, sagt uns diese Studie. Es ist nicht so, dass es dort große Probleme gibt. Aber wir wissen ja auch, dass dort, wo es zunächst unauffällig läuft, plötzlich riesige Probleme auftauchen können. Wir haben ja einige furchtbare Vorfälle an deutschen Schulen gehabt. Man muss das im Auge behalten.

Wichtig ist für uns aber auch, dass die Ergebnisse dieser Studie uns sagen, es gibt eine gute Einbindung der Polizei, es ist also nicht so, dass es zwischen den Schulen, den Lehrern und der Polizei einen Graben gibt, der geschlossen werden muss. Das wird in der politischen Debatte zwar gern behauptet, aber da läuft die Zusammenarbeit sehr gut. Außerdem, darauf will ich an dieser Stelle auch hinweisen, gibt es in Bremerhaven besonders positiv laufende Projekte zum Beispiel an der Georg-Büchner-Schule. Da gibt es ein Projekt Ausbildung zu Streitschlichtern. Dieses Projekt ist im Jahre 2005 übrigens von der SPD-Landesorganisation mit dem Jugendpreis der SPD ausgezeichnet worden, also eine gute Sache. Ich meine, nicht nur der Jugendpreis der SPD ist eine gute Sache, sondern auch das, was in Bremerhaven läuft, ist prima.

(Beifall bei der SPD)

Einige Beispiele: Es gibt in Bremen das das Projekt Faustlos, Fit for Life, also eine Vielzahl von Dingen läuft hier, die richtig gut sind und die natürlich Geld kosten. Nun können wir den Senat verstehen, wenn er skeptisch ist, ob sich zusätzliche Maßnahmen angesichts unserer Haushaltslage finanzieren lassen. Aber ich muss auch sagen, dass uns die Argumente des Senats doch nicht so ganz überzeugen, wenn er sich im Grundsatz, also kritisch äußert. Ich darf zitieren mit Erlaubnis des Präsidenten: Dem Senat liegen bislang noch keine hinreichenden Erkenntnisse über die Erfahrung in diesen Projekten vor, um eine Entscheidung über die Einrichtung entsprechender Schülergerichte empiriegeleitet treffen zu können. Der Senat legt bei der Aufarbeitung von Jugendkriminalität sehr großen Wert auf die Einbeziehung der Opfer. Die Opferinteressen kommen nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstands des Senats bei Schülergerichten zu kurz. Dort steht allein der Täter im Mittelpunkt. Das Opfer wird nicht gehört, es bleibt außen vor. Die Idee der Teen-Courts verfolgt damit eher einen kriminalpolitischen Ansatz, dem der Senat skeptisch gegenüber steht. Und so weiter!

Davon ist vielleicht ein Teil richtig, aber die Vorteile dieser Schülergerichte, wie sie in Bayern praktiziert werden, sind eben, dass die Schüler stärker einbezogen werden, die Mitschüler einbezogen werden, also die gleiche Altersgruppe, dass ihre sozialen Kompetenzen genutzt werden, dass ihre Kenntnisse genutzt werden, und das ist etwas anderes als das, was in anderen bremischen Projekten zum Teil läuft. Wir meinen eben, dass man nicht nur die Täter im Auge haben muss, die mit der Tat konfrontiert werden und mit der Reaktion von Gleichaltrigen, sondern dass es auch gut ist, wenn Schüler lernen, dass Sachverhalte sorgfältig aufgeklärt werden müssen, bevor man ein Urteil spricht, dass man alle Beteiligten zu Wort kommen lässt und dass man abwägt.

