Herr Alexander Kraus Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Landesverband Berlin

Juli 1978 (GVBl. S. 1497), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Februar 2009 (GVBl. S. 22), schreibt in § 22 Abs. 1 vor, dass der Präsident dem Abgeordnetenhaus im Benehmen mit dem Ältestenrat jährlich bis zum 30. September einen Bericht über die Angemessenheit der Entschädigung im Sinne des Artikels 53 der Verfassung von Berlin erstattet. In Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung lege ich im Benehmen mit dem Ältestenrat den nachstehenden Bericht vor.

Da das Abgeordnetenhaus bei der Festlegung der Entschädigung in eigener Sache tätig wird, berät eine unabhängige Kommission den Parlamentspräsidenten bei der Abfassung seines Berichts, siehe § 22 Abs. 4 LAbgG. Der Kommission, die am 14. Oktober 2009 getagt hat, gehören folgende von mir berufene ehrenamtliche Mitglieder an: Kraft getretenen Änderung des Landesabgeordnetengesetzes soll sich die Entschädigung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 an einem Vierundzwanzigstel der sich aus dem Grundgehalt ergebenden Jahresbezüge (ohne einmalige Zahlungen) eines Beamten der Besoldungsgruppe B 4 orientieren. Neben der Entwicklung dieses sog. Orientierungswertes sind nach § 22

LAbgG als Vergleichsdaten die Veränderungen

· der Arbeitnehmereinkünfte (Bruttolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer) nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung,

· der Versorgungsbezüge im öffentlichen Dienst,

· der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung,

· des Arbeitslosengeldes,

· des Arbeitslosengeldes II und

· der Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung des jeweiligen Anteils an der Gesamtzahl der Einkommensbezieher heranzuziehen. Diese Vergleichsdaten können den als Anlagen beigefügten Tabellen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg sowie der daraus von der Verwaltung des Abgeordnetenhauses erstellten Übersicht entnommen werden. Obige Vergleichswerte nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wurden im Dezember 2007 in das Landesabgeordnetengesetz aufgenommen, weil die bis dahin verwendete gesetzliche Datenbasis nicht mehr den Anforderungen entsprach, die aus statistischer Sicht an die Zuverlässigkeit und Belastbarkeit von statistischen Vergleichsdaten gestellt werden sollten. Die neue Darstellung bildet die unterschiedlichen Branchen und den aktuellen Wandel vom dauerhaften, vollzeitigen und sozialversicherten Erwerbsarbeitsplatz hin zu heterogenen Beschäftigungsverhältnissen besser ab.

Bei der diesjährigen Sitzung wurde die Entwicklung der Vergleichsdaten während vier Zeiträumen betrachtet, die im Zusammenhang mit der Entwicklung der Abgeordnetenentschädigung eine repräsentative Aussagekraft besitzen:

1. Vergleichszeitraum von Ende 1999 bis Ende 2008, der die Einkommensentwicklung der Jahre 2000 bis 2008 darstellt und diese mit den neu strukturierten Leistungen an Abgeordnete auf der Grundlage der o. g. Reform des Diäten- und Versorgungsrechts im November 1999 vergleicht;

2. Vergleichszeitraum von Ende 2001 bis Ende 2008, der die Entwicklung der Vergleichseinkommen seit der letzten Anpassung der Abgeordnetenentschädigung darstellt;

3. Vergleichszeitraum von Ende 2006 bis Ende 2008, der die Einkommensentwicklung der beiden Jahre 2007 und 2008 darstellt;

4. Vergleichszeitraum von Ende 2007 bis Ende 2008, der nur die Einkommensentwicklung des Jahres 2008 darstellt und somit an die letztjährige Beratung der Kommission anknüpft.

Anhand der vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg gelieferten Daten hat die Kommission über die Vergleichseinkommen unter Berücksichtigung des sog. Orientierungswertes beraten. Bei der Entwicklung dieses Orientierungswertes, der im Rahmen der o. g. Reform des Abgeordneten- und Versorgungsrechts als grundlegender Maßstab für die finanzielle Wertigkeit des Teilzeit-Mandats im Abgeordnetenhaus festgelegt wurde, war schon in den Vorjahren eine deutliche Differenz zur Abgeordnetenentschädigung zu verzeichnen. Seit den bereits längere Zeit zurückliegenden Anpassungen der Beamtenbesoldung im Jahr 2004 beläuft sich dieser Rückstand der Abgeordnetenentschädigung auf 256,- Euro monatlich; das entspricht einem prozentualen Wert von über 8,6 %. Dabei muss berücksichtigt werden, dass inzwischen als Vergleichsmaßstab die Beamtenbesoldung im Land Berlin herangezogen wird, da seit einer bundesrechtlichen Gesetzesänderung aus dem Jahr 2006 die Beamtenbesoldung des Bundes und der Länder voneinander getrennt wurden. Zwischenzeitlich beschlossene Erhöhungen der (Bundes-) Beamtenbesoldung sind somit ohne Belang; eine Anpassung der Beamtenbesoldung im Land Berlin ist ­ abgesehen von Einmalzahlungen ­ bis jetzt nicht erfolgt.

Auch die Betrachtung der in § 22 LAbgG genannten Vergleichseinkommen für die oben unter Nr. 1 und Nr. 2 genannten Zeiträume ab Ende 1999 bzw. Ende 2001 bestätigt tendenziell die obige Feststellung. Nach der letzten marginalen Anpassung der Abgeordnetenentschädigung auf derzeit 2.951,- Euro monatlich im Zusammenhang mit der Einführung des Euro sind die gesetzlich zu berücksichtigenden Vergleichseinkommen um etwas mehr als 4 % gestiegen. Berücksichtigt man die gesamte Entwicklung während der Geltungsdauer des reformierten Abgeordnetengesetzes ab Ende 1999, fällt sogar eine Differenz von über 6 % auf. Wie in den vergangenen Jahren hat die Kommission deshalb einen strukturellen Rückstand der Abgeordnetenentschädigung in diesem Umfang festgestellt.

Dennoch ist die Kommission der Auffassung, dass derzeit eine Anhebung der Abgeordnetenent schädigung in diesem Umfang nicht angeraten sei.

Auch wenn sich für das nächste Jahr geringfügige Einkommenszuwächse der Berliner Erwerbsbevölkerung abzeichnen, erscheint es der Kommission nicht gerechtfertigt, darüber hinausgehende strukturelle Änderungen umzusetzen. Nach ihrer Auffassung würde sich daraus ein Ausscheren der Abgeordnetenentschädigung aus der stagnierenden allgemeinen Einkommensentwicklung im Land Berlin ergeben. Diese allgemeine Einkommensentwicklung, allerdings bezogen auf den zurückliegenden Vergleichszeitraum zu Nr. 3., stellt für die Kommission das vertretbare Maß für die Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung dar. Auf der Grundlage dieser für den Zeitraum der Jahre 2007 und 2008 festgestellten statistischen Vergleichswerte ergäbe sich ein Erhöhungsbedarf von etwas über 1,8 %.

Allerdings würde bei solcher gesamtheitlicher Betrachtungsweise die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers zur Orientierung der Abgeordnetenentschädigung an der Hälfte des Grundgehalts eines Beamten der Besoldungsgruppe B4 weiterhin nicht umgesetzt werden.

3. Kostenpauschale nach § 7 Abs. 2 LAbgG Gleichzeitig mit dem Vorschlag zur Anpassung der Entschädigung wird nach § 22 Abs. 3 LAbgG auch ein Vorschlag zur Anpassung der Kostenpauschale (Bestandteil der Amtsausstattung) vorgelegt.