Wir glauben auch, dass diese Schülergerichte ein Instrument sind, um bei den Schülern eine Vorstellung zu wecken, wie ein gerechtes Verfahren stattzufinden hat, und dass es ein guter Beitrag dazu ist, auch die Entscheidungsfähigkeit, in diesem Alter zu stärken. Wir sind der Meinung, dass man das durchaus in Bremen modellhaft ausprobieren sollte. Deshalb gestellt, wenn der Senat uns in seiner Antwort erklärt, dass er bereit ist, einige Aspekte gründlich zu prüfen, nämlich inwieweit es neuere Erkenntnisse gibt, inwieweit der Partizipationsgedanke, also, das ist das, das ich eben geschildert habe, die Beteiligung der Jugendlichen auch im Bereich der Dritten Gewalt unter Beachtung hoheitlicher Zuständigkeit stärker berücksichtigt werden kann und inwieweit rechtsstaatliches Wertebewusstsein durch eine solche Einrichtung auch den anderen Beteiligten, also nicht nur dem Täter, vermittelt werden kann.

Wir hoffen, dass es gelingen wird, ein solches Projekt in Bremen auf den Weg zu bringen. Es gibt dazu Vorschläge zum Beispiel vom Verein der dazu Vorschläge hat, die wir begrüßenswert fänden, und wir hoffen, dass es dem Senat gelingen wird, ein solchen Projekt auf den Weg zu bringen. Wir wollen aber auch ganz deutlich sagen, wir möchten nicht, dass die im Übrigen positiv laufenden Projekte gefährdet werden. Aber wir haben die Hoffnung, dass das alles gelingen wird. Mit etwas Augenmaß kann man das sicherlich hinbekommen. ­ Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD) Präsident Weber: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordneter Crueger.

Abg. Crueger (Bündnis 90/Die Grünen): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich war etwas gespannt, muss ich gestehen, wie die Debatte heute ablaufen würde, war auch überrascht, dass ich jetzt direkt schon nach der SPD das Wort bekomme. Warum ich gespannt war auf die Debatte, ist die Situation, dass, ich glaube, das ist aus der Rede von Herrn Grotheer auch deutlich geworden, die beiden Fraktionen hier im Hohen Hause von SPD und CDU mit ihrer Großen Anfrage sehr deutlich versucht haben, dem Senat das Instrument dieser Teen-Courts nahezulegen, dass aber die Antwort des Senats gleichermaßen sehr ablehnend und sehr schroff dahingehend war zu sagen, nein, das brauchen wir nicht, das passt nicht in unser bremisches System, und das lehnen wir auch vom Ansatz her ab.

Es ist doch für eine Oppositionsfraktion eine relativ seltene Situation, dass wir hier erkennbar zwischen Parlament und Senat einen Dissens in der Sache, und zwar auch in der Grundsache, haben. Wir als grüne Fraktion haben es da relativ leicht, wir könnten uns eine von beiden Positionen sozusagen aussuchen und uns dafür dann stark machen. Wir haben uns, und da brauchten wir gar nicht so lange zu diskutieren, für den Standpunkt des Senats entschieden, nämlich dafür, wie die Teen-Courts bislang praktiziert werden.

Natürlich kann man das konzeptionell dann immer verändern, Herr Grotheer, da stimme ich Ihnen auch schon zu, aber es gibt doch erst einmal einen Vorschlag, der konkret im Raum steht, und den muss man sich anschauen. So, wie er im Raum steht, bedeutet das nichts anderes, als dass durch die Teen-Courts tatsächlich der Täter in den Mittelpunkt und das Opfer aus der Perspektive herausgerät, und so wollen wir das nicht. Für uns bedeutet es immer, dass man sowohl den Täter als auch das Opfer in der Perspektive behalten muss. Nur wenn man beides gleichermaßen macht, kann man die Probleme vernünftig aus der Welt schaffen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) müssen gerade bei Jugenddelinquenz, gerade an Schulen, wo sich uns ein auch relativ breites Podium bietet, wie können wir es schaffen, dass Vergehen von Jugendlichen nicht einfach von irgendeinem Erwachsenen geahndet werden, und dann ist es gut, sondern wie können wir den Jugendlichen das Gefühl geben, dass sie bei Konflikten, die in ihren Probleme, an der Lösung dieser Konflikte auch selbst beteiligt sind und dass sie an Wiederherstellung von Gerechtigkeit, zumindest der Täter und das Opfer, mitbeteiligt sind und dass das nicht von übergeordneten erwachsenen Stellen ihnen aufoktroyiert wird, was zu geschehen hat.