Er wird unter Zugrundelegung des Indexes für die Einzelhandelspreise und des Preisindexes für die Lebenshaltung, soweit sie sich auf die mit der Kostenpauschale zu bestreitenden Kosten beziehen, nach einer von der Kommission vorgegebenen Gewichtung errechnet. Bei diesen mandatsspezifischen Ausgaben handelt es sich um Material für Schreibarbeiten mit einem Anteil von 40 % (Papierwaren 27,5 % und Schreibwaren 12,5 %), Versandkosten (Porto) mit einem Anteil von 12,5 % sowie Telefon(Anteil 12,5 %) und Fahrkosten (Anteil 35 %). Die Entwicklung der maßgebenden Kosten kann der vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg erstellten Tabelle entnommen werden. Es wurden im Wesentlichen die bereits bei der Entschädigung zu Grunde gelegten Vergleichszeiträume ausgewertet.

Im Zeitraum von Ende 2007 bis Ende 2008 war wiederum eine inhomogene Entwicklung der zu berücksichtigenden Kostenbereiche zu verzeichnen.

Hohe Steigerungen der Fahrkosten, insbesondere bei den Treibstoffkosten, standen geringfügigen sonstigen Kostensteigerungen bzw. einem Rückgang bei den Telefonkosten gegenüber. Bezogen auf die gesamte Kostenpauschale und die Preisindexierung des Jahres 2008 wurde somit ein Anstieg von 1,8 % festgestellt. Die Kommission hat jedoch auch hier zum Vergleich die aktuell absehbare bzw. schon eingetretene Entwicklung nach dem Jahr 2008, also außerhalb des gesetzlich fixierten Vergleichszeitraums, zu berücksichtigen versucht. Nach ihrer Einschätzung würde sich der obige Gesamtkostenindex von 1,8 % ohne Berücksichtigung der Fahrkosten

­ wegen der nach allgemeiner Wahrnehmung wieder deutlich rückläufigen Treibstoffkosten ­ nur auf etwa 1 % belaufen.

Nach einer auf diesem Wege modifizierten Preissteigerungsrate würde sich eine Erhöhung der Kostenpauschale um 10 Euro auf 955 Euro monatlich ergeben.

4. Empfehlung der Kommission

Zusammenfassend stellte die Kommission mehrheitlich fest, dass eine Erhöhung der Entschädigung um etwa 1,8 % ausreichen würde, um die Abgeordneten teilweise an der allgemeinen Einkommensentwicklung der letzten Jahre teilhaben zu lassen.

Zwar würde eine Kompensation seit der letzten Anpassung der Entschädigung am 1. Januar 2001 eine Erhöhung um über 4 % erfordern, eine tatsächliche Bemessung am derzeitigen gesetzlichen Orientierungswert sogar um etwa 8,6 %. Trotz dieses rechnerisch und tatsächlich nachzuvollziehenden strukturellen Rückstands der Abgeordnetenentschädigung sieht die Kommission keine Veranlassung, eine weitergehende Erhöhung zu empfehlen. Die Kommission ist mehrheitlich der Auffassung, dass sich in der gegenwärtigen Situation kein Ausscheren der Abgeordnetenentschädigung aus der aktuellen allgemeinen Einkommensentwicklung im Land Berlin empfiehlt.

Die Entwicklung der Daten zur Kostenpauschale hat die Kommission unter Berücksichtigung der statistisch nicht belegten aktuellen Tendenzen im Bereich der Fahrkosten zu der Empfehlung bewogen, die Kostenpauschale nur um einen reduzierten Faktor von 1 % auf 955 Euro monatlich zu erhöhen.

5. Vorschlag des Präsidenten Bezüglich der Abgeordnetenentschädigung nehme ich die Einschätzung der Kommission zur Kenntnis. Ich schließe mich ihr ausdrücklich nicht an. Wie die Kommission ­ auch in den Vorjahren ­ zu Recht festgestellt hat, gerät der nach § 6 Abs. 1 LAbgG verbindliche Maßstab für die Bemessung der monatlichen Abgeordnetenentschädigung (Orientierungswert) immer mehr aus dem Blick. Danach soll sich die Entschädigung „an einem Vierundzwanzigstel der sich aus dem Grundgehalt ergebenden Jahresbezüge eines Beamten der Besoldungsgruppe B 4 orientieren".