Diesen Gedanken von Partizipation teilen wir und finden wir richtig. Aber man muss ganz genau darauf achten, weil es eben ein sehr heikles Thema ist, mit dem man sich auseinanderzusetzen hat, wie man das macht. Ich glaube, man kann auch den Einwand des Senats nicht vom Tisch wischen, dass Jugendstrafsachen generell nicht öffentlich zu verhandeln sind. Das heißt, es geht nicht, dass es dann am Ende eine große Schulversammlung gibt, und dann sitzen da vorne drei, vier jugendliche Richter, und diese entscheiden dann irgendetwas, sondern diese Probleme müssen wir im kleinsten Kreis lösen, aber wir müssen sie eben so lösen, dass die Jugendlichen das Gefühl bekommen, dass sie da eine Rolle mitspielen und dass sie am Ausgang des Geschehens auch beteiligt sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Das, was wir bislang haben an Instrumenten, den Täter-Opfer-Ausgleich, die Sreitschlichter, die das alles wird ja auch in der Antwort des Senats genannt, das sind unserer Meinung nach schon sehr gute Ansätze, bei denen man sich auch überlegen muss, ob man überhaupt noch weitere braucht. Meine Kollegin Anja Stahmann nennt das gern Maßnahmen-Hopping. Das kennen wir im Bildungsbereich mitunter, das kennen wir auch im Sozialbereich, dass man immer neue Programme auflegt, ohne eigentlich damit den Kern des Problems zu berühren.

Wir müssen uns also überlegen, ob wir mit dem, was wir bisher an Programmen haben, nicht schon relativ viel erreichen können, denn können wir die nicht vielleicht noch ein bisschen verbessern? Aber müssen wir nicht einfach ganz grundsätzlich über die Finanzierung reden? Müssen wir nicht darüber reden, dass in Bremen-Nord mittlerweile die ausgelaufen sind, mit denen da der finanziert wurde? Müssen wir nicht darüber reden, dass wir das, was wir im Moment schon an guten Programmen haben, einfach nicht überall gewährleisten können, weil nicht entsprechendes Geld im Haushalt steht? Ich finde, das ist ein ganz zentrales Problem, wenn wir über dieses Thema heute hier reden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es wird ja auch in dieser Anfrage darüber geredet, inwieweit man dann die Schüler entsprechend fortbilden könnte für diese Teen-Courts. Ich glaube, es wäre auch ganz sinnvoll, überhaupt einmal Fortbildung anzubieten. Es muss dann gar nicht auf dieses neue Instrument der Teen-Courts hinauslaufen, aber ich glaube, dass generell die Möglichkeit, dass für Schulklassen Fortbildungsmaßnahmen in Stressprävention und so weiter angeboten werden, uns auch helfen könnte. Ganz grundsätzlich muss man sich ja eines immer vor Augen halten: Schüler in einer Schulsituation, in einer Klassensituation haben nur sehr schwer die Möglichkeit, einander aus dem Weg zu gehen, nachdem einmal etwas passiert ist. Die einzigen Möglichkeiten, die sich da bieten würden, wären, entweder verlässt der Täter oder das Opfer die Schule.

Das ist aber beides irgendwie nicht schön, und es wäre wünschenswert, es so zu lösen, dass sich beide Seiten dann noch halbwegs in die Augen schauen und miteinander weiter im Unterricht zusammenarbeiten können. Das muss eigentlich das Ziel sein.

Deshalb haben wir da auch noch ein Stück weit eine andere Situation, als wenn es um Straftaten geht.